Die sogenannten „Polizeigewerkschaften“ in den USA sind korrupte, reaktionäre Lobby-Gruppen für mehr Waffen, mehr Brutalität und Straffreiheit. Dort fordern linke Gewerkschafter*innen den Ausschluss der „Polizeigewerkschaften“ aus den örtlichen gewerkschaftlichen Dachverbänden. In Seattle ist der Rauswurf bereits erfolgt. Mit der DPolG (Deutsche Polizeigewerkschaft) existiert auch in Deutschland eine rechtspopulistische Standesorganisation, die nur wenig mit einer echten Gewerkschaft gemein hat. Sie ist Mitglied im Deutschen Beamtenbund (DBB).
Durchschnittliche Polizist*innen in Deutschland verfügen über ein mittleres Einkommen bei hoher Jobsicherheit und belastenden Arbeitszeiten und Schichten. Formal und vom Lebensstandard gehören sie zu den lohnabhängigen Mittelschichten wie andere Teile der staatlichen Verwaltung. Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass sie „Arbeiter*innen in Uniform“ und genauso für kapitalismuskritische Ideen zu gewinnen sind wie andere Lohnabhängige. Polizist*innen definieren sich über ihre Macht, ihre Bewaffnung und die damit verbundene herausgehobene Stellung. Gleichzeitig sind sie mit den Auswirkungen des Systems konfrontiert – Gewalt, Drogen, Alkoholabhängigkeit. Sie erleben diese aus einer Perspektive der Macht, was oft dazu führt, dass sie nicht die Ursachen erkennen, sondern die kleinen Täter*innen und Opfer verachten.
Besondere Rolle im Staat
Es wird schwierig, Polizist*innen für gesellschaftliche Änderungen zu gewinnen. Viele Beamt*innen sind offen für eine gesellschaftliche Rechtsverschiebung und würden die herrschende Ordnung gewaltsam verteidigen. Aber auch Polizist*innen haben Familien, Kinder, Freund*innen und werden beeinflusst, wenn sich die Stimmung im Land massiv verändert. Wenn es der Linken und der Arbeiter*innenbewegung gelingen kann, Polizeieinheiten in ihrer repressiven Rolle zu schwächen, sie zu neutralisieren, indem an ihrer Unzufriedenheit als Lohnabhängige angeknüpft werden kann, sollte auf entsprechende Versuche nicht verzichtet werden.
GdP gegen Antifa
Auch die im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) organisierte GdP (Gewerkschaft der Polizei) positioniert sich in erster Linie als Standesorganisation von Polizist*innen. Zu den Antirassismus-Protesten der letzten Wochen meinte die GdP, dass unabhängige Stellen zur Überprüfung diskriminierenden Verhaltens der Polizei nicht nötig seien, warnte davor, dass die Antirassismus-Demos nicht „von Gewalttätern instrumentalisiert“ werden dürften und behauptete, das neue Berliner Anti-Diskriminierungsgesetz würde die Polizei unter „Generalverdacht“ stellen. Die GdP versuchte mehrfach zu verhindern, dass DGB-Räume für antifaschistische Veranstaltungen genutzt werden. Sie hat die Militarisierung der letzten Jahrzehnte mitgetragen. Zu den Nazi-Netzwerken in der Polizei ist nicht viel von der GdP zu hören. Die Entwicklung der GdP geht nach rechts. In den 1980er Jahren gab es deutlich mehr internen Widerspruch, zum Beispiel in Ortsgruppen der „Jungen Gruppe“, der Jugendabteilung der GdP, die generell die repressive Rolle in Frage gestellt haben.
Gleichzeitig ist die GdP als Tarifgewerkschaft bei Lohnverhandlungen dabei. In ihr sind auch Angestellte der Polizeibehörden sowie Beschäftigte des Zolls organisiert, die nicht im unmittelbaren Vollzugsdienst tätig sind. Es ist daher möglich, dass es zu Interessenkonflikten zwischen GdP-Mitgliedern und ihren Dienstherren über Fragen von Gehältern und Arbeitsbedingungen kommt. Das könnte helfen, den Kadavergehorsam und den Korpsgeist zu schwächen.
Die Forderung nach Ausschluss der GdP könnte dazu führen, dass Kolleginnen und Kollegen vom Zoll oder zivile Angestellte der Polizei sich stärker mit den Beamt*innen in direkten repressiven Einsatz solidarisieren könnten. Uns geht es jedoch darum, die Spaltungslinien in der Polizei zu vertiefen. Daher stellen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Forderung auf, die GdP aus dem DGB auszuschließen.
Wir schlagen vor, den Kampf gegen den politischen Kurs der GdP innerhalb des DGB zu intensivieren. Resolutionen gegen Polizeigewalt, für Kennzeichnungspflicht und Abrüstung der Polizei sollten in örtlichen DGB-Gliederungen eingebracht und durchgesetzt werden. Wenn daraufhin GdP-Gliederungen ihre Mitarbeit einstellen oder Polizist*innen eine Distanzierung vom DGB fordern, lägen die politischen Differenzen für alle offen, sowohl für die Mitglieder der GdP, als auch für die der anderen Gewerkschaften. GdP-Mitglieder, die kritisch gegenüber dem Kurs sind, hätten die Wahl, eine Opposition in ihrer Gewerkschaft aufzubauen oder sie in Richtung ver.di zu verlassen.
Bild: Taro Tatura