Reaktionäre Mobilisierung – die Demonstrationen der “Corona-Skeptiker*innen”

Stellungnahme des SAV-Bundesvorstandes , 01.09.2020

Am 29. August haben in Berlin mehrere Zehntausend Menschen gegen die “Corona-Maßnahmen” der Bundesregierung demonstriert. Diese mögen mehrheitlich keine Faschist*innen oder Rassist*innen sein, aber weder die Veranstalter*innen noch die Teilnehmer*innen haben sich gegen die Anwesenheit der Rechten ausgesprochen.

Mehrere Tausend offen auftretende Rechtextremist*innen verschiedener Strömungen waren präsent. Sie sind Teil der Bewegung, Gruppierungen wie “Querdenken” haben de facto ein Bündnis mit ihnen gebildet. Auch die Mehrheit der Teilnehmer*innen der Demonstrationen und Kundgebungen hat nichts Erkennbares gesagt oder getan, um die extreme Rechte fernzuhalten. Es ist davon auszugehen, dass es den meisten “egal” oder “nicht so wichtig” ist, ob diese dabei sind. Oder sie unterstützen dies bewusst, weil die Proteste groß sein sollen und “links oder rechts gerade nicht so wichtig” sei.

Die Treppe des Reichstages wurde mit den Fahnen und den Parolen der Ultrarechten von einigen Hundert Menschen “gestürmt”. Dieser Erfolg der Nazis war möglich, weil die Polizei lediglich drei Beamt*innen abgestellt hatte, um das Eindringen der Rechten in den Bundestag zu verhindern. Und das, obwohl es Drohungen eines “Sturms auf Berlin” gegeben hatte und die massive Präsenz organisierter Faschist*innen bekannt und sichtbar war. Das Gewährenlassen der Nazis am 29. August ermöglicht es diesen, den eher lächerlichen Wettlauf zur Treppe des Reichstags per Propaganda zu einer nationalen Heldentat aufzuwerten.

Zum Vergleich: Bei so mancher Stadtteil-Demo gegen hohe Mieten stehen fünf Polizist*innen vor jeder Bankfiliale. Berlin wird von SPD, Grünen und der LINKEN regiert. Anfang August haben dort Hunderte Polizist*innen eine linke Szenekneipe zwangsgeräumt, um die Interessen des Immobilienkonzerns Pears Global durchzusetzen.

Wirtschaftliche Krise

Die Corona-Pandemie hat die sich ohnehin entwickelnde wirtschaftliche Krise verschärft. Millionen Beschäftigte sind in Kurzarbeit. Ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit droht. Auch ohne Corona hätte die krisenhafte Entwicklung begonnen. Auch ohne die Maßnahmen der Bundesregierung wären Absatzmärkte eingebrochen und Lieferketten unterbrochen worden. Allerdings haben die von den Regierungen beschlossenen Einschränkungen einige Branchen wie Tourismus, Gastronomie und Kultur besonders hart getroffen.

Es ist nachvollziehbar, über die sozialen Folgen der Maßnahmen besorgt zu sein. Es ist legitim und notwendig, die Regierung dafür zu kritisieren, dass sie die großen Konzerne mit Milliarden unterstützt, aber Solo-Selbständigen sowie kleinen Betrieben nur kurzfristige Nothilfen gewährt. Auf Dauer können sich viele die Kurzarbeit nicht leisten oder müssen fürchten, in die Arbeitslosigkeit zu fallen. Es ist dringend geboten, zu verhindern, dass die Krise auf den Rücken der arbeitenden Menschen abgewälzt wird.

Die Konzepte zur Sicherung von Gesundheit und Bildung von Kindern sind absolut unzureichend. Kinder aus ärmeren Familien sind durch Homeschooling stärker abgehängt worden als zuvor. Gewalt in Familien kann weniger Einhalt geboten werden. Betreuung wird zudem meistens wie selbstverständlich auf Frauen ausgelagert, die dafür Lohneinbußen hinnehmen müssen. Auch der Umgang mit den Menschen in Altenheimen ist zu kritisieren. Durch den Mangel an Tests wurden sie zunächst einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt und dann durch die Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung sehr stark isoliert.

