Keine Zeit zu verlieren: Wie halten wir die extreme Rechte auf?

Von Elan Axelbank, Socialist Alternative, USA

Die politische Polarisierung, die in den USA im letzten Jahrzehnt stattgefunden hat, vertieft sich weiter. Unterm Strich hat sich die Mehrheit der Gesellschaft nach links bewegt – ein Beispiel dafür ist die „Black Lives Matter“-Bewegung (BLM), die in diesem Sommer zur größten Bewegung in der Geschichte dieses Landes wurde, und die damit einhergehende deutliche Steigerung des Bewusstseins gegen Rassismus. Es zeigt sich aber auch in der mehrheitlichen Unterstützung für Medicare for All [Gesundheitsversorgung für alle, A.d.Ü] und der höchsten Unterstützung für Gewerkschaften seit Jahrzehnten.

Die Polarisierung bedeutet jedoch auch, dass in einem Teil der Gesellschaft reaktionäre Ideen verwurzelt werden, wobei ein sehr viel kleinerer, aber wachsender Teil sich in Richtung der extremen Rechten bewegt. Die extrem Rechte in den USA ist stärker, sichtbarer und selbstbewusster als in den letzten Jahrzehnten. Wenn keine linke Alternative aufgebaut wird, ist die extreme Rechte bereit, noch stärker zu wachsen, während das System tiefer in die Krise stürzt. Die entscheidende Frage ist, wie wir das verhindern können.

Was uns hierher gebracht hat: Trump, Grund und Ergebnis zugleich

Man muss nicht Raketenwissenschaftler sein, um zu bemerken, dass Trumps häufige Verwendung von rassistischer Rhetorik und seine allgemeine Weigerung rechte Gewalt zu verurteilen gefährliche weiße Nationalisten und rechten Gruppierungen ermutigt und geschützt hat. Aber alles fing viel früher an. Die Grundlage für die rechten und extrem rechten Ideen ist nicht durch Trumps Wahl 2016 entstanden. Schon während der Obama/ Biden Regierung, und davor, brodelte unter der Oberfläche eine Mischung aus verschiedenen Problemen, die ausführlich betrachtet werden muss, um zu verstehen was uns hierher gebracht hat.

Trotz ihrer fortschrittlichen Präsentation von „Hoffnung und Aufbruch“, regierten Obama und Biden acht Jahre im Sinne der Unternehmen. Der Aufschwung unter ihrer Regierung, der nach 2008 einsetzte fand nur für die Superreichen und Konzerne statt, während die breite, arbeitende Masse ärmer wurde und sich immer mehr verschuldete. Die Rettung der großen Banken, während viele Leute zwangsvollstreckt wurden, war das Schlüsselereignis, das die Tea Party hervorgebracht hat. Die schamlose Fortsetzung des Kriegs im Nahen Osten – getarnt als Kampf gegen Terrorismus – hat zu einer wachsenden Islamfeindlichkeit geführt. Die Ausweitung der Abschiebungen, mehr als jemals unter einem anderen Präsidenten in der Geschichte, hat geholfen rassistische Ideen zu festigen, was der rassistischen Rechten eine Bestätigung und neue Räume gegeben hat um Mitglieder zu gewinnen.

Es war konkret das Versagen der demokratischen Partei auf die Bedürfnisse der Arbeiter und Mittelschicht einzugehen, das Trump die Möglichkeit gab Millionen Wähler, deren Lebensstandard seit Jahren gesunken war, populistisch anzusprechen. Mit zynischen Appellen an den Nationalstolz, mit Einwanderern als Sündenböcken, eklatantem Rassismus und dem Versprechen, in Washington den „Sumpf trockenzulegen“, griff er die Wut auf ein korruptes, abgehobenes politisches Establishment auf. Natürlich gab es einen Kandidaten 2016, Bernie Sanders, der Trump die Stirn hätte bieten können, mit einer linken Kampagne gegen das Establishment, und der Forderung nach der Einheit der Arbeiterklasse, der alle Rufe nach Rassismus und Sexismus zurückwies. Aber, dadurch dass sie alles in ihrer Macht stehende taten, um ihn in den Vorwahlen zu stoppen, zeigte das DNC, dass sie lieber 4 Jahre Trump wollten, als 4 Jahre Bernie – ein Wunsch der sich, zum Leidwesen von allen übrigen, leider erfüllt hat.

