Thüringen: Linker Rettungsring für untergehende CDU

Mit CDU und SPD rockt es sich so mittel ... (Creative Commons CC BY-SA 2.0)

Mit CDU und SPD rockt es sich ganz schlecht (Foto: LINKE Thüringen, Creative Commons CC-BY-SA 2.0). Die Einigung, erst 2021 neu zu wählen, ist kein genialer Schachzug von Bodo Ramelow, sondern ein Eigentor. Die Regierung wird nicht nur von SPD und Grünen abhängig sein, sondern auch von der nach rechts offenen CDU. Ein weiteres Jahr keine linke Politik in Thüringen, ein weiteres Jahr keine Verbesserung der Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen. Dieser “Stabilitätspakt” mit den diskreditierten etablierten Parteien ist eine Steilvorlage für die AfD.

von Claus Ludwig, Köln

Die Rechtspopulist*innen werden nicht in die Schranken gewiesen, sondern können als einzige Kraft gegen das Establishment posieren. Die Information, dass es einen nicht-öffentlichen Vertrag zwischen LINKE, SPD, CDU und Grünen gibt, dürfte dazu führen, dass Höcke vor lauter Begeisterung stundenlang neue Goebbels-Gesten vor dem Spiegel einstudiert. Die LINKE ist damit quasi offiziell Teil des Klüngels der etablierten Parteien. Die AfD kann ihre Propaganda von den “Altparteien” entfalten, die Klassenunterschiede weiter verwischen und den Unmut verstärkt rassistisch aufladen. 

Laut Medienberichten gibt es inhaltliche Absprachen mit der CDU. So soll auf deren Wunsch das reaktionäre dreigliedrige Schulsystem erhalten bleiben. Es handelt sich demnach nicht um eine “technische” Übergangsregelung bis zu den Neuwahlen, sondern faktisch um eine politische Duldung durch die Union. Die bisherige Regierung Ramelow ging keinen Schritt weiter als SPD und Grüne erlaubten. Ab jetzt bremst die CDU. 

Illusion der Stabilität

Auch LINKE-Mitglieder reden jetzt von “Verantwortung”, “Stabilität” und “Gemeinschaft der Demokrat*innen”. Das ist eine Illusion. Die politische Instabilität basiert darauf, dass die etablierten Parteien nichts am chaotischen kapitalistischen System mit seinen sozialen Verwerfungen ändern wollen. Die einzige “Stabilität”, welche die Linke positiv beeinflussen kann, ist der Aufbau einer stabilen Gegenmacht durch Arbeiter*innenbewegung und soziale Bewegungen wie Frauen-, Klima- und antifaschistische Bewegung.

Egal, wie sehr sich die LINKE anpasst, sie wird dafür nicht belohnt. Für die CDU und weite Teile des Staatsapparates und der Medien steht der Feind links. Die etablierten bürgerlichen Parteien sind perspektivisch bereit, mit den Rechtspopulist*innen zusammenzuarbeiten, wenn es dem Machterhalt und der Stabilisierung von Profiten und System dient. Die Erfahrungen in Österreich, Italien oder Norwegen zeigen, dass es keine unüberwindbare Mauer zwischen Konservativen und Rechtsextremen gibt. Am Ende eint sie die Verteidigung des Kapitalismus und ihr Hass auf die Arbeiter*innenbewegung und die Linke, selbst auf so staatstragende Linke wie Bodo Ramelow.

Das Ruder herumreißen

Die Mitglieder der LINKEN müssen jetzt handeln. Wo möglich sollten Parteigremien Beschlüsse zur die Aufkündigung des Abkommens mit der CDU und für eine linke Offensive in und außerhalb des Parlaments diskutiert und gefällt werden. Die ehemaligen Volksparteien saufen ab, weil sie Politik gegen die Interessen der Mehrheit machen, und DIE LINKE bietet sich als Rettungsring an. Sie wird mit untergehen, wenn sie nicht so schnell wie möglich los lässt.

Anstatt sich auf parlamentarische Geheimdiplomatie mit der CDU einzulassen, die noch vor wenigen Tagen mit der AfD dealte, muss sich die LINKE auf die Menschen stützen, die in den letzten Wochen auf die Straße gegangen sind, gegen die AfD-Beteiligung, anlässlich der rechten Morde von Hanau, bei den Streiks der Ameos-Beschäftigten und bei Fridays for Future. Sie sollte eine sozialistische Strategie zur Veränderung Thüringens entwickeln und dafür auf der Straße, in Betrieben, Unis und Schulen mobilisieren. 

Zu den programmatischen Eckpunkten würden gehören:  1. Nichtumsetzung der Schuldenbremse, 2. Bekämpfung der Niedriglöhne, Einführung eines landesweiten Mindestlohns von 13 Euro, 3. Stopp aller Abschiebungen, 4. Mietendeckel, Mietsenkung und Enteignung der Immobilienkonzerne, 5. Einführung eines Landesgesetzes zur bedarfsgerechten Personalbemessungen in den Krankenhäusern und Rekommunalisierung von Kliniken, 6. Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Einführung des Nulltarifs im Nahbereich, 7. Einführung eines bedarfsgerechten Haushalts, 8. Rückabwicklung von Privatisierungen, 9. Auflösung des Verfassungsschutzes, 10. Vergesellschaftung der großen Betriebe und demokratisch kontrollierte Umstellung auf ökologisch sinnvolle Produktion bei voller Lohn- und Arbeitsplatzgarantie.

Diese und andere Maßnahmen wären ein Programm, mit dem sich DIE LINKE von allen anderen Parteien abhebt und die beste Maßnahme, um das Anti-Establishment-Gehabe der AfD zu konterkarieren. Die Thüringer LINKE stiftet mit dem “Stabilitätspakt” Verwirrung, leider in den eigenen Reihen. Noch ist es nicht zu spät. Thüringen braucht eine kämpferische, radikale LINKE, um den Trend nach rechts abzubremsen und in die Offensive zu kommen.

Claus Ludwig ist Redakteur von sozialismus.info und Mitglied im Landessprecher*innen-Rat der Antikapitalistischen Linken (AKL) NRW.