Covid-19 hat sich inzwischen auf alle Kontinente ausgebreitet. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Erklärung ist unklar, wie lange die Krise dauern wird, wie viele davon betroffen sein werden oder sterben werden. Die Auswirkungen der Krise auf die Weltwirtschaft werden bereits jetzt deutlich. Aktienkurse fallen und Unternehmen nehmen Entlassungen vor. Ein Klima der Panik macht sich breit und zwingt die Regierungen zum Handeln.
Covid-19 stellt eine echte Bedrohung dar. Es handelt sich um ein sehr aggressives Virus mit, wie es derzeit scheint, einer höheren Sterblichkeitsrate als bei einer „normalen Grippe“, von der vor allem ältere und bereits geschwächte Patient*innen betroffen sind. Die Gesundheitssysteme in den entwickelten kapitalistischen Ländern sind nicht ausreichend darauf vorbereitet. In den Ländern, die dem Neokolonialismus unterworfen sind, könnte sich ein Ausbruch zum Albtraum entwickeln.
Die Menschen sterben in erster Linie an dem Virus, aber eine beträchtliche Anzahl derer, die sterben, tun dies aufgrund der Mängel im Gesundheitssystem. Selbst in den entwickelten kapitalistischen Ländern haben die Auswirkungen der jahrzehntelangen neoliberalen Kürzungen eine Situation geschaffen, in der es zu wenig Krankenhausbetten, überlastetes Personal, unzureichende Testeinrichtungen und einen Mangel an technischer und medizinischer Unterstützung für die Infizierten gibt. In den Entwicklungsländern haben ordentliche Gesundheitssysteme nie existiert.
Covid-19 ist de facto eine Pandemie, obwohl sie aufgrund moderner medizinischer Techniken wahrscheinlich nicht so schwerwiegend sein wird wie die Spanische Grippe, an der vor 100 Jahren bis zu 50 Millionen Menschen starben. Aber wenn sie sich weiter ausbreitet, wenn Millionen Menschen infiziert werden, wenn die Regierungen weiterhin nicht angemessen reagieren, dann hat sie das Potenzial, schwerwiegende Folgen zu haben. Nachdem die Weltwirtschaft seit einer ganzen Weile am Abgrund balanciert, könnte Covid-19 nun der Auslöser sein, der sie in die nächste Rezession treibt.
Auch schwerwiegende politische Auswirkungen sind möglich und erwartbar. Das kapitalistische System und mit ihm die bürgerliche Demokratie befinden sich in einer sich vertiefenden Krise, seit sich die herrschende Klasse nach 2007 als unfähig erwiesen hat, die Wirtschaftskrise zu lösen. Seitdem ist die politische Situation in allen Teilen der Welt durch Instabilität gekennzeichnet, mit schnell wechselnden Regierungen und dem Auftreten „neuer“ Politiker*innen, die populistische Maßnahmen vorschlagen, um das tiefe Misstrauen zu überwinden, während sie versuchen, die Stabilität wiederherzustellen. 2019 war ein Jahr, in dem die herrschende Klasse auf dem ganzen Planeten von Aufständen, Massenprotesten, Revolten und revolutionären Bewegungen erschüttert wurde, von Ausbrüchen von Unzufriedenheit gegen das politische und wirtschaftliche System.
Eine Pandemie könnte diese Bewegungen durchkreuzen, aber auch zu neuen Protestwellen führen, da die herrschende Elite einmal mehr beweist, dass sie die Probleme nicht lösen kann. Dies könnte sich sehr schnell entfalten, wie jüngst im Iran. Aber mit der Art dieser Krise – ein Virus, das von einer Person auf eine andere übertragen wird – besteht die Gefahr, dass Wut und Angst zu Isolation, Rassismus und Trennung führen könnten, bevor sich kollektiver Protest entwickelt. Umso wichtiger ist es, dass Sozialist*innen die Ursachen der Krise erklären und auch konkrete Vorschläge und Forderungen zum Umgang mit der Situation stellen.
