Von Christian Pistor, LSP / PSL, ISA in Belgien
2020 wird entweder das heißeste oder das zweit heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sein. Damit werden die fünf heißesten Jahre seit 2010 gewesen sein. Bisher haben sich die globalen Gesamtniederschläge aufgrund der globalen Erwärmung kaum verändert. Nichtsdestotrotz haben Dürren und Trockenperioden an den meisten Orten auf der Erde zugenommen. Dürren sind ein Mangel an Trinkwasser – einer Ressource, die ohne Zweifel eine der wesentlichsten Zutaten für das Leben auf diesem Planeten ist.
Aufgrund der Wirtschaftskrise, die Covid-19 ausgelöst hat, wird sich voraussichtlich die Zahl der Menschen, die in der neokolonialen Welt unter akutem Hunger leiden, bis Ende des Jahres fast verdoppeln. Da Wasser für viele Wirtschaftssektoren essentiell ist, überrascht es nicht, dass Dürren die kostspieligsten Naturkatastrophen sind. Dürren haben auch weit reichende gesellschaftliche Folgen und sind daher ein potenzieller Auslöser von Konflikten. Der Kapitalismus stört den bestehenden Wasserkreislauf durch die globale Erwärmung und verschwendet und verunreinigt gleichzeitig diese lebenswichtige Ressource für kurzfristige Gewinne. Es ist ein System, das sich tagtäglich als völlig unfähig entlarvt mit den Herausforderungen umzugehen, denen die Menschheit gegenübersteht.
Wie jüngste Studien zeigen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Temperatur nicht um mehr als 1,5°C über das vorindustrielle Niveau steigt, geschweige denn um mehr als 2°C. Auf dem Höhepunkt der Abriegelung Anfang April 2020 waren die CO2-Werte im Vergleich zu 2019 um 17% gesunken. Wenn einige Beschränkungen bis zum Jahresende in Kraft bleiben, könnten die globalen Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um 7% sinken. Doch um das Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen, den globalen Temperaturanstieg innerhalb der 1,5°C-Grenze zu halten, müssen die globalen Emissionen in diesem Jahrzehnt jedes Jahr um 7,6% sinken. Angesichts der verheerenden Auswirkungen, die Ausgangssperren (zusammen mit tieferen systemischen Problemen) auf die Wirtschaft gehabt haben, erscheint die Durchführung von Emissionssenkungen, die auch nur annähernd an das Erforderliche heranreichen, innerhalb des gegenwärtigen Systems völlig utopisch. Solch ehrgeizige Ziele haben nur dann eine Chance, wenn die produktiven Ressourcen der Menschheit unter einem System demokratischer Kontrolle eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Sozialistische Planung ist der einzige Weg, um die Auswirkungen der globalen Erwärmung in einer ausreichenden Weise zu begrenzen.
Einige weltweite Entwicklungen
Die globale Erwärmung macht die Welt nicht unbedingt trockener. Im Allgemeinen werden feuchte Gebiete feuchter und trockene Gebiete trockener. Steigende Temperaturen erhöhen die Fähigkeit der Atmosphäre, Wasser zu speichern. So ist die Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre um 4% gestiegen. Diese Feuchtigkeitszunahme führt dann zu stärkeren, aber weniger häufigen Regenfällen. Darüber hinaus trägt eine große Wassermenge, die in kurzer Zeit den Boden erreicht, relativ wenig dazu bei, das Grundwasser oder auch nur Bodenschichten knapp unterhalb der Oberfläche wieder mit Wasser aufzufüllen. Dies hat große Auswirkungen auf die Pflanzenwelt. Die Fähigkeit verschiedener Bodentypen, Feuchtigkeit zu speichern, kann auch ein Auslöser für landwirtschaftliche und hydrologische Dürren sein. Zusätzlich können sintflutartige Regenfälle auch für sich genommen sehr zerstörerisch sein und zu Überschwemmungen und Erosion beitragen.