Einmal im Amt, hat Trump das Anwachsen der Rechten beschleunigt. Nach den „Vereint die Rechte“-Protesten in Charlottesville (Virgina) im August 2017, und dem brutalen Mord an einem Gegenprotestanten durch selbst ernannte Neo-Nazis, sagte Trump, dass es auf beiden Seiten „gute Menschen“ gäbe. Eine Website für weiße Nationalisten beschrieb Trump als „wirklich, wirklich, gut“. Erst vor kurzem weigerte sich Trump den Mord an 2 BLM-Demonstrant*innen in Kenosha, Wisconsin durch den 17 jährigen weißen Rassisten Kyle Rittenhouse zu verurteilen. Erstaunlicherweise erklärte Donald Trump Junior, der ein enger Berater seines Vaters ist, „wir alle machen mit 17 dumme Sachen.“

In Städten im ganzen Land begleiten schwer bewaffnete Milizen der weißen Nationalisten, in selbst entworfenen Uniformen, BLM und Anti-Masken-Demos. Trump hat eine Legende entworfen, dass diese rechtsgerichteten Bürgerwehrler auf den von der „radikalen Linken“ und der Antifa verursachten Terror reagieren und seine Botschaft der Kampagne „Recht und Ordnung“ unterstützen.. Und jetzt bringt Trump sich in Position, um die Wahlergebnisse als illegitim und manipuliert anzufechten falls er verliert; er deutet sogar an, dass er sich weigern könnte das Weiße Haus zu verlassen.

All das, und sogar noch mehr, lässt viele Millionen Menschen sich angstvoll fragen: Was passiert in diesem Land? Werden wir grade Zeuge davon, wie wir in den Faschismus gehen, so wie Deutschland im dem 30ern? Wie können wir verhindern, dass die extreme Rechte weiter wächst?

Was ist Faschismus und wie war Deutschland in den 30ern?

Die Definition von Faschismus in den Medien und dem Bewusstsein der Menschen variiert stark. Oft nimmt sie die Gestalt amateurhafter Diagnosen über den Geisteszustand von Führern an. Manchmal benutzen Leute das Wort „Faschismus“ auch um konservative Politiker zu verunglimpfen, die sie nicht mögen, wie zum Beispiel die Mode in den frühen 00er-Jahren George W. Bush einen Faschisten zu nennen. Jetzt fragen sich viele, ob Bush Biden unterstützen wird! Aber bei einem Präsidenten, der sich weigert die Gewalt weißer Nationalisten zu verurteilen und behauptet, dass die Wahl nur dann legitim sein wird, wenn er der Sieger ist, wird eine ernsthafte Diskussion über das Wesen des Faschismus und ein Blick auf die historische Situation in Deutschland in den 30er Jahren notwendig.

Deutschland hatte eine mächtige Arbeiterbewegung und zwei politische Massenparteien der Arbeiter*innenklasse: Die Sozialdemokraten (SPD) und die Kommunisten (KPD). Nach dem Ersten Weltkrieg hatte es eine revolutionäre Bewegung durch die Arbeiterklasse gegeben, die von der russischen Revolution inspiriert war. Diese scheiterte jedoch tragischerweise. Die massive Weltwirtschaftskrise, die 1929 begann, verschärfte sich und führte zu Massenarbeitslosigkeit.

Aus Furcht, dass es der Arbeiter*innenklasse diesmal gelingen würde den Kapitalismus zu stürzen, wandten sich Teile der herrschenden Klasse an Hitlers Nazis und begannen sie zu finanzieren. Die Nazis waren während des größten Teils der 20er Jahre eine sehr schwache Partei, aber durch das Versagen der Sozialisten und Kommunisten einen klaren Weg aus der Krise aufzuzeigen, wandten sich verzweifelte Teile der verarmten Mittelschicht und Arbeitslose an die Nazis. 

Der Faschismus in Deutschland wurde zu einer rasch wachsenden Massenbewegung, die auf der Wut über die sich verschlechternden Lebensumstände und der Projezierung der Schuld daran auf Minderheiten beruhte. Die Nazis verübten Anschläge auf linke Proteste, Streiks, gewerkschaftliche und sozialistische Treffen, sowie auf Minderheiten. Die Zahl der Großunternehmer und anderer Teile der deutschen herrschenden Klasse, die die Nazi-Partei finanzierten und unterstützten, nahm dramatisch zu, da sie sie als den zuverlässigsten Weg betrachteten, die Bedrohung durch eine Revolution zu stoppen.