Zu spätes Eingreifen und Rechtfertigung der Sperren
Ungeachtet dessen, was viele Vertreter*innen des Establishments sagen, war die Reaktion der chinesischen Behörden auf den frühen Ausbruch in Wuhan ein katastrophaler Fehlschlag. Die ersten Infektionen geschahen wohl Anfang Dezember letzten Jahres, und der neue Covid-19-Stamm des Corona-Virus wurde am 7. Januar dieses Jahres identifiziert. Eine genetische Analyse zeigte, dass er dem Corona-Virus SARS, das beim Ausbruch von 2003 eine erschütternde Sterblichkeitsrate von etwa 10% aufwies, bemerkenswert ähnlich war. Anstatt dies als Warnung zu verstehen und den Ausbruch einzudämmen, solange er noch räumlich beschränkt war, beschlossen die Behörden, ihn zu ignorieren und kritische Wissenschaftler*innen und Journalist*innen, die versuchten, die Öffentlichkeit zu warnen, zum Schweigen zu bringen – das Schicksal des verstorbenen Arztes Li Wenliang ist dafür das berüchtigtste Beispiel.
Zu diesem Zeitpunkt, dem Beginn des Ausbruchs, wäre es wahrscheinlich möglich gewesen, ihn zu stoppen, indem man die Infektionskette zurückverfolgt und die gefährdeten Personen isoliert, während man gleichzeitig die Öffentlichkeit informiert, Gesichtsmasken verteilt und an öffentlichen Plätzen anti-virale Desinfektionsmittel angebracht hätte. Aber es dauerte mehr als zwei Wochen, bis die chinesische Regierung erkannte, dass sie das Problem nicht länger verbergen konnte, und so verhängte sie am 23. Januar die Abriegelung von Hubei und beschränkte die grundlegenden Menschenrechte von 60 Millionen Menschen in diesem Gebiet.
Wir sind zwar nicht grundsätzlich gegen die Einschränkung des Reiserechts während eines gefährlichen Ausbruchs, aber wir kritisieren das Regime, weil es vor dieser drastischen Einschränkung keine Maßnahmen ergriffen hat, und wir kritisieren auch die Art und Weise, wie sie beschlossen und umgesetzt wurde. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass nach den Informationen, die durchgesickert sind, die Bedingungen der Abriegelung für die Betroffenen entsetzlich sind: Viele Arbeiter*innen sind unbezahlt beurlaubt, die Quarantäne-Einrichtungen bestehen aus Hunderten von Betten nebeneinander mit begrenzten sanitären Einrichtungen, Grundbedürfnisse wie Nahrung und Wasser sind nicht richtig gewährleistet, das Personal arbeitet unter unerträglichen Bedingungen.
In den entwickelten kapitalistischen Ländern sehen wir, wie Politiker*innen die Gefahren des Ausbruchs herunterspielen und gleichzeitig betonen, dass sie gut vorbereitet sind, was in den meisten Fällen nicht stimmt. Angesichts des bereits bestehenden Misstrauens gegenüber der herrschenden Elite haben viele Menschen das Gefühl, dass mit dieser Haltung etwas nicht stimmt, was Panikreaktionen wie Hamsterkäufe fördert. Das Fehlen einer angemessenen frühzeitigen Reaktion führt zu der Gefahr, dass später extremere Maßnahmen zur Bewältigung des Ausbruchs ergriffen werden, wie dies in Italien bereits bei den lokalen Ausgangssperren und Einschränkungen des Streikrechts der Fall ist.
Information und Demokratie
Wenn früher zynische Medienmagnaten behaupteten, dass „Sex Zeitungen verkauft“, scheinen sie jetzt zu denken, dass sich Panik “verkauft“. Im Moment gibt es zwei widersprüchliche Probleme: Während die Regime die Bevölkerung nicht richtig informieren, greifen die Medien die winzigsten Details auf, um Panik zu erzeugen. In China ist nun klar, dass ein in Wuhan arbeitender Arzt, Li Wenliang, vor dem Corona-Virus gewarnt hatte, bevor es sich ausbreitete, aber vom Regime ignoriert und schikaniert wurde. Das Regime versuchte mit seinen üblichen Methoden der Zensur und Repression das Problem zu isolieren, aber dieser Plan ging nach hinten los. Später machte das Regime eine 180-Grad-Wende und stellte Millionen von Menschen unter Quarantäne.