Extremeres Wetter, lang anhaltende Hitzewellen sowie Überschwemmungen werden auch mit einer Verlangsamung und sogar dem Abreißen des Jetstreams in Verbindung gebracht. Der Jetstream ist die Haupttriebkraft der Wetterverhältnisse auf der Nordhalbkugel. Wenn Hoch- oder Tiefdrucksysteme über längere Zeiträume stehen bleiben, führt dies entweder zu einem Mangel an Niederschlägen oder zu einem Überfluss an Niederschlägen. Der Jetstream wird durch den Kontrast zwischen eisiger arktischer Luft im Norden und tropischen Luftmassen im Süden angetrieben. Seit 2000 hat sich die Arktis doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt, und auch die Landmassen erwärmen sich schneller als die Ozeane. Der Temperaturkontrast, der den Jetstream antreibt, hat sich dadurch verringert. Infolgedessen hat der Jetstream begonnen, sich zunehmend zu verlangsamen und zu schlängeln. Dadurch ist es zu jahreszeitlich unüblichen Kälte- und Hitzeperioden gekommen. Die Faktoren, die das Abreißen des Jetstreams begünstigen, haben seit Beginn des industriellen Zeitalters um 70 Prozent zugenommen, wobei der stärkste Anstieg in den letzten vier Jahrzehnten zu verzeichnen war.
In den Tropen ist es die sich saisonal verschiebende Intertropische Konvergenzzone (ITCZ) die das Regengeschehen bestimmt. Die ITCZ ist der Regengürtel, der dort zu finden ist wo die Passatwinde von der Nord- und Südhalbkugel zusammenlaufen. Vor 1980 kühlte die Luftverschmutzung durch Partikel (Aerosole) die nördliche Hemisphäre ab und drückte die ITCZ nach Süden. Damals glaubten tatsächlich einige, dass eine neue Eiszeit bevorstand. Es gab eine Zunahme der Regenfälle in den Vereinigten Staaten und eine Abnahme in der Sahelzone und in Indien. Nach 1980 begann sich diese Verschiebung umzukehren, als die Aerosolemissionen aus Europa und Nordamerika aufgrund von Umweltauflagen zurückgingen. Darüber hinaus begann sich die Nordhalbkugel mit Zunahme des Treibhauseffekts schneller zu erwärmen als die Südhalbkugel, die mehrheitlich von Ozeanen bedeckt ist. Damit kann man einige der Veränderungen des Dürregeschehens der letzten Jahrzehnte erklären. Der Sahelzone hat es eine gewisse Atempause verschafft. Die Region hatte von den 1950er bis in die 1980er Jahre einen Rückgang der Niederschläge um rund 40% erlebt, was zu großflächigen Hungersnöten beitrug. Seit den 1990er Jahren ist diese Entwicklung um ein Drittel wieder zurückgegangen. Steigende Temperaturen, die zu einer verstärkten Verdunstung führen, und extremere Wetterlagen werden jedoch dafür sorgen, dass diese Atempause nur vorübergehend ist.
Was sind Dürren?
Dürren lassen sich in drei Kategorien einteilen:
Meteorologische Dürren entstehen durch eine längere Zeitspanne in der es unterdurchschnittlich
viel regnet.
Landwirtschaftliche Dürren treten auf, wenn die Bodenfeuchtigkeit so stark abnimmt, dass die
Ernteerträge beeinträchtigt werden. Dies hängt im Allgemeinen mit geringeren Niederschlägen
zusammen, kann aber auch eine Folge von Anbaumethoden sein.
Hydrologische Dürren treten auf, wenn die in Wasserreservoiren wie Grundwasserspeicher, und
Seen verfügbaren Vorräte unter einen lokalen Schwellenwert fallen. Auch sinkende
Grundwasserspiegel werden als hydrogeologische Dürre bezeichnet.
Der Wasserhaushalt oder die Differenz zwischen Niederschlag und Verdunstung ist für die beiden
letztgenannten Dürrearten von großer Bedeutung. Zur Veranschaulichung: Aufgrund der
Verdunstung trägt der im Sommer auftretende Niederschlag weniger zur Bodenfeuchtigkeit und
zur Wiederauffüllung der Grundwasserleiter bei, als der Niederschlag im Winter. Dies ist auch eine
Art, auf die die globale Erwärmung durch steigende Temperaturen das Risiko von Dürren erhöht.
