Von Incels, Trump und Terror
Antifeministische Einstellungen und Taten nehmen derzeit wieder deutlich zu. Das liegt zum einen am Aufstieg rechtsextremer und rechtspopulistischer Kräfte, aber auch am Erstarken der Frauenbewegung selbst.
von Sophie, Kassel
Ereignisse wie die Wahl von Trump in den USA, von Bolsonaro in Brasilien und der Aufstieg der AfD in Deutschland führten zu einer Zunahme der Ablehnung von Feminismus und Frauenrechten. Parteien wie die AfD sehen im Feminismus und in der Gleichberechtigung eine Bedrohung für die traditionelle Familie. Ihre Antwort darauf ist eine Rückkehr zur „Männlichkeit“. So sagte Björn Höcke 2015: „Nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft.“ Erkämpfte Errungenschaften werden von den reaktionären Kräften bedroht und traditionelle Geschlechterverhältnisse verteidigt.
Doch die Bereitschaft von Frauen, gegen Diskriminierung zu kämpfen, ist gewachsen. Es ist eine neue Frauenbewegung entstanden. In den letzten Jahren gab es viele explosive Kämpfe und viele junge Frauen wurden politisiert. Seit 2015 organisieren sich in Lateinamerika Frauen in der Bewegung „Ni una menos“ („Nicht eine weniger“) gegen Feminizide, also Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. 2018 wurde in Irland das Abtreibungsverbot durch ein Referendum gekippt, das von Protesten und Kampagnen auf der Straße begleitet wurde. Und selbst in Zeiten von Corona protestieren Frauen gegen die Verschärfung des Abtreibungsverbotes in Polen.
Rechtspopulist*innen, die Neue Rechte und die Alt-Right-Bewegung („Alternative Rechte“, im Unterschied zur traditionellen, offen faschistischen Rechten) argumentieren, das weibliche Geschlecht sei schwach und Männer seien stark und überlegen. Die Kämpfe der Frauen weltweit in der vergangenen Zeit stellen dieses Weltbild jedoch in Frage. Es ist kein Zufall, dass Antifeminismus sich gerade in einer Zeit so verbreitet, in der Frauen stärker für ihre Rechte kämpfen. „Alte weiße Männer“ fühlen sich einerseits von diesen kämpferischen Frauen bedroht, andererseits haben sie Angst vor sozialem Abstieg und dem Verlust von Wohlstand. An diese Angst knüpfen rechte Bewegungen an und richten den Hass gegen Migrant*innen und auch gegen Frauen.
Einstiegsdroge für rechte Ideen
Antifeminismus ist ein gemeinsamer Nenner von verschiedenen rechten Strömungen, von konservativen über rechtspopulistischen bis hin zu rechtsextremen Kräften. Man ist sich einig, dass der Feminismus für die Probleme in der Welt mitverantwortlich ist. Antifeminismus ist außerdem eine Einstiegsdroge für rechte Ideologien. Er reicht bis in die Mitte der Gesellschaft. In der sozialen Krise, in der Jobs und Lebensstandard gefährdet sind, werden seitens des Kapitals und der Rechten Sündenböcke geschaffen. Männer aus dem Kleinbürgertum nehmen ihre Stellung als bedroht wahr, durch Migration, aber auch durch die Forderungen der Frauen nach gleichen Rechten. Diese Ängste, „Privilegien“ zu verlieren reichen bis in die männlichen Teile der Arbeiterklasse, zumindest dann, wenn es nicht gelingt, den gemeinsamen Kampf von Männern und Frauen auf Klassenbasis führen.
In der extremen Rechten tritt Antifeminismus oft gemeinsam mit Rassismus und Antisemitismus auf, alle drei Themen sind durch Verschwörungstheorien miteinander verbunden. Eine verbreitete Theorie besagt, eine jüdische Finanzelite habe sich den Feminismus ausgedacht, um Frauen dazu zu bringen, weniger Kinder zu bekommen und würde gleichzeitig dafür sorgen, Migrant*innen nach Europa zu transportieren. Dies solle die „weiße Rasse“ auslöschen. So wird zum Beispiel im „Daily Stormer“, einem Nachrichtenportal, dass sich selbst als Sprachrohr der Alt-Right-Bewegung sieht, Feminismus als „jüdischer Feminismus“ oder „jüdische Erfindung“ bezeichnet.
Incels und Vernetzung im Internet
Auch sogenannte „Incels“ machen Feminismus für ihre Probleme mit verantwortlich. Incel ist ein zusammengesetztes Wort aus den beiden englischen Wörtern „involuntary celibate“. Wörtlich übersetzt bedeutet das unfreiwilliges Zölibat, also unfreiwillige Enthaltsamkeit. Als Incel bezeichnen sich Männer, die sich selbst darüber definieren, dass sie keinen Sex oder keine Beziehung haben, obwohl sie dies gerne hätten. Sie sind der Meinung, dass Männer ein grundsätzliches Anrecht auf Frauen und ihre Körper haben und behaupten, Frauen würden ihnen Sex vorenthalten.