Es ist zudem wichtig, auf die Widersprüche bei den Maßnahmen der Regierung hinzuweisen. Während es uns noch verboten war, mit Gruppen aus drei Familien im Freien Spazieren zu gehen, durfte Fleischproduzent Tönnies seine Arbeiter*innen unter engen, unhygienischen Bedingungen schuften lassen, bis sein Schlachthof zum Superspreader wurde. Amazon hat auf Kosten seiner Beschäftigten und begünstigt durch die Schließung von Geschäften so viel erwirtschaftet wie nie zuvor.

Misstrauen gegenüber den Konzernen ist daher geboten. Auch die Analyse, dass die Pharmaunternehmen eher von Krankheiten als von Gesunden profitieren, ist korrekt. Das Gefühl von Ohnmacht und fehlender Mitbestimmung ist momentan stärker als zuvor.

Demokratische Rechte

Die Situation der von Arbeitsplatzverlust Bedrohten, sinkende Einkommen, die soziale Lage von Kindern, all das spielte bei den bundesweiten Demos der „Querdenker*innen“ oder “Corona-Skeptiker*innen” bestenfalls eine kleine Rolle. Im Zentrum stehen stattdessen verschiedene Variationen der These, die Angst vor der Pandemie werde von der Regierung (und möglicherweise den hinter ihr stehenden Mächten) genutzt, um demokratische Rechte zu zerstören. Unter einer demokratischeren Gesellschaft stellen sich einige die Einführung von Volksabstimmungen, andere die Wiedereinführung der Monarchie vor.

Demokratische Rechte sind im Kapitalismus nie umfassend,  insbesondere am Arbeitsplatz sehr eingeschränkt und außerdem immer bedroht. Tatsächlich wurde Corona mehrfach seitens der Behörden missbraucht, um das Demonstrationsrecht einzuschränken. Mehrere Demos zur Erinnerung an den rassistischen Neunfach-Mord in Hanau vor sechs Monaten wurden trotz der Bereitschaft, Infektionsschutzmaßnahmen zu akzeptieren mit dem Argument „Corona“ verboten, weil das Verbot den Regierenden politisch in den Kram passte. 

Auch wenn die “Querdenken”-Demo relativ offen angekündigt hatte, Infektionsschutz zu ignorieren, war auch ihr Verbot überwiegend politisch motiviert. Wir lehnen das Verbot der Demonstrationen ab. Die politische Verwirrung muss politisch bekämpft werden.

Mögliche Einschränkungen der Rechte der “Corona-Skeptiker*innen” waren ein großes Thema in den Medien, am Ende konnten sie bisher immer demonstrieren – trotz der Verstöße gegen die Auflagen. Die Polizei hat gedroht, aber sie gewähren und sogar die Treppe des Parlaments stürmen lassen. Sie hat ihre legalen Möglichkeiten nicht ausgenutzt. Bei vielen linken Demonstration geht die Polizei ganz anders vor, auch wenn diese sich an Auflagen halten.

Die “Corona-Rebell*innen” reden von “Diktatur”. Aber es ist eine seltsame Art von Diktatur, in der Verwaltungsgerichte polizeiliche Demo-Verbote kassieren und angeblich Unterdrückte in der “Lügen-” bzw. “Systempresse” ein Interview nach dem anderen geben können. Das System der Bundesrepublik ist nach einem halben Jahr Corona im Wesentlichen das gleiche wie vorher: Eine parlamentarische Demokratie mit eingeschränkter Pressefreiheit – weil die Medien nur wenigen Konzernen gehören – und einer Demonstrationsfreiheit, die von der Polizei begrenzt werden kann. Im Staatsapparat haben sich Nazis in Polizei und Armee stärker als zuvor breitgemacht, mit Corona hat das nichts zu tun. Die Grundrechte existieren, aber wie immer im Kapitalismus nie zu 100 Prozent, nie in gleichem Maße und nie dauerhaft.