Häufigere langanhaltende Trockenperioden in Mitteleuropa
Eine kürzlich durchgeführte Studie kam zu dem Schluss, dass das europäische Dürreereignis 2018-2019, basierend auf Daten die bis ins Jahr 1766 zurückreichen, sowohl in seinem geografischen Ausmaß als auch in seiner Schwere beispiellos war.
Trockenperioden von zwei oder mehr aufeinander folgenden Jahren stellen eine weitaus größere Bedrohung für die Vegetation dar, als einzelne Sommertrockenperioden – selbst wenn letztere intensiver sind, wie 2003 und 2015. Einzelne Sommerereignisse ermöglichen eine Normalisierung der Vegetationsgesundheit im folgenden Jahr, während Trockenperioden in aufeinander folgenden Jahren eine nachhaltigere Auswirkung haben. Die Studie sagt voraus, dass sich die Häufigkeit solcher anhaltenden Dürren in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts versiebenfachen könnte, wenn die Treibhausgasemissionen im schlimmsten Fall unvermindert ansteigen. Zudem würden sich die von der Dürre betroffenen Anbauflächen in Mitteleuropa ebenfalls fast verdoppeln. Damit wären 40 Millionen Hektar oder 60% der gesamten Anbaufläche in der Region betroffen. Bei einem gemäßigten Emissionsanstieg, der mit einem Temperaturanstieg zwischen 2° und 3°C bis 2100 einhergeht, würden längere Trockenperioden jedoch immer noch 3,5-mal häufiger auftreten. Die einzige Chance, eine Zunahme der Trockenperioden zu verhindern, besteht darin einen globalen Temperaturanstieg von über 1,5°C zu verhindern.
Und 2020?
Im Frühjahr 2020 waren besonders trockene Verhältnisse von Rumänien bis nach Großbritannien zu verzeichnen. Viele jahrhundertealte Rekorde wurden gebrochen. In Belgien zum Beispiel gab es im April und Mai die niedrigsten Niederschläge seit 1893. Dies kam zu einer zweijährigen schweren Trockenperiode hinzu, die von 2018 bis 2019 halb Mitteleuropa heimgesucht hat. Derzeit scheint es wahrscheinlich, dass sich diese Trockenperiode im Jahr 2020 fortsetzen wird, möglicherweise in einer milderen Form.
In der Tschechischen Republik setzte bereits 2015 eine lang anhaltende Dürre ein, so dass sie das am stärksten betroffene Land in Mitteleuropa ist. Das Problem reicht sogar noch weiter zurück: In der Region Mähren gingen die sommerlichen Niederschläge seit Anfang der 1990er Jahre um fünfzig Prozent zurück. Mitte April 2020 litten drei Viertel des tschechischen Staatsgebiets unter extremer Trockenheit. Damals ging man davon aus, dass dem Land die schlimmste Dürre seit 500 Jahren bevorstand. Ein regnerischer Start in den Sommer hat dieses Szenario seither etwas verbessert.
Auch wenn sich die Situation in der Tschechischen Republik etwas entspannt haben könnte, ist es interessant, eine 2019 durchgeführte Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen zu betrachten. In dieser Studie wurde versucht, die Auswirkungen vorherzusagen, die eine anhaltende Dürre auf die tschechische Wirtschaft haben könnte. Ein optimistisches Szenario, ein 25%iger Rückgang des verfügbaren Wassers, sagte einen Verlust von 1,6% des BIP und einen starken Produktionsrückgang in Branchen wie der Papier- und Textilindustrie voraus. Ein pessimistischeres Szenario, ein 50%iger Rückgang des verfügbaren Wassers, hätte weit reichende soziale und gesundheitliche Folgen und würde sich in einem Verlust zwischen 2,8 und 4,8% des BIP niederschlagen. Angesichts der Tatsache, dass der Kapitalismus in den „entwickelten“ Volkswirtschaften in den letzten Jahrzehnten lediglich ein schleppendes Wachstum erzeugen konnte, könnten anhaltende Trockenperioden diese Volkswirtschaften klar in eine Rezession stürzen. Alternativ könnten sie wirtschaftliche Rezessionen oder Depressionen noch verschlimmern.
