Geplante Annexion von Teilen des Westjordanlands

Israels rechte Regierung eskaliert

von Claus Ludwig, Köln

Die extrem rechte israelische Regierung unter Netanjahu plant, sich ab Juli 2020 einen Teil des Westjordanlandes einzuverleiben. Im betroffenen Jordantal leben 5.000 jüdische Siedler*innen und 60.000 Palästinenser*innen. Dies wäre ein Zeichen für die Palästinenser*innen, dass eine Zwei-Staaten-Lösung und die friedliche Einigung unmöglich geworden sind. Die EU fürchtet die Zuspitzung und versucht, Druck auf Israel auszuüben. US-Präsident Trump und aggressive Cliquen im US-Kapital und Staatsapparat stützen Netanjahus Kurs.

Die Annexionspläne sind das Ergebnis der Radikalisierung der israelischen Rechten und des Zusammenbruchs des Linksliberalismus. Die herrschende Klasse Israels braucht die Angst und das umfassende Bedrohungsgefühl, um sich an der Macht zu halten. Sonst würden Klassenkämpfe und soziale Bewegungen schneller einen politischen Charakter annehmen, denn arm und reich driften auseinander, der Sozialstaat ist längst neoliberal geschleift. Die rechten Parteien sind abhängig von den Stimmen der Siedler*innen, die nach mehr Land hungern. Von außen betrachtet ist die Annexion Wahnsinn, in der Logik der nach rechts gerückten israelischen Politik erscheint sie als praktikable Option.

Rechtsentwicklung

Im Inneren ist Israel eine bürgerliche Demokratie mit eingeschränkten Rechten für arabische Bürger*innen. Im besetzten Westjordanland leben die Palästinenser*innen in einer Situation ähnlich der unter dem Apartheidregime in der Vergangenheit Südafrikas. Schon immer galten auch in Israel selbst Gesetze religiös-sektiererischen Charakters. So gibt es bis heute kein staatliches Ehe- und Scheidungsrecht. Die rechten Koalitionen der letzten Jahre haben große Schritte unternommen, die religiös und ethnisch ausgrenzenden Elemente der israelischen Gesetzgebung zu stärken. Ein großer Schritt war das Nationalstaatsgesetz vom Juli 2018, welches Israel als „den Nationalstaat für jüdische Menschen“ definiert und nur mit einer knappen Mehrheit von 62 zu 55 Stimmen im Parlament verabschiedet wurde. Darin werden Siedlungen auf der Westbank zum „nationalen Interesse“, Jerusalem zur Hauptstadt und der hebräische Kalender und die jüdischen Feiertage zu nationalen Symbolen erklärt. Die bisherige formale Gleichberechtigung des Arabischen mit dem Hebräischen wurde aufgehoben.

Eine Annexion wird zu wütenden Reaktionen der Palästinenser*innen führen. Für die Linke und die Arbeiter*innenbewegung in Europa stellt sich die Aufgabe, die internationale Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf zu stärken. Die palästinensische Bewegung muss eine Strategie entwickeln, den israelischen Staat wirklich zu schwächen und nicht erneut in die Sackgasse des individuellen Terrors und der ethnisch-religiösen Frontstellung zu laufen. Ein demokratisches, nicht-religiöses Palästina, so der israelische Marxist Moishe Postone in den 1970er Jahren, könne nur das Ergebnis „eines multinationalen Kampfes sein, nicht aber das Ergebnis eines rein nationalen Kampfes.“ Die palästinensische Bewegung steht vor der Herausforderung, an den Klassenwidersprüchen und der großen Unzufriedenheit in der jüdisch-israelischen Gesellschaft anzuknüpfen und den nationalen Befreiungskampf mit der sozialen Frage zu verbinden.

Zur Geschichte des Nahost-Konfliktes – Schon immer Feinde?

