Für die SPD ist es die letzte Chance vor der Bundestagswahl, im bevölkerungsreichsten Bundesland und ein Signal gegen den dauerhaften Niedergang zu setzen. Die CDU hofft auf einen Regierungsbonus durch die Corona-Krise. Die Umfragen deuten daraufhin, dass sich beide Hoffnungen nicht erfüllen. SPD und CDU verlieren, die Grünen legen hingegen zu. Sie könnten stärkst Kraft in Aachen, Bonn und Köln werden.
von Claus Ludwig, Köln
Die AfD stagniert auf hohem Niveau. Sie liegt in den meisten großen Städten zwischen 5% und 8%. Einzelne Ausrutscher nach oben sind aber möglich, vor allem im Ruhrgebiet.
Die LINKE schneidet laut Umfragen nicht gut ab. Die prognostizierte Steigerung in Köln von 7% auf 9% ist eine Ausnahme, in den meisten Städten sieht es nach Stagnation oder Verlusten aus. Die Partei konnte während der Corona-Krise ihren Gebrauchswert für die lohnabhängige Bevölkerung nicht deutlich machen. Eine klare Kritik an den Regierungsmaßnahmen war nicht erkennbar. Auch die Grünen blieben in der Opposition blass, profitieren aber noch immer vom gewaltigen Schwung der Klimabewegung.
In mehreren Städten ist der Kommunalwahlkampf der LINKEN zudem seltsam lau. Es gibt durchaus gute Forderungen oder brauchbare Plakate, aber nur an wenigen Orten wird das konsequent durchgehalten. Viele Parolen sind zu allgemein, aber nicht zugespitzt. Es fehlt der Mut zur Radikalität, oft sogar der Mut, konkret zu werden. Stadt X oder Y sollen “sozialer” werden, findet sich häufig als Slogan. Doch niemand kann sich vorstellen, wie das mit 4-8% für eine Partei erreicht werden soll. Zudem gibt es Orte, in denen absurde Plakate hängen wie “Ein Herz für (Ortsname). Die LINKE”, als würde die Partei dort absichtlich demonstrieren wollen, dass sie überflüssig ist.
Trotz dieser Defizite ist die LINKE die einzige Partei, die inhaltlich oppositionell zu den bürgerlichen Parteien ist. Sie steht gegen Rassismus, gegen Sozialkürzungen, für Bildung für alle, für konsequenten Klimaschutz auf Kosten der Besitzenden, ist solidarisch mit den Protesten von Mieter*innen und Pflegebeschäftigten. Die SAV ruft daher auf, bei den NRW-Kommunalwahlen die LINKE zu wählen.
Wahlkampf in Köln
Der Kölner Kreisverband macht einen vergleichsweise klaren Wahlkampf und die guten Umfragewerte deuten darauf hin, dass dieser wirkt. Der Kreisverband gehört traditionell nicht zum linken Flügel der Partei, aber trotzdem ist der Wahlkampf mutiger und zugespitzt. Die Kölner Partei hat sich auf einige konkrete Forderungen fokussiert, die, würden sie umgesetzt, einen echten Unterschied machen würden. Die LINKE fordert den Bau kommunaler Wohnungen inklusive des Aufbaus einer neuen städtischen Wohnungsgesellschaft, den Nulltarif im Nahverkehr bei gleichzeitigem Ausbau des ÖPNV, städtische Klimaneutralität bis 2030 und den Erhalt eines von Schließung bedrohten Klinikums.
Das positive Standing wird dadurch bestärkt, dass die Partei sich in Köln keine persönlichen Anfeidungen geleistet hat. Unterschiedliche Strömungen und Tendenzen sind vorhanden und diese sind sich keineswegs einig, sondern kämpfen um inhaltliche und personelle Positionen. Aber es gibt im Wahlkampf eine produktive Dynamik, dass unterschiedliche Ansätze eingebracht werden können und alle auf ihre Art für die gemeinsamen Forderungen kämpfen.