Gletscher schmelzen
Der größte Teil des Eises der Welt ist in den Eisschilden der Antarktis und Grönlands eingeschlossen, wobei Gebirgsgletscher und Eiskappen niedrigerer Breitengrade nur 4% des Welteises ausmachen. Jedoch haben die Gebirgsgletscher der Welt unverhältnismäßig stark zum Anstieg des Meerwassers beigetragen. Der Verlust dieser Süßwasserreserven, die dazu beitragen können Dürren durch Schmelzwasserabfluss zu verhindern oder zu lindern, stellt ein ernstes Problem für die Ökosysteme und die menschliche Zivilisation dar.
Die Anden haben anteilsmäßig den größten Eisverlust aller Gebirgsketten erlitten. Während die patagonischen Eisfelder, die sich in niedriger Höhe befinden, den größten Teil dieses Verlustes ausmachen, ist das Risiko für die Bevölkerung weiter nördlich am größten, wo große städtische Zentren wie La Paz in Bolivien, Santiago in Chile, Mendoza in Argentinien und Huaraz in Peru für ihre sommerliche Wasserversorgung auf Schmelzwasser angewiesen sind. Eine Studie ergab, dass 4 Millionen Menschen in den tropischen Anden für ihre Grundversorgung auf Schmelzwasser angewiesen sind. In La Paz, einer Stadt mit 2,3 Millionen Einwohnern, machte diese Wasserversorgung mehr als ein Viertel des während der Trockenzeit verbrauchten Wassers aus. Mit dem voraussichtlich verstärkten Abfluss des Schmelzwassers wird diese Abhängigkeit vom Gletscherwasser wahrscheinlich nur noch zunehmen. Irgendwann wird dieser Abfluss jedoch drastisch abnehmen oder ganz verschwinden. Angesichts der Tatsache, dass der Klimawandel in den tropischen Anden eine Zunahme der Niederschläge während der Regenzeit und eine Abnahme während der Trockenzeit bringt, wird dies dann enorme Herausforderungen mit sich bringen.
Länder von Kasachstan bis Indien hängen stark von den 95.000 Gletschern ab, die die Gebirgsketten vom Alai-Gebirge in Kirgisistan bis zum Himalaja überspannen. Ihr Schmelzwasser, das manchmal als „dritter Pol“ bezeichnet wird, macht bis zu 100% des Wasserflusses einiger der wichtigsten Flüsse Asiens aus, darunter Amu Darya, Brahmaputra, Ganges, Indus, Mekong, Jangtse und Gelber Fluss. Das Wasser, das sie liefern, entspricht dem Wasserbedarf von 221 Millionen Menschen (+/- 59 Millionen) oder dem größten Teil des jährlichen kommunalen und industriellen Bedarfs von Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan und Kirgisistan zusammengenommen.
Eine Studie hat ergeben, dass selbst wenn die in Paris für 2015 gesetzten Klimaziele erreicht werden, bis 2100 ein Drittel des Eises im Himalaja und am Hindukusch verschwinden wird. Ein anderer Bericht hat jedoch festgestellt, dass der Himalaja zwei Drittel seines Eises bis zum Ende des Jahrhunderts verlieren könnte, wenn die Emissionen fossiler Brennstoffe nicht erheblich reduziert werden.
Tatsächlich hat der Himalaja in den letzten 40 Jahren bereits ein Viertel seines Eises verloren. Zudem beschleunigt sich das Abschmelzen rapide. Die Durchschnittstemperaturen waren zwischen 2000 und 2016 um einen Grad Celsius wärmer als im Zeitraum 1975-2000. Dieser Temperaturanstieg ging mit einer Verdoppelung des jährlichen Eisverlustes durch das Abschmelzen einher. Ein ähnliches Abschmelzen scheint in den angrenzenden Gebirgsketten Pamir, Hindukusch oder Tian Shan stattzufinden. Da der Abfluss im Himalaya 1,6-mal größer ist, als wenn die Gletscher stabil wären, haben sowohl saisonale Überflutungen als auch katastrophale Überschwemmungen (insbesondere durch neu entstandene Gletscherseen) zugenommen. Doch innerhalb weniger Jahrzehnte könnte sich der erhöhte Abfluss umkehren und große Flüsse könnten austrocknen. Bei rund 800 Millionen Menschen, die für Bewässerung, Wasserkraft und Trinkwasser auf Schmelzwasser aus dem Himalaja angewiesen sind, wären die Auswirkungen katastrophal. Dies um so mehr, weil es mit extremeren und tödlicheren Hitzewellen einhergehen würde. Wenn die Emissionen unkontrolliert weitergehen, könnte die durchschnittliche Jahrestemperatur Indiens um vier Grad von 24°C auf 28°C ansteigen, wobei Tage extremer Hitze (über 35°C) von etwa fünf pro Jahr im Jahr 2010 auf 42 pro Jahr im Jahr 2100 ansteigen würden. Durch die Hitze könnten bis zu 1,5 Millionen Menschen jährlich zusätzlich sterben.