Diese drakonischen Maßnahmen des chinesischen Regimes wurden von Regierungen in der ganzen Welt befürwortet, es herrscht sogar das Gefühl, „in einer solchen Situation braucht man schon zumindest Elemente einer Diktatur, um die Situation zu bewältigen“. Dies ist ein gefährlicher Trend, der sich mit der Einführung eines „Klima-Notstands“ und „Anti-Terror-Gesetzen“ abzeichnet, die zur Rechtfertigung der Einschränkung demokratischer Rechte benutzt werden. Es stimmt zwar, dass in einer Pandemie-Situation schnelle und manchmal restriktive Maßnahmen ergriffen werden müssen, aber das bedeutet nicht, dass dies auf undemokratische und diktatorische Weise geschehen sollte.
Diese Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass die herrschende Klasse ihre Macht behält, und es gibt keine Garantie dafür, dass diese Ad-hoc-Maßnahmen nicht noch lange nach dem Ende der Krise bestehen bleiben. Sie werden mit dem Argument gerechtfertigt, dass die normalen Menschen der Arbeiter*innenklasse nicht verstehen, was vor sich geht, und nicht in der Lage sind, Lösungen zu finden. Beides ist absolut falsch.
Im Irak haben Demonstrant*innen angesichts des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems Flugblätter verteilt und Vorträge über die Vorbeugung von Coronaviren gehalten, und die provisorischen Kliniken, die vor Monaten zur Behandlung der durch die Polizeirepression verletzten Demonstrant*innen errichtet wurden, verteilen jetzt kostenlos medizinische Masken, Handschuhe und Desinfektionsmittel. Freiwillige Helfer*innen in Sicherheitsanzügen messen die Temperatur der Demonstrant*innen, die sich in organisierten Schlangen aufstellen. Dies zeigt einen sehr kleinen Einblick in das, was in größerem Maßstab erreichbar wäre, wenn die Reaktion auf das Virus demokratisch von unten organisiert würde, auf der Grundlage der Solidarität der arbeitenden Menschen, statt durch den Profit, das Prestige und die Macht der kapitalistischen Eliten diktiert zu werden.
Wir sagen
- Als ersten Schritt brauchen wir die umfassende Verbreitung von wissenschaftlich fundierten Informationen über alle Medienkanäle. Unabhängig von Unternehmen und politischen Eliten sollten echte medizinische und wissenschaftliche Expert*innen Ratschläge geben, wie die Risiken einer Ansteckung und Verbreitung so gering wie möglich gehalten werden können. Diese Informationen sollten kostenlos verteilt werden, auch durch die privaten Medien, ohne Bezahlung für Druckflächen oder Sendezeit und in allen notwendigen Sprachen, um alle Schichten der Gesellschaft zu erreichen. Alle Medien, die falsche Informationen, rassistische Verleumdungen, Verschwörungstheorien verbreiten oder Geld verlangen, sollten sofort von der Öffentlichkeit und den Mitarbeiter*innen übernommen werden. Dies zeigt die Notwendigkeit unabhängiger Medien der Arbeiter*innenklasse!
- Informationen müssen an Arbeitsplätzen, Universitäten und Schulen während der bezahlten Arbeits- oder Studienzeit umfangreich verbreitet werden.
- Die Entscheidungen über die notwendigen Maßnahmen und ihre Durchführung sollten von demokratischen Strukturen der Arbeiter*innenklasse, von Vertretern der Arbeiter*innenbewegung und der lokalen Bevölkerung getroffen werden, die sich an der Einschätzung medizinischer Expert*innen orientieren.
