Die IGM spricht davon, die aktuelle Tarifrunde sei aufgrund von Corona „ausgesetzt“. Klingt gar nicht so schlimm. Tatsache ist jedoch: Die Tarifrunde 2020 findet nicht statt. Alle Preissteigerungen gehen komplett auf Kosten der Beschäftigten, der Lohnverlust für 2020 ist festgeschrieben.
von Marc Treude, Mitglied der IG Metall, Aachen
Die Führung der IG Metall hat die Tarifrunde nicht unterbrochen, sondern am 20. März im Bezirk Nordrhein-Westfalen einen Pilotabschluss mit dem wohl klingenden Doppelnamen „Zukunft in Arbeit 2020/Solidartarifvertrag 2020“ unterschrieben, der frühestens zum 31.12.2020 gekündigt werden kann. Verhandelt wurde, dass das tariflich gesicherte Urlaubs- und Weihnachtsgeld nun in bis zu zwölf Teilen ausgezahlt werden kann und somit zu einem höheren Kurzarbeitergeld führt.
Ganze 350 Euro pro Beschäftigten zahlen die Arbeitgeber in einen Topf zur „Verminderung sozialer Härten“ bei der Kurzarbeit. Nicht verwendete Mittel daraus werden zum Ende des Jahres auf die Beschäftigten aufgeteilt. Das „tarifliche Zusatzentgelt“, die einzige Tariferhöhung des Jahres 2019, kann von Eltern in bis zu acht freie Tage zur Kinderbetreuung umgewandelt werden. Eltern bekommen zusätzlich fünf Tage bezahlte Freistellung der Kinderbetreuung, aber nur, wenn alle anderen Möglichkeiten – Resturlaub 2019, Arbeitszeitkonten usw. – ausgeschöpft sind.
Die IGM spricht von „Verantwortung in unsicheren Zeiten“ und behauptet, es ginge um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Doch mit dem Abschluss eines Tarifvertrages und der darauf folgenden Friedenspflicht im ganzen Jahr 2020 gibt sie Möglichkeiten aus der Hand, wirksam für die Sicherung von Arbeitsplätzen zu kämpfen. Wenn diese Corona-Krise vorübergezogen ist, wird nichts mehr so sein, wie es war. Millionen von Beschäftigten werden in diesen Tagen in Kurzarbeit geschickt. Hunderte Milliarden Euro an Steuergeldern werden an Unternehmen in Deutschland umverteilt. Schon jetzt nutzen Unternehmen Corona als günstige Gelegenheit, Belegschaften in Kurzarbeit zu schicken, die wegen Absatzproblemen längst zur Verkleinerung vorgesehen sind. Es wird zur Vernichtung von Arbeitsplätze kommen und dieser Vertrag bietet keinen Schutz dagegen.
Verzicht schon vor Corona
Im Januar hatten die Tarifkommissionen der IG Metall getagt, um ihre Forderungen zur anstehenden Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie zu diskutieren. Kurz darauf grätschte der IGM-Vorstand mit dem Vorschlag eines „Moratoriums“ an die Arbeitgeber*innen dazwischen: Noch vor dem Ende der Friedenspflicht am 28. April sollten sie sich gegen betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen aussprechen. Zum Dank würde die IG Metall auf eine konkrete Lohnforderung verzichten.
Notwendig wäre eine Tarifrunde mit dem Ziel kräftiger Lohnerhöhungen und dem Erhalt aller Arbeitsplätze durch Arbeitszeitverkürzung und die überfällige Angleichung der Arbeitszeiten in Ost und West gewesen. Anstatt den notwendigen ökologischen Umbau der Metallindustrie als Ausrede für Lohnzurückhaltung zu nutzen, hätte die IG Metall damit in die Offensive gehen und dies als Argument für die demokratische Kontrolle der Beschäftigten nutzen können.
Die Corona-Krise hätte lediglich zur Unterbrechung oder Verschiebung der Tarifforderungen führen dürfen, nicht jedoch zur Festschreibung von Reallohnverlust. Die Führung der IG Metall hat sich schon lange vom Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit verabschiedet und sieht sich sich als Co-Manager der Kapitalisten und Verbesserungen für die Beschäftigten lediglich als Nebenprodukt der Konzernprofite.
Die Vernetzung kämpferischer Gewerkschafter*innen (VGK) schreibt über den Tarifabschluss:
„Jetzt hat der Vorstand den Unternehmen freie Hand gegeben mit Hilfe der Kurzarbeit zehntausende Arbeitsplätze kostengünstig stillzulegen. Wir müssen damit rechnen, dass viele davon nicht mehr in Betrieb genommen werden. Umso mehr rufen wir die Belegschaften zu Wachsamkeit auf und zu selbstständigen Initiativen, wenn die Unternehmer die Corona-Krise zur Arbeitsplatzzerstörung ausnutzen! Von dem, was man angesichts der Corona-Krise von einer Gewerkschaft eigentlich erwarten müsste, ist bei diesem Tarifabschluss nun wirklich gar nichts zu merken. Im Vordergrund steht hier die Sicherstellung der weiteren ungehinderten Kapitalverwertung, was vor allem dadurch erreicht wurde, dass mit der Verlängerung der Friedenspflicht bis 29. Januar 2021 dafür gesorgt wurde, dass es zu keiner Produktionsunterbrechung durch Warnstreiks oder gar durch einen Erzwingungsstreik kommt.“
Mehr unter: www.vernetzung.org
Bild: IGM Regensburg (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/)