Ist es möglich, dass etablierte Parteien und die Konzerne vorhaben, Corona zu nutzen, um die demokratischen Freiheiten massiv einzuschränken? Ja klar, das ist denen zuzutrauen. Sie könnten es nutzen, um die Bundeswehr stärker für polizeiliche Aufgaben einsetzen. Sie könnten versuchen, das Streikrecht einzuschränken, zum Beispiel in den Kliniken. Sie könnten die Pressefreiheit begrenzen.

Sobald solche Pläne bekannt werden, muss dagegen mobil gemacht werden. Die Einschränkungen des Demonstrationsrechtes waren bisher befristet und sind seit dem Mai wieder gelockert worden. Allerdings halten viele der Demonstrierenden die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr, Geschäften und öffentlichen Gebäuden und das Verbot von größeren Parties und Veranstaltungen für Schritte in diese Richtung.

Freiheit für wen?

Das Ignorieren der Maskenpflicht und deren Aufhebung ist die zentrale Forderung der Demos. Der dahinter stehende Freiheitsbegriff ist kein demokratischer, sondern ein individualistischer, neoliberaler. Wenn es darum geht, das Leben und die Gesundheit anderer Menschen zu schützen, ist die Einschränkung der Rechte des Einzelnen sinnvoll. Selbst wenn man die Wirksamkeit der Mund-Nase-Maske für nicht erwiesen hält, wäre allein die Möglichkeit, dass sie Infektionen unwahrscheinlicher macht, Grund genug, diese zu akzeptieren. Die Maske ist unbequem, lästig, anstrengend, aber sie hindert niemanden an der Ausübung demokratischer Rechte.

Die Abschaffung der Maskenpflicht zu fordern ist auf einer Ebene angesiedelt wie die Forderung, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder das Rauchverbot in Gaststätten und Restaurants aufzuheben. Auch diese schränken die individuelle Freiheit ein, weil sie potenziell zur Schädigung Dritter führen.

Man muss keine Virologin sein um zu verstehen, dass die Ausbreitung von Viren über Tröpfchen durch die Luft durch eine mechanische Barriere vor dem Gesicht eingeschränkt wird, unabhängig davon, für wie gefährlich man die Viren hält. Zu den demokratischen Rechten gehört auch das Recht der Beschäftigten auf Arbeitsschutz. Die Kolleginnen und Kollegen im Einzelhandel, in den Kliniken und Pflegeheimen, der öffentlichen Verwaltung, Kitas und Schulen und auch in den Produktionsbetrieben haben das Recht, mit allen verfügbaren Mitteln vor einer möglichen Ansteckung geschützt zu werden.

Krise des Kleinbürgertums

Die Demos der Corona-Skeptiker*innen sind “bunt”. Neben den 10 bis 20 Prozent organisierten Rechtsextremen scheint es einen großen Anteil an esoterisch oder “alternativ” inspirierten Impfgegner*innen zu geben. Ein soziales Programm gibt es nicht. Diese Bewegung ist eindeutig keine Bewegung, in der die Ideen und Probleme der Lohnabhängigen, der Armen oder der besonders Unterdrückten thematisiert werden. Es ist eine Bewegung mit bis ins Extreme gesteigerten kleinbürgerlich-individualistischen Ideen, in der das “Ich”, die eigene private Freiheit im Zweifel auf Kosten anderer mehr zählt als die gemeinsamen demokratischen Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Arbeitsschutz.

Die von der Krise besonders betroffenen Kleinunternehmer*innen, Gastwirte oder Kulturveranstalter*nnen sind bisher noch nicht bei den Demonstrationen in den Vordergrund getreten. Es handelt sich demnach bisher nicht um eine soziale Bewegung der Mittelschichten, die gegen ihren ökonomischen Absturz kämpfen, sondern eher um eine Widerspiegelung des diffusen Unmuts über die unsicher werdende Lage im Allgemeinen, der in den kleinbürgerlichen Mittelschichten herrscht.

Dieser Unmut wurde durch die Pandemie befördert. Die Ängste, die aus der chaotisch werdenden Welt mit dem Anstieg von zwischenstaatlichen Konflikten, Verschiebungen zwischen den Machtblöcken, der Klimakrise, den zu ahnenden ökonomischen Zusammenbrüchen und Verteilungskämpfen resultieren, sind auch in der Arbeiter*innenklasse zu spüren. Aber hier finden sie eher einen gemeinsamen Fokus in Form von sozialen Forderungen bezüglich Jobs, Einkommen usw.