Prävention
Staatliche Maßnahmen wie Körpertemperaturmessungen an Flughäfen, die mehr oder weniger nutzlos sind, da man das Virus ohne Fieber oder andere Symptome in sich tragen kann, werden ergriffen, um zu zeigen, dass „etwas getan wird“, und um das Versagen der Regierungen zu verschleiern, die notwendigen Investitionen in mehr medizinisches Personal und Ressourcen zu tätigen. Sie haben es meist versäumt, ein Programm für frühzeitige Tests einzuführen, um Infektionsketten zu verfolgen und wirksame Wege zu ihrer Eindämmung zu implementieren. Sie nutzen die Bedrohung auch, um ihre politischen Interessen zu verfolgen, wie z.B. in Italien, wo Streiks unter Berufung auf Covid-19 als Argument für diese antidemokratische Maßnahme verboten wurden.
Gleichzeitig leben wir in einer Gesellschaft wo Menschen unter Druck gesetzt werden, auch dann zur Arbeit zu gehen, wenn sie sich krank fühlen, aus Angst, ihren Lohn oder sogar ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Kürzlich ging ein Arbeiter im deutschen VW-Werk in Wolfsburg in die Arbeit, obwohl er sich krank fühlte, und verstarb am Arbeitsplatz (an einem Herzinfarkt, kein Zusammenhang mit dem Corona-Virus, d.Ü.). Die Unternehmensleitung zwang seine Kolleg*innen, neben der Leiche weiter zu arbeiten, um eine Unterbrechung der Produktion zu verhindern. Einige Unternehmen, wie z.B. Fluggesellschaften, versuchen, das Virus zur Lösung wirtschaftlicher Probleme zu nutzen die schon vorher bestanden, indem sie die Belegschaft bezahlen lassen – durch Entlassungen, Kurzarbeit, unbezahlten Urlaub und Lohnkürzungen.
Bei ihren Versuchen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, setzen Regierungen Maßnahmen ein, welche die Öffentlichkeit betreffen, aber die Konsequenzen den Individuen überlassen, die zahlen müssen und es sich oft nicht leisten können. Wir fordern einen anderen Zugang – die Gesundheit aller ist eine öffentliche Verantwortung und muss daher von der gesamten Gesellschaft organisiert und finanziert werden.
Wir sagen
- Einrichtungen zum ordnungsgemäßen Waschen und Desinfizieren der Hände und was immer notwendig und nützlich ist, sollten, wo immer es notwendig ist, zur Verfügung gestellt und Materialien kostenlos verteilt werden. Es zeigt die absolute Perversion des kapitalistischen Systems, dass die Unternehmen versuchen, vom Bedürfnis der Menschen nach Gesundheitsschutz zu profitieren, deshalb sollten diese Unternehmen von der Gesellschaft übernommen werden und für die Bedürfnisse der Gesellschaft laufen. Dadurch könnte die Produktion von Unternehmen, die ähnliche Produkte herstellen, umgestellt oder erhöht werden. Die Arbeiter*innen selbst wissen genau, wie die Produktion organisiert ist, welche Produkte nützlich und notwendig sind und leicht ersetzt werden können und wie die Produktion verändert werden kann, um dringend notwendige Notfallversorgung zu gewährleisten. Dazu muss die Produktion von demokratisch gewählten Organen der Arbeiter*innen selbst geleitet und kontrolliert werden.
- Masken und andere Gegenstände, die für den Schutz insbesondere des medizinischen Personals benötigt werden, sollten kostenlos und in der erforderlichen Menge zur Verfügung gestellt werden. Einige Unternehmen argumentieren bereits, dass die Lagerbestände gering sind, nur um sie zu höheren Preisen zu verkaufen. Dies unterstreicht, warum die Industrie von gewählten Vertreter*innen der Öffentlichkeit, den Beschäftigten des Unternehmens selbst und der breiteren Arbeiter*innenbewegung kontrolliert werden sollte.
