Wir dokumentieren einen Protestbrief von Lucy Redler und Thies Gleiss (beide im Bundesvorstand der LINKEN) an den Botschafter der Republik Kasachstan
Nach unseren Angaben hat sich der Anführer der Arbeitslosenbewegung Yerzhan Elshibayev, der in einem erfundenen Fall zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, im August dieses Jahres aus Protest gegen systematische Folter im Gefängnis den Mund zugenäht. Bereits im März berichtete er durch seine Anwälte und Verwandten über Folter durch die Aufseher des Gefängnisses und forderte die Offenlegung dieser Missstände.
Die einzige „Schuld“ von Yerzhan Yelshibaev ist, dass er 2019 die Bewegung der Arbeitslosen in der Stadt Zhanaozen organisierte. In dieser Stadt schoss die Polizei im Dezember 2011 auf die TeilnehmerInnen des fast acht Monate andauernden Streiks der ÖlarbeiterInnen, die sich für Gewerkschaftsfreiheit, bessere Arbeitsbedingungen und die Verstaatlichung des Bergbaus einsetzten. Nach offiziellen Angaben starben damals 15 ArbeiterInnen. Nach Angaben unabhängiger Gewerkschaften und Menschenrechtsverbände mehr als 70 Menschen. 37 ÖlarbeiterInnen wurden wegen Teilnahme am Streik strafrechtlich verfolgt und mehrere tausend StreikteilnehmerInnen wurden entlassen und haben nie wieder Arbeit bekommen.
Yerzhan Elshibaev veranstaltete täglich Kundgebungen und Streikposten mit seinen GenossInnen in der Nähe der Stadtverwaltung. Er forderte Beschäftigung für Arbeitslose und die Erhöhung des Mindestlohnes für ArbeiterInnen im Ölsektor. Er wurde mehrmals unter weit hergeholten Vorwänden festgenommen. Schließlich wurde er im Oktober 2018 in einem erfundenen Fall zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl das angebliche „Opfer“ und die Zeugen seine völlige Unschuld beteuerten. Nach diesem Urteil fanden in Zhanaozen Massenproteste statt, die von der Polizei brutal aufgelöst wurden.
Die derzeitige Folter und Misshandlung von Yerzhan Yelshibayev ist ein Versuch, nicht nur seinen Willen zu brechen, sondern alle Gewerkschafts- und SozialaktivistInnen von Zhanaozen und ganz Kasachstan einzuschüchtern. Dies zeigt den allgemeinen repressiven Charakter der Regierungspolitik, die darauf abzielt, die Gewerkschaftsbewegung im Land endgültig zu zerstören.
Vor sechs Jahren hat Kasachstan ein Gewerkschaftsgesetz verabschiedet, das gegen die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO – ILO) verstößt und von internationalen Gewerkschaftsverbänden verurteilt wird. Infolge dieses Gesetzes wurden mehrere hunderte Gewerkschaften im Land gerichtlich verboten. Vor drei Jahren wurde der letzte Verband unabhängiger Gewerkschaften Kasachstans liquidiert und drei seiner FührerInnen zu unterschiedlichen Haftstrafen verurteilt.
Versuche der Arbeiter, den Verband erneut zu registrieren, werden durch die Verbote des Justizministeriums niedergeschlagen. Eine andere Person dieser Vereinigung, Yerlan Baltbabay, wurde letztes Jahr zu sieben Jahren Haft verurteilt, dann amnestiert und dann erneut für sechs Monate verhaftet und schließlich im März dieses Jahres freigelassen.
Als erstes fordern wir die bedienungslose und sofortige Freilassung von Yerzhan Yelshibaev. Wir fordern eine gründliche Untersuchung der erwähnten Folter, die Erlaubnis des Besuchsrechts von den Verwandten Yerzhan Yelshibaevs und die neue Überprüfung des ganzen Falls. Wir fordern auch die Gewährleistung der Freiheit der Gewerkschaftsaktivitäten und das Recht der kasachischen ArbeitnehmerInnen, Streiks und Versammlungen abzuhalten, sowie die Gründung unabhängiger gewerkschaftlicher und politischer Vereinigungen.
Lucy Redler und Thies Gleiss, Mitglieder des Parteivorstands DIE LINKE