In Europa wird befürchtet, dass die Schifffahrt auf den Binnenwasserstraßen zunehmend von der globalen Erwärmung beeinträchtigt wird. Durch das Schrumpfen der Gletscher in den Alpen ist die Zufuhr von Schmelzwasser im Sommer rückläufig und Flüsse wie Rhein und Donau sind stärker auf Regen angewiesen. Bereits 2018 kam die Flussschifffahrt auf Flüssen wie Rhein und Elbe zum Erliegen und zwang Fabriken wegen unterbrochenen Lieferketten ihre Tore zu schließen. An der Oberelbe dauerte der Stillstand von Juni bis Ende Dezember. Die Bahn konnte die Ausfälle in der Binnenschifffahrt nicht auffangen. Ohne Zweifel haben Privatisierungen und der Mangel an öffentlichen Investitionen dabei eine Rolle gespielt. Die Risiken und Störungen die in der Binnenschifffahrt auftreten, können daher dazu führen, dass die Abhängigkeit vom LKW-Verkehr zunimmt, was größere Umweltschäden bedeuten würde.
Wasserverschwendung – Arbeiterklasse und Umwelt werden gemeinsam geopfert
Seit 1900 hat sich das für die menschliche Nutzung (Landwirtschaft, Industrie, Kommunen) entnommene Süßwasser versechsfacht. Wobei sich der Anstieg seit den 1950er Jahren stark beschleunigt hat, sich dann aber seit 2000 wieder verlangsamt hat. Landwirtschaftliche und hydrologische Dürren können nicht losgelöst von diesen menschlichen Eingriffen gesehen werden.
Im Kapitalismus wird im Allgemeinen die individuelle Verantwortung betont. So gehen Diskussionen um den Wasserverbrauch in der Regel nicht über eine Moralisierung des Privatverbrauchs hinaus.
Der private Verbrauch ist jedoch in vielen Gegenden zurückgegangen. In Kalifornien ist der städtische Wasserverbrauch seit 2013 um 20% gesunken. Das Wasser, das in den 1970er Jahren von zwei Haushalten in Südkalifornien verbraucht wurde, versorgt jetzt drei. In Deutschland ist der tägliche Haushaltsverbrauch pro Person von 144 Litern pro Tag im Jahr 1991 auf heute 123 Liter pro Tag zurückgegangen. In Wirklichkeit macht der Wasserverbrauch der Haushalte jedoch selbst in wohlhabenden Ländern nur einen relativ kleinen Teil des Wasserverbrauchs aus. In Europa ist die Landwirtschaft der Hauptverbraucher von Wasser (40%), gefolgt von der Energieerzeugung (28%), dem Bergbau und der verarbeitenden Industrie (18%) und den Haushalten (12%). Der Wasserverbrauch ist jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Belgien verbraucht die Industrie zehnmal mehr Wasser als die Landwirtschaft und fünfmal mehr als die Haushalte. Weltweit gehen 70% des Süßwasserverbrauchs in die Landwirtschaft; im Durchschnitt sind dies 90% in Ländern mit niedrigem Einkommen, 79% in Ländern mit mittlerem Einkommen und 41% in Ländern mit hohem Einkommen. Zweifellos muss die Landwirtschaft als der größte Verbraucher von Süßwasser und als lebensnotwendiger Sektor im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen.