- Der schizophrene Charakter der bürgerlichen Regierungen zeigt sich, wenn sie große Veranstaltungen wie den Karneval von Venedig und Sportveranstaltungen absagen. Medizinische Expert*innen kommentieren, dass dies nur bedeutet, dass die Menschen mehr Zeit in geschlossenen Räumen verbringen, wie z.B. in Bars, wo die Übertragung noch einfacher ist. Gleichzeitig wird von den Menschen immer noch erwartet, dass sie jeden Tag zur Arbeit fahren, oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln, um die Wirtschaft am Laufen zu halten und die Profite fließen zu lassen. Wenn es notwendig ist, das Risiko einer weiteren Ausbreitung zu verringern, dann sollte die erste Maßnahme darin bestehen, die Arbeitsleistung auf die wirklich notwendigen Arbeitsplätze zu reduzieren und, wenn möglich, Heimarbeit zu ermöglichen. Diese Maßnahmen sollten so umgesetzt werden, dass alle Arbeiter*innen, ob sie arbeiten oder nicht, den vollen Lohn erhalten. Besondere Maßnahmen zur Bereitstellung zusätzlicher Hilfe für die Niedrigverdiener*innen sind erforderlich, da sie keine Reserven für zusätzliche Ausgaben haben.
- Wenn Schulen und Kindergärten geschlossen werden müssen, dann müssen die Eltern bei voller Bezahlung von der Arbeit freigestellt werden – das ist wichtig, nicht nur um die Rechte der Arbeiter*innen zu schützen, sondern auch, um die Bildung informeller Gruppen von Kindern zu verhindern, die sonst organisiert werden, weil die Eltern nicht zu Hause bleiben können. Die Einhaltung der notwendigen Hygienemaßnahmen bei Gruppen von Kleinkindern ist praktisch unmöglich. Wenn Unternehmen argumentieren, dass sie sich die Lohnfortzahlung nicht leisten können, sollten als erste Maßnahme ihre Geschäftsbücher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um zu überprüfen, ob dies zutrifft, und diejenigen, die nicht zahlen können, sollten von der Öffentlichkeit übernommen und unter der Kontrolle und Leitung der Beschäftigten selbst geführt werden.
- Wenn Reisebeschränkungen eingeführt werden, dürfen sie nicht auf Kosten der Arbeiter*innenklasse gehen: Wenn die Menschen gebuchte Reisen stornieren oder ändern müssen, sollten sie für Verluste oder zusätzliche Kosten voll entschädigt werden. Diskussionen und Entscheidungen über notwendige Quarantänen, die Fortsetzung der Produktion und die Maßnahmen zur Verringerung der Verbreitung des Virus sollten von demokratisch organisierten und geführten Ausschüssen aus Gesundheitsexpert*innen und der Bevölkerung und Arbeiter*innen vor Ort getroffen werden. Sie dürfen nicht in den Händen der bürgerlichen Regierung liegen, welche die Interessen der Kapitalist*innenklasse vertritt.
- In den Regionen, in denen eine Quarantäne notwendig ist, muss die Verteilung von Lebensmitteln und anderen notwendigen Gütern durch demokratisch gewählte Ausschüsse öffentlich organisiert werden, um zu verhindern, dass diejenigen mit mehr Geld besser „bedient“ werden als andere.
Pflege
Die Mortalität von Covid-19 ist stark mit der Qualität des Gesundheitswesens verbunden. In Ländern mit einem schwachen Gesundheitswesen oder ohne öffentliches Gesundheitswesen werden mehr Menschen sterben. Im Iran, dem Land mit den meisten Todesfällen außerhalb Chinas, wurde die Reaktion auf die Epidemie durch die Untätigkeit, die Lügen und die Korruption des Regimes behindert – aber auch durch die von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen, die den Zugang zu medizinischer Grundversorgung und die Einfuhr von Corona-Diagnose-Kits eingeschränkt haben.
Aber auch in den entwickelten kapitalistischen Ländern wird es aufgrund fehlender Ressourcen enorme Probleme geben. Bei einem älteren Patienten in Österreich wurde eine Infektion mit Covid-19 erst nach einem zehntägigen Krankenhausaufenthalt festgestellt wo er wegen einer „Grippe“ behandelt wurde. In Italien zeigt die Situation, wie ernst, gefährlich und schwerwiegend der von den wichtigsten politischen Kräften des Landes in den letzten Jahren durchgeführte Prozess der Demontage des öffentlichen Gesundheitswesens war. Unterstützt von neoliberalen Angriffen und föderalistischem Regionalismus wurde das öffentliche Gesundheitswesen in den letzten zwanzig Jahren zerschlagen, es wurde seiner Ressourcen beraubt, in Stücke gerissen, zerstört und in zahlreiche autonome regionale Gesundheitsdienste zersplittert, ohne die Befugnisse und den Einfluss, die ein einheitlicher nationaler Gesundheitsdienst eines modernen Staates haben sollte.