Die Vorstellung, im Nahen Osten gäbe es einen „Jahrtausende“ alten Streit zwischen Araber*innen und Jüd*innen, ist falsch. Die jüdische Einwanderung nach Palästina, damals noch Teil des Osmanischen Reiches, verlief ab dem Ende des 19. Jahrhunderts zunächst ohne größere Konflikte mit der ansässigen arabischen Bevölkerung. Das änderte sich mit dem Beginn des britischen Mandats über Palästina, auf dessen Gebiet die imperialistische Siegermacht Großbritannien ab 1917 eine jüdische Heimstatt schaffen wollte. Gleichzeitig wurde den Araber*innen die Selbstbestimmung verwehrt, die ihnen in Aussicht gestellt worden war, um sie zum Widerstand gegen das Osmanische Reich zu ermutigen.

Die parallel stattfindende jüdische Einwanderung nach Palästina erschien vielen Araber*innen als Maßnahme der Besatzungsmächte, um die koloniale Herrschaft aufrecht zu erhalten. Der britische Imperialismus heizte den Konflikt an und schickte die jüdischen Migrant*innen an die Front der eigenen Herrschaftssicherung. Die arabischen Aufstände der 1930er Jahre konnte die britische Besatzungsmacht niederschlagen, auch, weil es innerhalb der arabischen Nationalbewegung in Palästina keinen starken sozialistischen Pol gab und die Führung in Händen von Feudalherren lag. Die Fokussierung auf die Jüd*innen als Gegner schwächte den antikolonialen Kampf.

Im Zug der Staatsgründung Israels 1948 und der Aufteilung Palästinas kam es zum Krieg zwischen jüdischen Einheiten und den Armeen der arabischen Nachbarländer, der mit einer Niederlage der arabischen Staaten und der Vertreibung hunderttausender Menschen endete. Palästinensische Freischärler agierten in der Folge als Hilfstruppen der Armeen der arabischen Nachbarländer, nach der Vertreibung durch die siegreichen jüdischen Truppen aus dem Ausland heraus. Der Einfluss der Feudalherren und Islamist*nnen war zwischenzeitlich zurückgedrängt, die vorherrschende Ideologie dieser Phase war der Pan-Arabismus, die Idee, ein vereintes Arabien zu schaffen, inspiriert durch die Aufbauerfolge der Sowjetunion und anderer bürokratischer Planwirtschaften.

Militärische Konfrontation

Im Sechs-Tage-Krieg 1967 erlitten die arabischen Staaten eine verheerende Niederlage. Israel besetzte das bis dahin jordanische Westjordanland, Ostjerusalem, den vormals ägyptischen Gaza-Streifen und die syrischen Golan-Höhen. Die Palästinenser*innen waren auf sich allein gestellt, kämpften aber weiter, wobei die palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) als Dach verschiedener Gruppen fungierte. Stärkste Fraktion war die Al-Fatah von Jassir Arafat. Der Kampf nahm die Form eines Guerillakrieges an, wobei Elemente der „Stadtguerilla“ und damit des individuellen Terrorismus überwogen, unter anderem Flugzeugentführungen. Die linken palästinensischen Organisationen konnten reaktionäre Ideen in der palästinensischen Gesellschaft zurückdrängen, entwickelten aber keine Perspektive, die jüdisch-israelische Arbeiterklasse zu erreichen. Ihrer Etappentheorie zufolge käme zunächst die nationale Befreiung und erst danach sollten Klassenkampf und Arbeiter*inneneinheit folgen. Das machte sie in der Praxis zum radikalen Flügel des palästinensischen Nationalismus.

Erste Intifada 1987

Mitte der 1980er Jahre wurde deutlich, dass man Israel nicht mit militärischen Angriffen zu Zugeständnissen zwingen konnte. Die erste Intifada 1987, eine Massenrevolte in den besetzten Gebieten, änderte alles. Die palästinensische Jugend ging auf die Straße und konfrontierte die IDF (Israeli Defence Force) direkt – ohne militärische Mittel, sondern mit Methoden des zivilen Ungehorsams: Straßenblockaden, Barrikaden, Schleudern, Molotow-Cocktails und Pflastersteine. Demokratische Basiskomitees organisierten nicht nur den Kampf, sondern auch Bildung und medizinische Hilfe sowie politische Aufklärung und Propaganda.