In einer globalisierten Weltwirtschaft zeigt die alleinige Betrachtung des lokalen oder nationalen Verbrauchs ein verzerrtes Bild des Problems. Begriffe wie „Wasserfussabdruck“ oder „virtuelles Wasser“ werden verwendet, um die Menge Trinkwasser zu beschreiben, die in einer Ware „enthalten“ ist. Dazu gehören sowohl Wasser, das in der gesamten Produktionskette verwendet wird, als auch Wasser, das während dieses Prozesses kontaminiert wird. Der Export von „virtuellem Wasser“ über den Handel kann tiefgreifende Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften und die Umwelt haben, da das lokal verfügbare Wasser erschöpft und verschmutzt ist und daher für die lokale Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung steht. Netto-Wasserexportregionen können besonders anfällig für ein sich änderndes Wetter werden. Eine Studie aus dem Jahr 2012 ergab, dass sich der Export von „virtuellem Wasser“ innerhalb des letzten Jahrzehnts verdoppelt hat, während eine Studie aus dem Jahr 2013 ergab, dass der Export von „virtuellem Wasser“ 30% der direkten Wasserentnahme ausmacht.
Das Agrobusiness lebt von der intensiven landwirtschaftlichen Produktion für den Export. Viele der betroffenen Landwirtschaftszonen befinden sich in semiariden, zunehmend trockenheitsanfälligen Gebieten wie Kalifornien, Chile oder Spanien. Viele der von der Agrarindustrie angewandten Praktiken wären auch ohne die Bedrohung durch die globale Erwärmung nicht nachhaltig. Die Auswirkungen von Dürren auf die landwirtschaftliche Produktivität sind immer noch nicht so dramatisch, wie man erwarten würde, da die Landwirte zunehmend auf Oberflächen- und insbesondere Grundwasserreserven zurückgreifen. Die Grundwasservorkommen sind jedoch erschöpft und werden zudem zunehmend durch Chemikalien verunreinigt. Es werden immer noch massive Gewinne erzielt, aber genau wie bei der Verschuldung kann der Bogen nicht mehr weiter gespannt werden. Doch im Gegensatz zur gegenwärtigen Schuldenkrise, die ein menschliches Konstrukt ist, das zusammen mit dem kapitalistischen System abgeschafft werden könnte, könnten die Umweltschäden langfristiger und sogar irreversibel sein. Der kapitalistische Staat hat die Interessen des Großkapitals durchgesetzt; er hat darauf verzichtet Gesetze durchzusetzen, auf Regulierung ganz verzichtet oder einfach durch Privatisierung alles dem Markt überlassen.
Trotz schwerer Dürrebelastungen konnte die chilenische Agrarindustrie für 2019 einen Rekordexport von Obst vermelden. Chile ist der größte Fruchtexporteur in der südlichen Hemisphäre und der sechstgrößte weltweit. Achtzig Prozent des Wasserverbrauchs gehen in die Landwirtschaft. An zweiter Stelle steht der Bergbau. Die Agrarindustrie hat die Dürre gut überstanden, weil sie von einem System der Wasserzuteilung profitiert, das den größten Teil der Bevölkerung benachteiligt.
1981, unter der Pinochet-Diktatur, wurde das „Wassergesetzbuch“ in die Verfassung aufgenommen. Obwohl der Kodex Wasser als „soziales und wirtschaftliches Gut“ klassifizierte, erlaubte er es dem Staat privaten Akteuren kostenlos und unbefristet Wasserrechte zu gewähren. Damit wurde auch das Eigentum von der Herrschaft über Land getrennt. Dadurch entstand ein Wassermarkt, da die Inhaber der Rechte diese auch verkaufen konnten. Chile war regelrecht ein Versuchslabor für Neoliberalismus während der Diktatur. Das Land ist heute einzigartig damit, dass 100% der Wasserversorgung privatisiert sind. Der Besitz an den Wasserrechte ist in den Händen einiger weniger großer Akteure aus dem Agrarbusiness, dem Bergbau und der Forstwirtschaft konzentriert. Inmitten der Dürre sind die Wasserrechte zum Gegenstand eines Spekulationsbooms geworden. Zudem berücksichtigt das System nicht die sich verändernde Wasserverfügbarkeit. Dies hat dazu geführt, dass ländliche Gemeinden von Wasserlieferungen durch Lastwagen abhängig sind, während angrenzende Plantagen wasserintensive Feldfrüchte wie Avocados für den Export produzieren. Ohne Wasser sind die Kleinbauern mittellos geworden. Fast 47% der ländlichen Haushalte in Chile, rund eine Million Menschen, haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Einschließlich der städtischen Haushalte sind 400.000 Haushalte (1,5 Millionen Mensch) auf fünfzig Liter Wasser pro Tag angewiesen, die per Wasserwagen geliefert werden. Die anhaltenden Proteste der Gemeinden, die als „Wasserkrieg“ bekannt sind, haben zum Ziel die Privatisierung des Wassers rückgängig zu machen, wobei den Bedürfnissen der Gemeinden Vorrang eingeräumt und der Zugang zu Wasser für alle garantiert werden soll. Diese Forderungen wurden von der Massenbewegung aufgegriffen, die im Oktober 2019 ausbrach und den Kampf gegen die Wasserprivatisierung aufrgriff.