Die Verbesserung der medizinischen Wissenschaft und Technologie hat den Bedarf an langwierigen Behandlungen in den Krankenhäusern verringert. Aber überall wurde dieses Argument benutzt, um die Ausgaben für das Gesundheitswesen in dieser Richtung zu stark zu senken. Sogenannte Expert*innen haben die Reduzierung von Krankenhausbetten und -personal gefordert, um diese effizienter zu machen, oder, wie in vielen Fällen, die Privatisierung von Schlüsselbereichen des Gesundheitswesens im Interesse des Profits durchzuführen. Dies hat zu erschöpfenden Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern und zu einem Mangel an Ressourcen für eine menschenwürdige Behandlung geführt – selbst in „normalen“ Zeiten. Nun droht die Pandemie extreme Bedingungen zu schaffen, und das gesamte Gesundheitssystem ist bis zum Zerreißen angespannt.
Wir sagen
- In einem ersten Schritt sollte das gesamte Personal im Gesundheitssektor von Arbeiten befreit werden, die nicht direkt mit der Pflege zusammenhängen – wie Verwaltung und unnötige Dokumentation. Dies würde sofort 20-30% zusätzliche Ressourcen freisetzen.
- Es sollte mehr Gesundheitspersonal mit maximalen Sicherheitsmaßnahmen und angemessener Bezahlung eingestellt werden – und nach der Epidemie sollte mehr Personal beibehalten bleiben, um die Arbeitszeit im Gesundheitssektor dauerhaft zu reduzieren. Es besteht zwar ein Bedarf für mehr Personal, aber wir lehnen Zwangsarbeit ab und verteidigen das Recht auf Arbeitsverweigerung. Die Geschichte hat gezeigt, wie selbstlose Menschen bereit sind, in Zeiten von Krieg, Katastrophen oder Krankheit sogar ihr eigenes Leben in Gefahr zu bringen.
- In Zeiten von Krankheit und eigentlich zu keinem Zeitpunkt gilt: Es gibt es keinen Platz für Wettbewerb im Gesundheitssektor. Wo es Krankenhäuser oder Kliniken gibt, müssen sie zum Wohle der Gesellschaft zusammenarbeiten. Alle privaten Kliniken und Gesundheitseinrichtungen müssen die Behandlung des Covid-19-Virus für alle, die darum bitten, kostenlos zur Verfügung stellen.
- Der Zugang zu medizinischer Behandlung sollte nirgendwo eingeschränkt werden. Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt können sich keine Krankenversicherung leisten. Selbst im reichsten Land der Erde – den USA – gibt es kein allgemeines Gesundheitssystem. Alle notwendigen Medikamente und Behandlungen, die zur Behandlung von Covid-19 notwendig sind, sollten vom Staat bereitgestellt und bezahlt werden.
- Alle Wirtschaftssanktionen gegen den Iran und andere Länder sollten sofort beendet werden, ebenso wie alle Maßnahmen, die die Verbreitung von medizinischer Ausrüstung in die betroffenen Gebieten einschränken. In einer Pandemie-Situation ist es offensichtlich, dass Sanktionen nicht nur unmenschlich sind, sondern eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft darstellen, da infizierte, aber unbehandelte Menschen das Virus nur weiter verbreiten werden.
- Gesundheit ist ein Menschenrecht und darf niemals an einen profitorientierten Markt ausgeliefert werden. Privatisierte und private Gesundheitseinrichtungen sollten unverzüglich (wieder-)verstaatlicht werden. In einem verstaatlichten und demokratisch organisierten Gesundheitssystem werden alle Informationen geteilt, das benötigte Material auf die effektivste Weise verteilt und die Patienten angemessen und effektiv behandelt.