Die Flyer sind gut formuliert, das Material ist auch optisch gelungen, Videos und Social Media wurden breit eingesetzt. Entscheidend ist jedoch, dass der Kreisverband politisch gelernt hat. Bei der Kommunalwahl 2014 fehlte gerade dem wohnungspolitischen Programm jeder Mut zur Radikalität, die Partei klebte noch an den alten Formulierungen nach mehr Sozialwohnungen. Bezüglich des Nahverkehrs wurde die Forderung Nulltarif für zu radikal und utopisch gehalten. An diesen wichtigen Punkten wurde das Programm geschärft.
Damit hat die LINKE.Köln auch die Themen getroffen, welche die Wähler*innen bewegen. 29% der Kölner*innen sehen Verkehr als größtes Problem, 14% Wohnen, alle anderen Themen sind abgeschlagen. Die Abfrage der wichtigsten Probleme weist allerdings auch darauf hin, dass die zentralen linken Themen Soziales und Arbeit in Köln aktuell keine Rolle spielen. Lediglich Wohnen ist eine relativ deutliche Klassenfrage, Verkehr ist zunächst nicht sozial spezifisch. Sowohl für den wohlhabenden Daimler-Fahrer, für den die Straßen zu sehr voller Proleten sind, die gefälligst zu Fuß gehen sollten als auch für Erwerbslose, die sich ein KVB-Ticket nicht leisten können, ist Verkehr ein “Problem”.
Es ist gut, dass die LINKE konkrete Forderungen zu Verkehr und Klima hat, aber die aktuelle Lage in der Stadt begünstigt die Grünen, die mit diesen Themen langfristig identifiziert werden, möglicherweise auch lokale Kleingruppen grün-alternativer Prägung. Insofern kann auch der produktive Wahlkampf der Kölner LINKEN den allgemeinen Trend nicht umkehren. Sollte es gelingen, 9% zu holen oder sogar die angestrebten 10% zu schaffen, dann wäre das ein kleiner Erfolg, der durch politische Klärung und gute Arbeit zustande gekommen ist.
Bewährungsprobe nach der Wahl?
Im Kölner Rat werden mehr als zwei Parteien nötig sein, um eine Mehrheit zu bilden. Möglicherweise wird Schwarz-Grün fortgesetzt, dann kann die wohl vergrößerte linke Ratsfraktion ihre Rolle als Opposition ausbauen. Sollte es Angebot Richtung einer Kooperation von SPD, Grünen und LINKEN geben, stünde die Fraktion direkt vor ihrer Bewährungsprobe. Eine Kooperation mit den bürgerlichen Parteien mit gemeinsamen Abstimmungen auch beim Haushalt würde über kurz oder lang dazu führen, dass sich die LINKE selbst pulverisiert. Mit SPD und Grünen ist eine Politikwende nicht möglich. Geändert würden nicht die Verhältnisse, sondern nur die LINKE.
Die Mitglieder der SAV in der LINKEN treten dafür ein, dass die Partei in der Opposition bleibt. Natürlich sollte sie im Rat jede Maßnahme im Interesse der lohnabhängigen Menschen unterstützen, die von SPD oder Grünen vorgelegt wird. Wenn die Grünen das 365-Euro-Ticket vorschlagen, sollte die LINKE dafür stimmen – ohne auf die eigene Positionierung für den Nulltarif und einen steuerfinanzierten ÖPNV zu verzichten; und vor allem, ohne die kommenden Haushaltskürzungen abzusegnen.
Die Aufgabe von Linken in der Kommune ist es, deutlich zu machen, dass nicht diese oder jede Einzelmaßnahme reicht, sondern sämtliche Prioritäten geändert werden müssen. Immobilienkonzerne dürfen keine Grundstücke bekommen, sondern müssen enteignet werden. Die Stadtentwicklung für den Profit privater Investoren muss beendet und durch demokratische Entscheidungen in den Stadtteilen ersetzt werden. Im Verkehr ist eine wahre Revolution nötig. Um das zu ermöglichen – und um qualifizierte Jobs im öffentlichen Dienst zu schaffen, ist eine grundlegend bessere Finanzausstattung der Kommunen nötig. Die Gelder müssen von Bund und Ländern erkämpft werden, die Gewerbesteuer muss deutlich erhöht werden. Dies ist nicht hauptsächlich oder gar alleine über den Stadtrat zu schaffen, dazu bedarf es einer umfassenden sozialen Mobilisierung. Ziel linker Kommunalpolitik muss es sein, diese Mobilisierung zu befördern.