Endlich eigenständig agieren

Sozialist*innen und Linke dürfen sich nicht an diesen Demonstrationen beteiligen. Es sind reaktionäre Veranstaltungen. Es ist nicht möglich, durch eine linke Intervention eine andere Stoßrichtung, ein soziales Programm oder eine Kampf-Perspektive hinein zu tragen. Die Strategie der Rechten in diesen Demonstrationen geht bereits auf: Sie nutzen die Entpolitisierung der Corona- und Regierungskritik, um ihren Einfluss auszubauen.

Selbst bei den Demo-Teilnehmer*innen, die sich als links, friedensbewegt, alternativ, systemkritisch betrachten, scheint die Haltung zu sein: “Egal ob links oder rechts“ – Hauptsache man ist wütend über die Gesamtsituation und die Demos werden groß, alle sind willkommen. Diese diffuse Haltung ist gefährlich. Diese Stimmung macht es Sozialist*innen unmöglich, dort einzugreifen. Wer bei den Corona-Demos dafür eintritt, die Faschist*innen aus den Demos zu werfen – eine unverzichtbare Minimalforderung – trifft auf wenig Zustimmung.

Selbst jede offen rassistische Bewegung wird in ihren Reihen Menschen haben, die eigentlich aus sozialer Wut auf die Verhältnisse rebellieren und sich “nur” haben ablenken lassen. Nicht jeder von denen ist unbelehrbar. Aber es wäre fatal, sich an ihrer Bewegung zu beteiligen, um sie zu erreichen. Es geht schief, wenn Linke sich ihren Vorurteilen anpassen, um den Dialog zu führen. Das geht nur, wenn die Linke und die Arbeiter*innenbewegung eigenständig agieren, die Reaktion offen als Reaktion bezeichnen und konfrontieren sowie Alternativen anbieten.

Die SAV ruft dazu auf, sich an den Gegendemonstrationen zu beteiligen. Es wäre allerdings aus linker Sicht falsch, sich auf diese zu beschränken, vor allem, wenn dabei alle Teilnehmer*innen der Corona-Demos pauschal als Nazis bezeichnet werden. Damit würde die Linke den etablierten Parteien in die Falle laufen. Diese haben ein Interesse daran, zu behaupten, wer sie kritisiert, sei automatisch rechts, um damit jegliche Opposition zu diskreditieren. Die Gegendemonstrationen müssen politisiert werden, sie müssen polarisiert werden, um aufzuzeigen, dass man sich nicht zwischen den beiden Übeln “Corona-Rebell*innen” und “Establishment” entscheiden muss.

Die Partei DIE LINKE, Gewerkschaften, antifaschistische Initiativen und soziale Bewegungen brauchen dringend eine unabhängige, eigenständige Position angesichts dieser schwierigen Lage. Sie müssen eigene Aktionen organisieren, auf der Grundlage klarer sozialer Forderungen. Ihre Aufgabe ist es, Beschäftigte zu mobilisieren. Sie müssen Verschwörungstheoretiker*innen und ihre Zusammenarbeit mit Nazis angreifen, ohne jedoch die Kritik an der Regierung und den widersprüchlichen Corona-Maßnahmen zu verschweigen.

Sie sollten darauf hinweisen, dass weitaus mehr Menschen in den letzten beiden Jahren für klare Forderungen auf der Straße waren als für diffuse Verschwörungstheorien – bei Fridays for Future, bei Ende Gelände, Black Lives Matter und diversen antifaschistischen Mobilisierungen. Sie sollten die laufenden Tarifrunden im Nahverkehr und im Öffentlichen Dienst politisieren und die allgemeine Frage aufwerfen, wer für die Krise zahlen soll. Eine bundesweite Demonstration gegen die Abwälzung der Krisenfolgen auf die arbeitende Bevölkerung wäre in der nächsten Phase ein sinnvoller Schritt.