Die gegenseitige Vernetzung findet meist online statt, dort wird sich in Foren über eigene Erfahrungen ausgetauscht. Im Internet ist es wahrscheinlicher auf Gleichgesinnte zu treffen als im real life. Auf sogenannten Imageboards, wo jede*r anonym gepostete Inhalte kommentieren kann, sind Hetze gegenüber Minderheiten und Hass auf Frauen verbreitet. Auf der Spieleplattform Steam treten Nazis ganz offen auf. In der Gaming-Welt gibt es Frauenfeindlichkeit bei vielen Spielern. Außerdem werden frauenfeindliche Foren und Portale von rechten Kräften zur Anwerbung von Mitgliedern genutzt. Vor allem bei jungen Männern, die noch unsicher bezüglich Sexualität und Beziehungen sind, wird versucht, an Frustrationserlebnisse anzudocken.
Rechter Terror
Antifeminismus geht nicht immer mit Frauenhass einher, persönliche Frusterfahrungen können aber in Frauenhass umschlagen. Im Internet geäußerte Gewaltfantasien führen in einigen Fällen auch zu physischer Gewalt und sogar Morden. Alek Minassian zum Beispiel bezeichnet sich selbst als Incel, er fuhr im April 2018 in eine Gruppe Fußgänger*innen in Toronto und tötete dabei zehn Menschen, davon acht Frauen.
In Halle versuchte ein Attentäter im Oktober 2019 in eine Synagoge einzudringen und tötete dabei zwei Menschen. Das Attentat übertrug er live auf der Streaming-Plattform Twitch und kündigte dies sogar kurz vor der Tat an. Als Motiv nannte er neben Hass auf Jüd*innen und Ausländer*innen auch Wut auf den Feminismus. Während des Attentats tönte aus seinem Auto frauenfeindliche Musik, unter anderem ein Loblied auf den eben erwähnten Alek Minassian. Dass sich Attentäter auf vorhergegangene Attentate beziehen kommt häufig vor.
Der Attentäter von Halle glaubt an Verschwörungstheorien und sagte in seinem Bekenntnis: „Feminismus ist schuld an der sinkenden Geburtenrate im Westen, die Ursache für die Massenmigration ist.“ Auch er fühlte sich in seiner Männlichkeit bedroht und soll mehrfach gesagt haben „Der weiße Mann zählt nicht mehr.“ Außerdem klagte er über Frust, keine Partnerin zu haben und behauptete, Ausländer würden ihm die Frauen wegnehmen. Verschiedene Facetten des Antifeminismus kommen hier zusammen.
Der Attentäter von Hanau, der im Februar neun Migrant*innen und seine eigene Mutter tötete, bezog sich auf bekannte rechtsextreme Ideologien, die im Internet kursieren. Vor der Tat veröffentlichte er ein Manifest, das rechtsradikale Ansichten, Verschwörungstheorien, aber auch vier Seiten über seine Ansichten zu Frauen enthält. Er ist frustriert, nie eine Beziehung gehabt zu haben, begründete dies aber mit seinen eigenen hohen Ansprüchen. Im Gegensatz zu Incels, die sich selbst als Verlierer sehen, stellte er seine Überlegenheit gegenüber Frauen heraus.
Wir erleben eine massive Polarisierung der Gesellschaft, auch beim Thema gleiche Rechte für Frauen. Auf der einen Seite die sich entwickelnde Frauenbewegung mit mehr Selbstbewusstein und Kampfbereitschaft, auf der anderen Seite diejenigen, welche die Rechte von Frauen weiter einschränken und die das Patriarchat festigen wollen. Der Antifeminismus beginnt in den etablierten bürgerlichen Parteien, wird durch den Aufstieg der Rechtspopulist*innen radikalisiert und brutalisiert und ist in vielen Fällen tödlich. Nicht nur durch bewusste frauenhassende Terrorist*innen, sondern als alltägliche männliche Gewalt gegen Frauen, die in Ländern wie Mexiko ein massenhaftes Phänomen ist, aber auch in Deutschland dadurch deutlich wird, dass der gefährlichste Platz für Frauen noch immer die eigene Wohnung ist.
Es ist die Aufgabe einer zu schaffenden sozialistischen-feministischen Bewegung, den Kampf dagegen zu führen und letztendlich – zusammen mit dem männlichen Teil der sozialistischen Bewegung – die Klassenherrschaft als Ursache des patriarchats zu beseitigen.