Bis 1990 waren über 600 Palästinenser*innen getötet worden, auf israelischer Seite hatte es 18 Tote gegeben. In der IDF häuften sich Frustration, Einsatzunfähigkeit und Befehlsverweigerung. Zum ersten Mal war die israelische Regierung gezwungen, mit der PLO – zunächst geheim – über Zugeständnisse zu verhandeln, was in den Friedensprozess von Oslo 1993 mündete, der zur palästinensischen Autonomie führte – und zu vielen enttäuschten Hoffnungen.

Die Folgen von Oslo

Die IDF behielt ihre Präsenz in den Gebieten, jüdische Siedlungen blieben und bis zum heutigen Tag geht die Landnahme im Westjordanland weiter. Israel nutzte die von der PLO geführte palästinensische Autonomie-Behörde als „Polizist“, um gegen Proteste vorzugehen.

Nur wenige in Israel hatten verstanden, dass das „Outsourcing“ von Unterdrückungsaufgaben an eine palästinensische Behörde der Kern des Oslo-Abkommens war. Doch in Israel dominierte das Gefühl, man hätte viel gegeben und die Palästinenser*innen wären trotzdem undankbar. Das verhalf der israelischen Rechten zum Aufschwung. Auf der palästinensischen Seite nutzten die rechten islamischen Organisationen, allen voran die Hamas, die Frustration und gewannen an Einfluss. Daher war die zweite Intifada ab 2000 von Selbstmordanschlägen geprägt, bei denen auf israelischer Seite insgesamt 1036 Menschen starben, meist Zivilist*innen.

2005 zog sich Israel einseitig aus dem Gaza-Streifen zurück, löste die Siedlungen auf und riegelte das Gebiet von der Außenwelt ab, schuf also „das größte Freiluftgefängnis der Welt“ . Die Siedlungstätigkeit im Westjordanland und in Ostjerusalem wurde hingegen verstärkt. Seit 2007 kontrolliert die Hamas den Gaza-Streifen. Seit 2000 wurden über 10.000 Raketen aus dem Gaza-Streifen abgefeuert, die zwischen 2004 und 2014 47 Menschen töteten. Im gleichen Zeitraum fielen rund 12.000 Palästinenser*innen israelischen Militäraktionen zum Opfer, überwiegend bei Luftangriffen auf den Gaza-Streifen. Fast alle Todesopfer waren Zivilist*innen.

2018 kam es zu einer Massenbewegung an der Grenze zu Israel; unter anderem demonstrierten am 14. Mai 50.000 Menschen am Grenzzaun. Von den Medien hierzulande kaum beachtet, organisiert sich im Westjordanland ein breiter, zivilgesellschaftlicher Widerstand von unten gegen die Siedlungen und die Mauer. Islamist*nnen haben wenig politischen Einfluss, ebensowenig die PLO und die Autonomiebehörde. Dort sind vor allem nicht-religiöse, teils linke Gruppen aktiv, auch in Zusammenarbeit mit linken jüdischen Gruppen aus Israel.

Gemeinsame soziale Interessen

Die Gegnerschaft der Palästinenser*innen gegen den Staat Israel als Besatzer und Unterdrücker ist aus sozialistischer Sicht legitim. Wir treten dafür ein, im Rahmen des palästinensischen Befreiungskampfes reaktionäre bürgerlich-nationalistische und islamistische Ideen zurückzudrängen und die Frage der nationalen Befreiung Palästinas mit der sozialen Frage zu verknüpfen, um so die Idee der gemeinsamen Klasseninteressen der arabischen und jüdischen Lohnabhängigen und der Armen zu befördern. Unsere israelisch-palästinensischen Genoss*innen von der Bewegung Sozialistischer Kampf nutzen immer wieder Möglichkeiten, gemeinsame Aktionen von Jüd*innen und Araber*innen anzustoßen, sowohl im Protest gegen die Besatzung als auch für soziale Forderungen wie bezahlbare Wohnungen.

1948 haben Marxist*innen die Gründung Israels als imperialistischen Vorposten im Nahen Osten abgelehnt und gewarnt, dass dieser Vorposten auch für die Jüd*innen zur Falle werden würde. Inzwischen hat sich jedoch eine jüdisch-israelische Nation herausgebildet, bestehend aus einer Arbeiter*innen- und einer Kapitalistenklasse, mit einem eigenen Territorium und einer Bevölkerung, die mehrheitlich in Israel geboren wurde. So wie Marxist*innen damals die Vertreibung der Palästinenser*innen verurteilt haben, würden wir heute eine Vertreibung der jüdischen Bevölkerung als erneuten nationalistischen Wahnsinn ablehnen.