In Spanien war die Landwirtschaft einer der wenigen Sektoren, die von der Finanzkrise 2008-2009 nicht betroffen waren. Doch auch ihre Zeit ist abgelaufen. Spanien ist derzeit der weltweit größte Exporteur von frischem Obst und Gemüse. Das Land macht 10% des Welthandels mit diesen Produkten aus, wobei fast der gesamte Export in die EU geht. Sechzig Prozent des exportierten Obstes und Gemüses stammen aus nur drei Provinzen: Almeria, Murcia und Valencia. Die ersten beiden haben ein trockenes Klima, die dritte ein Mittelmeerklima. Alle drei haben Probleme mit zu stark abgeschöpftem und verseuchtem Grundwasser. Da die Trockenperioden immer länger werden, wird das Grundwasser in nicht nachhaltigem Masse abgeschöpft. Einer Greenpeace-Studie zufolge könnte es in Spanien bis zu einer Million illegale Brunnen geben. Das illegal geförderte Wasser könnte dem Wasser entsprechen, das von 118 Millionen Menschen verbraucht wird. Für ein Land mit 46 Millionen Menschen stellt dies einen „virtuellen Wasserexport“ von unglaublichen Ausmaßen dar. Ganz zu schweigen von dem „virtuellen Wasser“, das legal exportiert wird. Dieser Wasserdiebstahl ist im Wissen der Behörden teilweise in Sichtweite von „geschützten“ Feuchtgebieten geschehen. Nur die Aufmerksamkeit der Medien für ein Kleinkind, das 2019 beim Sturz in einen solchen Brunnen starb, hat die Durchsetzung der Vorschriften etwas verstärkt. Da drei Viertel Spaniens von Wüstenbildung bedroht sind, stellen die geplünderten Grundwasserreserven einen Puffer dar, dessen Verlust das Land sich nicht leisten kann.
Die rücksichtslose Ausbeutung der Umwelt geht Hand in Hand mit einer ebenso rücksichtslosen Ausbeutung von Arbeitern. Ein Beispiel dafür ist der Erdbeeranbau in der Provinz Huelva (mehr als ein Viertel des Gesamtvolumens der EU). Um eine halbe Milliarde Euro Einnahmen zu erzielen, stützt er sich auf Arbeiter ohne Papiere, die in verwahrlosten Baracken leben, und Saisonarbeiter, die kaum besser behandelt werden. Dies ist nicht nur das Produkt skrupelloser Bauern, sondern eines ganzen Systems. Ein System, in dem sich ganze Regionen auf eine einzige Kulturpflanze spezialisieren, um eine Just-in-time-Verteilung zu ermöglichen. Ein System, das unaufhörlich darauf drängt, in einem ständigen Wettlauf nach unten mehr für weniger zu produzieren, koste es was es wolle.
Sozialistische Planung – Wasser für alle, nicht für Profite
Die sozialistische Planung ist nicht nur für eine rasche Abkehr weg von fossilen Brennstoffen unerlässlich, sondern auch am besten geeignet die schädlichen Vorgänge abzumildern, die der Kapitalismus in Gang gesetzt hat und die nicht mehr verhindert werden können. Im Falle vermehrter Trockenperioden gehört dazu die Wasserverschwendung zu reduzieren, und die Verschmutzung dieser Lebensgrundlage zu verhindern. Außerdem sollte eingespartes Wasser nicht für eine Produktionsausweitung genutzt werden, sondern dazu Reserven wieder aufzufüllen und Ökosysteme wieder zu regenerieren.