Wie gefährlich die Proteste der Corona-Skeptiker*innen werden, ist noch nicht klar. Ihr Potenzial hängt davon ab, wie sich die Pandemie entwickelt und wie der Verlauf der Wirtschaftskrise ist. Nicht zuletzt hängt es davon ab, inwieweit es der Arbeiter*innenbewegung gelingt, der Situation ihren Stempel aufzudrücken.

Ohne Zweifel ist es jedoch gefährlich genug, dass Zehntausende Menschen unterschiedlicher ideologischer Herkunft ihre Distanz zu Faschist*innen aufgegeben haben. Dadurch wurde den Rechten erlaubt, im Rahmen einer Massenbewegung geschützt zu agieren. Müssten sie alleine marschieren, wären sie mit massiven Gegenaktionen konfrontiert. Das wird Nazi-Gruppen stärken und ermutigen.

Feuer und Eis miteinander verwechselt

Einige Linke haben Lenin zitiert, um zu argumentieren, die Demonstrationen seien “roh” und “formbar”, wichtig sei die Bewegung selbst. Lenin schrieb 1916 in “Die Ergebnisse der Diskussion über die Selbstbestimmung”, LW 22/ 364:

“Wer eine ‚reine‘ soziale Revolution erwartet, der wird sie niemals erleben. Der ist nur in Worten ein Revolutionär, der versteht nicht die wirkliche Revolution. (…) Die … Revolution … kann nichts anderes sein als ein Ausbruch des Massenkampfes aller und jeglicher Unterdrückten und Unzufriedenen. Teile des Kleinbürgertums und der rückständigen Arbeiter werden unweigerlich an ihr teilnehmen – ohne eine solche Teilnahme ist ein Massenkampf nicht möglich, ist überhaupt keine Revolution möglich -, und ebenso unweigerlich werden sie in die Bewegung ihre Vorurteile, ihre reaktionären Phantastereien, ihre Fehler und Schwächen hineintragen. Objektiv aber werden sie das Kapital angreifen …”

Diejenigen, die dieses Zitat verwenden, ignorieren den letzten Halbsatz. Die Forderungen der “Corona-Skeptiker*innen” richten sich weder subjektiv noch objektiv gegen das Kapital, Sie laufen auf eine Entsolidarisierung der Lohnabhängigen hinaus, bestenfalls auf einen eskalierten Liberalismus, parteipolitisch verortet zwischen FDP und AfD. Mit ihren kruden Theorien lenken die bei diesen Demos überall präsenten Verschwörungstheoretiker*innen faktisch von der Rolle und Verantwortung von den Kapitalisten ab, die billige Arbeitskräfte unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften und wohnen lassen und damit deren Gesundheit und die der Bevölkerung für ihren individuellen Profit riskieren. Lenin schreibt realistisch über Fehler und Schwächen, die jede Massenbewegung hat. Aber er schreibt nicht über eine im Kern reaktionäre, der Arbeiter*innenklasse fremde und feindliche Bewegung.

Die Hauptforderung der Bewegung ist die Rücknahme der Corona-Beschränkungen – die teilweise schon längst zurückgenommen worden sind. Die Demonstrierenden schweigen zur Verschärfung der Polizeigesetze der letzten Jahre, zur weiteren Einschränkung des Rechts auf Asyl und sämtlichen weiteren undemokratischen  Maßnahmen.

Wir stehen derzeit nicht vor einer Revolution in Deutschland. Aber wenn wir die Begrifflichkeiten “Revolution” und “Konterrevolution” als Entwicklungsrichtung interpretieren, dann wird deutlich, dass Linke, welche an den Corona-Demos anknüpfen wollen, diese beiden entscheidenden Dinge miteinander verwechseln. In den Corona-Demos steckt nicht das geringste Potenzial für die Revolution, nicht unbewusst, nicht indirekt. Sie sind Bestandteil einer reaktionären Mobilisierung. Es ist möglich, dass sie aus Mangel einer tragfähigen sozialen Basis zu Staub zerfallen. Einen Teil der Teilnehmer*innen kann die Arbeiter*innenbewegung in einem anderen Kontext erreichen. Wir dürfen jedoch nicht darauf warten, sondern müssen jetzt jede Möglichkeit nutzen, dieser potenziell gefährlichen Bewegung das Wasser abzugraben.