Als Internationalist*innen sind wir gegen Kleinstaaterei und für wirtschaftliche Zusammenarbeit in der ganzen Region. Allerdings haben Jahrzehnte von Kriegen mit zehntausenden Toten und die tägliche Realität der Besatzung und Entrechtung die Vorstellung eines gemeinsamen Palästinas in weite Ferne gerückt. Beide Nationen brauchen aus ihrer Sicht geschützte Räume. Daher treten wir heute für eine Zwei-Staaten-Lösung ein, für ein sozialistisches, demokratisches Palästina und ein sozialistisches, demokratisches Israel.

Sozialistische Lösung

Die Frage der sozialistischen Prägung ist für uns kein ferner Wunschtraum, sondern eine praktische Notwendigkeit. Auf Grundlage des Kapitalismus ist es unmöglich, zu einer zufriedenstellenden Regelung zu kommen. Die herrschende Klasse Israels kann sich ein wirkliches, lebensfähiges Palästina nicht leisten. Dies würde bedeuten, die bisher privilegierte Schicht der Siedler*innen zu verarmten Wohnungssuchenden im teuren Israel zu machen und damit die eigene Basis zu verlieren. Hinzu kommt die Furcht, Palästina könnte in Konkurrenz zu Israel von einer imperialistischen Macht zu einer neuen Interessenvertretung in der Region aufgebaut werden. Ein längerfristiger ökonomischer Aufschwung eines unabhängigen kapitalistischen Palästinas hingegen ist faktisch ausgeschlossen. Es bliebe, selbst wenn es nicht durch Siedlungen zerschnitten und formal existenzfähig wäre, ein Armenhaus, abhängig von Hilfsgeldern, bestenfalls mit dem Kosovo oder Bosnien vergleichbar.

Ein oder zwei Staaten?

Eine Zwei-Staaten-Regelung wird allerdings systematisch ausgehöhlt: Durch die fortgesetzte Landnahme durch jüdische Siedler*innen im Westjordanland und dessen Zerteilung durch Zäune, Mauern und Checkpoints; die israelischen Ansprüche auf ganz Jerusalem inklusive dessen arabischen Ostens; die permanente Enteignung palästinensischen Landes. Bruchteile der Westbank mit dem abgeschotteten Gaza können Grundlage für einen eigenen Staat bilden, dieser wäre dann aber nur ein „Homeland“ wie unter dem südafrikanischen Apartheid-Regime. Daher ist die Zustimmung für die Zwei-Staaten-Regelung bei den Palästinenser*innen in den letzten Jahren deutlich gesunken; Annexionen werden dies verstärken. Am Ende könnte eine Zwei-Staaten-Regelung komplett unrealistisch erscheinen und stattdessen die Frage nach einer Veränderung der gesamten Staatlichkeit in der Region ins Zentrum rücken.

Wir sind für die Befreiung Palästinas, für das Erkämpfen des Selbstbestimmungsrechtes der arabischen Bevölkerung. Dies ist jedoch nur zu erreichen, wenn es gelingt, die jüdische Arbeiter*innenklasse vom Zionismus zu trennen. Wir schlagen daher vor, den palästinensischen Kampf nicht nur als nationalen Befreiungskampf zu führen, sondern auch als sozialen, als Klassenkampf, der gemeinsame Interessen aller Menschen in der Region – Sicherheit, Jobs, Einkommen – anspricht.

Der Umfang des israelischen Staatsterrors und die Massaker in Gaza 2014 und 2018 haben gezeigt, dass die israelische Militärmaschinerie nicht von den Palästinenser*innen militärisch besiegt werden kann. Nur der Weg hin zu einer – auch bewaffneten – Massenbewegung kann das israelische Regime in seinen Grundfesten erschüttern. Die palästinensischen Massen können diese Kriegsmaschinerie durch Massenaktionen lahm legen, wenn sie sich auf ihre eigene Kraft, die Unterstützung von Teilen der israelischen Arbeiter*innenklasse und Jugend, und auf die internationale Solidarität stützen. Sie könnten die koloniale Diktatur im Westjordanland und Ostjerusalem beenden,die Belagerung Gazas brechen und die Herrschaft von Diskriminierung, ethnischer Teilung und Enteignung in Israel abschaffen.