Im Kapitalismus beschränkt sich die Diskussion über den „Wasser-Fussabdruck“ verschiedener Güter in der Regel auf individuelle Entscheidungen der Konsumenten. Es liegt auf der Hand, dass für die Produktion bestimmter Güter (Rindfleisch, Mandeln, Konserven usw.) mehr Wasserressourcen benötigt werden als für andere. Sich auf das Verbraucherbewusstsein zu verlassen, wird jedoch bestenfalls schrittweise Veränderungen bringen. Die Menschen sind oft durch finanzielle Erwägungen eingeschränkt und verfügen nicht über die Ressourcen, Zeit und Energie, um inmitten eines Wirrwarrs von widersprüchlichen Informationen und Unternehmensrummel fundierte Entscheidungen zu treffen. Auch reformistische Versuche, private Unternehmen zu regulieren und Anreize zu schaffen, werden nicht ausreichen. Um die erforderlichen raschen Veränderungen herbeizuführen ist ein kollektiver Ansatz erforderlich, und die Veränderungen müssen am Ort der Produktion stattfinden.
Der Wasserverbrauch in der Landwirtschaft könnte durch eine Begrenzung der Lebensmittelabfälle reduziert werden. Dies erfordert eine vollständige Überholung der kommerziellen Landwirtschaft und der Lebensmittelverteilung, was mit dem kapitalistischen Agrarbusiness unvereinbar ist. Auch die Produktion von wasserreichen Feldfrüchten sollte in wasserarmen Umgebungen begrenzt werden. Zum Beispiel könnte ein Ende der Werbung und die Betonung der Haltbarkeit von Kleidung der „Wegwerf-Mode“ ein Ende setzen und dadurch den Anbau von Baumwolle einschränken, einer besonders wasserbedürftigen Kulturpflanze, die oft in trockenen Umgebungen angebaut wird. Dasselbe gilt für Industrieprodukte und Produkte, die Bergbau-Ressourcen benötigen.
Fehlende Investitionen in die Infrastruktur sind eine Hauptursache für Wasserverschwendung. In der EU schwankt die geschätzte Leckagerate [Leckage ist das Verdunsten oder Aussickern aufgrund einer undichten Stelle, Anm. des Übers.] in den Mitgliedsstaaten zwischen 7 und 50 Prozent. In den Vereinigten Staaten wird etwa ein Siebtel des behandelten Wassers aufgrund von Leckagen verschwendet. Die notwendigen Modernisierungen des bestehenden Wassersystems würden nach Angaben der American Water Works Association eine Investition von 1 Billion Dollar über 25 Jahre erfordern. Im Rahmen der sozialistischen Planung würden Investitionen in eine solche Infrastruktur ebenso Priorität haben wie die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen für alle.
Als revolutionäre Sozialisten bemühen wir uns, die Dynamik zu verstehen, die den sozialen Wandel vorantreibt. Ausgerüstet damit werden wir zu Trägern des sozialen Wandels. Der Kapitalismus hat die Arbeiterklasse hervorgebracht. Die Arbeiterklasse ist die Kraft, die zu den Totengräbern des Kapitalismus werden kann und eine Gesellschaftsordnung einführen kann, die frei von Elend, Ausbeutung und Unterdrückung ist. Die Zerstörung der natürlichen Welt unter dem Kapitalismus bedroht, wenn nicht die Existenz der Menschheit an sich, so doch zumindest die materielle Grundlage für eine zivilisierte Gesellschaft. In den letzten Jahren wurden Millionen Menschen auf der ganzen Welt, insbesondere Jugendliche, durch die Dringlichkeit der Situation auf die Straße getrieben. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir unser Verständnis für die sich abspielende Umweltkatastrophe, mit der die Menschheit konfrontiert ist, vertiefen. Viele der damit verbundenen Prozesse sind sehr komplex. Die Umweltveränderungen werden immer schneller, und im gleichen Tempo nehmen auch die Erkenntnisse darüber zu. Je mehr wir wissen, desto besser werden wir argumentieren können, dass der erforderliche Systemwandel die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft ist. Der Sozialismus ist objektiv das einzige System, das eine Chance hat, eine lebenswerte Welt für künftige Generationen zu erhalten.