Aber selbst in dieser Phase hätten die Kommunist*innen und Sozialist*innen mit ihren Millionen Anhänger*innen und sogar bewaffneten Verbänden damit beginnen können, die Faschisten von den Straßen zu jagen, wenn sie sich in einer entschlossenen Aktion zusammengetan hätten. Aber umd diese Bedrohung wirklich zu besiegen, hätte man gegen das kranke kapitalistische System, das den Faschismus hervorgebracht hat, in die Offensive gehen müssen, mit einem Programm gegen  Arbeitslosigkeit und Armut. Im Gegensatz dazu handelten in Großbritannien Sozialist*innen, Gewerkschafter*innen und jüdische Arbeiter*innen 1936 entschlossen in der Schlacht an der Cable Street im Londoner East End, um die noch kleine faschistische Bewegung des Landes einzudämmen. Ein entschlossenes Vorgehen trug schon früh dazu bei, dass sich die extreme Rechte in Großbritannien nie zu einer echten Massenbewegung wie in Deutschland oder Italien entwickeln konnte.

Das historische Versagen der Führung der Linken in Deutschland zu dieser Zeit- insbesondere der KPD – entschlossen zu handeln, öffnete den Nazis die Tür zur Machtübernahme, obwohl sie nicht einmal die Mehrheit der Stimmen erhielten. Sobald die Nazis im Amt waren zerschlugen sie rasch die Gewerkschaften und die linken Parteien. Dies ist genau die Rolle, die der Faschismus historisch gesehen gespielt hat: eine soziale Massenbewegung, die von der herrschenden Klasse benutzt wird, wenn ihr System ernsthaft bedroht ist, um die Arbeiter*innenbewegung und die Organisationen der Arbeiter*innenklasse zu zerschlagen und das Überleben des Kapitalismus zu sichern.

Werden die USA zu einem Deutschland der 1930er Jahre?

Einige Parallelen zu dieser Situation sind heute in den USA zu finden. Wir befinden uns im Frühstadium einer tiefen Weltwirtschaftskrise, sicherlich der schlimmsten seit der Großen Depression – mit dem Potenzial, sie sogar noch zu übertreffen. Es gibt eine extreme politische Polarisierung mit immer weniger Menschen, die mit dem Status quo zufrieden sind. Ein wachsender Teil der Arbeiter*innenklasse und der Jugend wendet sich linken und sozialistischen Ideen zu, während ein Teil der weißen Mittelschicht und der Arbeiter*innenklasse weiter nach rechts gezogen wird, wofür ein Beispiel die wachsende Beliebtheit der rechtsextremen QAnon-Verschwörungstheorie ist.

Das Southern Poverty Law Center berichtet, dass die Zahl der weiß-nationalistischen Gruppen in den USA von 100 im Jahr 2017 um 55% auf 155 im Jahr 2019 gestiegen ist, was mit einem Anstieg der Gewalt durch weiße Nationalisten einhergeht. Im Jahr 2018 sprengte ein selbsternannter Neonazi die jüdische Synagoge Tree of Life in Pittsburgh in die Luft, wobei 11 Menschen starben und weitere verletzt wurden. Im Jahr 2019 erschoss ein anderer Neonazi 46 Menschen in einem Walmart in einem Latino-Viertel in El Paso, Texas, und tötete 23 Menschen. Bewaffnete rechte Milizen sind im ganzen Land bei Dutzenden Black Lives Matter-Protesten aufgetaucht. In Michigan, zu Beginn der Welle der Anti-Lockdown-Proteste, hielt eine bewaffnete Miliz vor einem Friseurladen Wache, um die Polizei daran zu hindern, den Lockdown durchzusetzen und den Laden zu schließen. Es gab auch ein verrücktes, reiches und rassistisches Ehepaar aus St. Louis, das sein Haus mit Sturmgewehren „verteidigte“, während ein BLM-Protestmarsch stattfand. Kurz darauf wurden sie als Redner zum Nationalkongress der Republikaner eingeladen. Es ist auch deutlich geworden, dass die extreme Rechte viele Polizeikräfte im ganzen Land infiltriert hat.