Gegen jeden Antisemitismus. Gegen die Umdeutung des Begriffes.

Bundesregierung und EU haben sich die Bekämpfung des Antisemitismus auf die Fahnen geschrieben – aber sie warnen nicht vor den neuen und alten Faschist*innen. Für Regierungen, bürgerliche Parteien und Medien sind die politischen Gegner*innen der israelischen Regierung das Hauptproblem. Auf breiter Front wird gerade eine Neudefinition des Begriffs „Antisemitismus“ vorgenommen, um diesen gegen die politische Linke und gegen Geflüchtete aus dem Mittleren Osten zu wenden. Die Ablehnung des Staates Israels als kolonialistisches Projekt und Kampf für die Befreiung Palästinas einerseits wird hier durch Medien und etablierte Parteien vermischt beziehungsweise gleichgesetzt mit rassistischem Hass auf Jüd*innen andererseits. Damit machen die angeblichen Freund*innen Israels das, was sie ihren Gegner*innen vorwerfen: Sie setzen das Judentum mit Israel gleich und den Zionismus mit dem Judentum, und konstruieren so eine Homogenität der israelischen Gesellschaft und der jüdischen Community, die in der Realität nicht existiert.

Wer ohne jeden Beweis Muslim*innen und Linken „eliminatorischen“ Judenhass unterstellt, der relativiert die tatsächliche Vernichtung, den Mord an sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Juden durch das Nazi-Regime. Auch israelische Gegner*innen der Regierung und jüdische Intellektuelle in Europa werden unter dem Vorwurf des „Antisemitismus“ verleumdet, wie z.B. Felicia Langer, Moshe Zuckermann, Evelyn Hecht-Galinski oder der 94jährige Resistance-Kämpfer und KZ-Überlebende Stéphane Hessel. Auch die Kölner Musikerin Esther Bejarano, 95 Jahre alt, Überlebende des Mädchenorchesters von Auschwitz, wurde geschmäht, weil sie sich als Antizionistin sieht und die Boykott-Bewegung gegen Israel unterstützt.

Tatsächlich bleibt der Antisemitismus eine Gefahr. Marxist*innen haben immer davor gewarnt, dass die Gefahr für die jüdische Bevölkerung nicht historisch erledigt ist, sondern wieder auferstehen kann. Jährlich gibt es rund 400 antisemitische Straftaten in Deutschland, 95 % davon können Rechten zugeordnet werden. In Osteuropa sind auch größere rechte Parteien offen antisemitisch.

Die LINKE und die Gewerkschaften sollten bei antisemitischen Vorfällen eigene Gegenaktionen organisieren und sich schützend vor die jüdischen Menschen und Einrichtungen stellen. Sie brauchen eine eigene, unabhängige Positionierung auf der Grundlage des gemeinsamen Klasseninteresses. Jeder Angriff aufgrund Hautfarbe, Herkunft, Nationalität oder Religion soll uns spalten und gegeneinander aufbringen – die Arbeiter*innenbewegung kämpft dagegen und für das Recht aller, frei von Diskriminierung zu leben.

Die Linke und die Arbeiterbewegung müssen gleichzeitig den ideologischen Kampf gegen die falsche Nutzung des Antisemitismus-Begriffes führen, um zu verhindern, dass Auschwitz umgedeutet und die Verantwortung der Kapitalistenklasse Deutschlands für dieses größte Verbrechen der Menschheit in der Unbestimmtheit einer deutschen „Kollektivschuld“ vergraben wird. Wir weisen alle Versuche zurück, den palästinensischen Widerstand als antisemitisch zu diffamieren und die Verantwortung der herrschenden Eliten und der rechten Bewegungen Europas für den Antisemitismus zu vertuschen. Wer wirklich betroffen ist von den Gefahren des Antisemitismus und des Rassismus, der sollte zur Lage der Palästinenser*innen nicht schweigen.