Pharmazeutische Forschung und Industrie
Wie alles andere im Kapitalismus ist Gesundheit und Forschung eine Ware. Aber es sind nicht nur ein paar zwielichtige Unternehmen, die mit Masken und anderen medizinischen Hilfsmitteln zusätzliche Gewinne erzielen – es ist die gesamte pharmazeutische Industrie. Im Jahr 2019 konnten die zehn größten Pharmaunternehmen ihre Gewinne um 7% auf insgesamt 138 Milliarden Dollar steigern. Das Unternehmen, das als erstes einen Impfstoff oder ein Medikament gegen Covid-19 herstellt, wird ein Vermögen verdienen. Während also Teams aus Wissenschaftler*innen an Medikamenten arbeiten, teilen die Unternehmen keine Informationen und Forschungsergebnisse werden geheim gehalten. Das gilt auch für andere schwere Krankheiten! Der Gewinn für die wenigen ist wichtiger als das Leben der vielen.
Der Ausbruch von Covid-19 zeigt deutlich die Probleme der zentralisierten Produktion von Medikamenten, um die Gewinne zu steigern. Da die meisten Medikamente in China und Indien hergestellt werden, wird der Mangel an wichtigen Medikamenten in einer Reihe von Ländern immer dringlicher. Mit der zunehmenden Knappheit ist die Gesundheit auch der nicht infizierten Menschen gefährdet.
Wir sagen
- Die Pharmaindustrie muss in öffentlichen Besitz überführt und im Interesse aller betrieben werden.
- Patente müssen abgeschafft werden, da sie Informationen monopolisieren – alle verfügbaren Informationen müssen geteilt und veröffentlicht werden. Es muss mehr in die Forschung investiert werden, um schnellere Ergebnisse zu erzielen – die Gewinne der Pharmaunternehmen können dies leicht bezahlen. Gewählte Ausschüsse aus Expert*innen, Beschäftigten, Patient*innen und medizinischem Personal sollten alle wichtigen Entscheidungen treffen, die Ergebnisse bewerten und über notwendige Veränderungen entscheiden.
- Die Wiederherstellung dezentralisierter Strukturen zur Herstellung von Medikamenten, um Engpässe bei Ausbrüchen, Naturkatastrophen usw. zu verhindern.
- Kein Horten von Medikamenten für den Profit – für die demokratische Verwaltung der Medikamentenverteilung.
Migration
Das kapitalistische System mit seinen Kriegen, der Ausbeutung und Zerstörung der Natur zwingt Millionen von Menschen auf dem Planeten zur Flucht. Die rechtsextremen, aber auch „gewöhnlichen“ bürgerlichen Regierungen versuchen, die Schuld für die Auswirkungen ihrer Politik – den Verlust von Arbeitsplätzen, den Mangel an Wohnraum usw. – den Migrant*innen und Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben. Die rassistische Propaganda, die die Gesellschaft seit Jahrzehnten vergiftet, hat bereits zu rassistischen Angriffen gegen Chinesen oder andere „asiatisch“ aussehende Menschen in Deutschland, Italien, Großbritannien, Russland, den USA und anderen Ländern geführt.
Angesichts der Zunahme von Infektionen in Afrika und im Nahen Osten, die zu Epidemien in den riesigen Flüchtlingslagern zu führen drohen, wo Menschen unter schrecklichen Bedingungen ohne sanitäre und medizinische Hilfe zusammengepfercht sind, und angesichts der „Öffnung“ der Grenze zur Europäischen Union durch Erdogan brauchen Sozialist*innen und die Arbeiter*innenbewegung ein Programm für Flüchtlinge.
Die extreme Rechte greift bereits Migrant*innen und Flüchtlinge unter dem Vorwand von Covid-19 an. Bald werden ihnen zweifellos verschiedene bürgerliche Parteien folgen, darunter auch scheinbar „progressive“ sozialdemokratische und grüne Parteien. Sie werden versuchen, noch mehr rassistische Einwanderungsregeln durchzusetzen, Mauern zu errichten und die Festung Europa zu stärken, mit dem Argument, dass dies zum „Schutz“ vor dem Virus notwendig sei. In Zypern wurden vier der neun Übergänge entlang der Pufferzone zwischen dem Norden und dem Süden geschlossen, was die Regierung als Maßnahme zur Bekämpfung der Verbreitung des Corona-Virus darstellt – trotz des Fehlens bestätigter Fälle auf beiden Seiten der Grenze.
Wenn keine anderen wirksamen Maßnahmen ergriffen werden, kann dies zu einer Situation führen, in der selbst Linke und Menschen aus der Arbeiter*innenklasse das Gefühl haben, dass sie solche Aktionen zwar nicht mögen, aber keine andere Wahl haben, als sie zu akzeptieren. Aber Covid-19 ist demokratisch und antirassistisch: Es fragt nicht nach Geschlecht, Religion oder Nationalität. Daher ist jede Maßnahme, die auf solchen Merkmalen beruht, bestenfalls nutzlos. Aber diejenigen, die das Virus zur Schaffung von Spaltungen einsetzen, hindern uns daran, zusammenzuarbeiten, um die weitere Ausbreitung zu stoppen und die Krise zu lösen.
Keine Grenzkontrolle kann alle Flüchtlinge fernhalten – ganz zu schweigen von einem Virus. „Man kann ein Virus nicht aussperren“, erklärt Larry Gostin, Professor für globales Gesundheitsrecht an der Georgetown University in Washington – wir würden hinzufügen: “Man kann ein Virus nicht einsperren”. Der Grund, warum die Menschen Angst vor Migrant*innen und Flüchtlingen haben, ist die Fehlinformation, die über Covid-19 verbreitet wurde, und die langfristige Erfahrung vieler, dass die herrschenden Klassen die Arbeiter*innenklasse für die noch ärmeren Flüchtlinge bezahlen ließen, die 2015 nach Europa kamen oder die aus Lateinamerika in die USA flohen. Aber weder die Flüchtlinge noch die Menschen der Arbeiter*innenklasse in den entwickelten kapitalistischen Ländern sind für Krieg, Klimawandel und Armut verantwortlich – die häufigsten Gründe, warum die Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen.
Wir sagen
- In einem ersten Schritt sollten die Gelder, die zur Subventionierung von Großunternehmen wie den Fluggesellschaften verwendet werden, sofort zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den großen Flüchtlingslagern eingesetzt werden, um dort einen Ausbruch von Covid-19 zu verhindern. Abschiebungen sollten gestoppt und das Recht der Flüchtlinge auf Asyl verteidigt werden.
- Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zu zwingen, die Waffenindustrie, das Großkapital, die Öl- und Bergbauunternehmen und die militärischen Vertragspartner, also Söldner, jene die von der extremen Ausbeutung der Menschen und der natürlichen Ressourcen der neokolonialen Welt profitieren, sollten zahlen. Die Enteignung dieser Unternehmen und die Nutzung ihrer Ressourcen zur Bereitstellung von Soforthilfe würde bedeuten, dass weniger Menschen gezwungen wären, aus ihrer Heimat zu fliehen.
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels sind die langfristigen Auswirkungen von Covid-19 unklar. Aber das Virus zeigt deutlich die Schwäche der Weltwirtschaft und die Unfähigkeit der herrschenden Elite und des kapitalistischen Systems insgesamt, mit solchen Bedrohungen umzugehen.
Eine Pandemie kann ein Schock sein. Sie kann die Welle von Protesten und Kämpfen stoppen, die 2019 ausgebrochen ist. Aber die Unfähigkeit der herrschenden Klasse, sie zu lösen oder überhaupt richtig mit ihr umzugehen, wird zu Wut führen. Wenn die Organisationen der Arbeiter*innenklasse einen Weg nach vorne zeigen, Lösungen aufzeigen, wie man mit der Krise umgehen und sie überwinden kann, dann kann dies dazu beitragen, Verzweiflung, ein Erstarken von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu verhindern und einen Weg nach vorne zu zeigen, der auf einer sozialistischen Lösung basiert, um dieses kranke, kapitalistische System zu beenden. Es ist nicht die Zeit für Panik, sondern für die Organisation des Widerstands!