Dies alles sind äußerst gefährliche Entwicklungen, die auf darauf hindeuten, dass grundlegendere Prozesse vorangehen. Aber es gibt auch wichtige Unterschiede der heutigen Situation zum Vorfeld faschistischer Übernahmen in der Vergangenheit.

Historisch gesehen ist der Faschismus nur mit dem Segen eines breiten Teils der herrschenden Klasse als letztes Mittel entstanden. Die Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden sozialistischen Revolution besteht heute in den USA oder anderen großen kapitalistischen Ländern nicht, obwohl sich dies in den kommenden Jahren im Zusammenhang mit der sich vertiefenden wirtschaftlichen und sozialen Krise des Kapitalismus ändern kann. Die große Mehrheit der herrschenden Klasse ist der Ansicht, dass die Situation immer noch durch reguläre „demokratische“ Normen zu retten ist, die der herrschenden Klasse der USA bis zu diesem Zeitpunkt außerordentlich gut gedient haben.

Die extreme Rechte ist heute in den USA weit entfernt von der zwei Millionen starken, hoch organisierten Nazi-Partei – oder sogar vom Ku-Klux-Klan in seiner Blütezeit Anfang der 1920er Jahre mit einer geschätzten Mitgliederzahl von drei bis sechs Millionen im Jahr 1924, als die Gesamtbevölkerung der USA 124 Millionen betrug. Damit soll nicht die Bedrohung heruntergespielt werden, die selbst die – historisch gesehen kleinen – Kräfte der extremen Rechten heute darstellen, sondern es soll gesagt werden, dass es jetzt an der Zeit ist, eine Massenbewegung der Arbeiter*innenklasse aufzubauen, die die extreme Rechte zurückdrängt, bevor sie zu einer noch größeren Kraft heranwachsen kann. 

Die Bilanz der Demokraten im Kampf gegen Trump und die Rechte

Am Morgen nach Trumps Wahlsieg veröffentlichte Socialist Alternative [die Schwesterorganisation der SAV in den USA] eine Erklärung, in der analysiert wurde, wie Trumps Sieg möglich geworden war und was notwendig sei, um eine effektive Widerstandsbewegung aufzubauen. Unter anderem schrieben wir: „Wir müssen heute damit beginnen eine echte politische Alternative für die 99% aufzubauen, gegen die beiden korporativ dominierten Parteien und die Rechte, damit wir 2020 nicht noch einmal durch diese Katastrophe gehen müssen.“

Leider ist eine echte linke Alternative zu den Demokraten nicht aufgebaut worden. Die Schuld dafür liegt nicht zuletzt bei Bernie Sanders, der sich 2016 und auch 2020 weigerte, sich von der unternehmerfreundlichen Führung der Demokratischen Partei zu lösen, trotz ihrer unerbittlichen Bemühungen seine beiden Kampagnen zu blockieren. Die Notwendigkeit einer neuen Partei zur Linken der Demokraten zeigt sich darin, dass es den Demokraten völlig misslang Trump vor der Wahl zu stoppen, sich seiner Agenda nach seiner Amtsübernahme effektiv zu widersetzen oder das Entstehen einer ernsten Bedrohung der extremen Rechten zu verhindern.

Nach der Gewalt in Charlottesville riefen ermutigte rechtsextreme Organisationen über 60 Kundgebungen in Dutzenden von Bundesstaaten ein. Doch nachdem 40.000 Menschen gegen eine Kundgebung der extremen Rechten in Boston Gegenprotest veranstalteten, wurde die überwältigende Mehrheit dieser Kundgebungen abgesagt. Natürlich war dieser vorübergehende Sieg in Massachusetts gegen die Rechten nicht den Demokraten zu verdanken. In Wahrheit forderte der Bürgermeister von Boston, Marty Walsh, ein Demokrat, am Tag vor dieser Massendemonstration die Menschen auf, sich von der Kundgebung fernzuhalten. Aber Feigheit hat die extreme Rechte noch nie besiegt.

Anstatt in den letzten vier Jahren einen wirklichen Kampf gegen Trumps Angriffe zu führen, haben sich die Demokraten stattdessen mit dem „Russiagate“ und einem völlig einfallslosen Amtsenthebungsverfahren beschäftigt. Sie waren völlig unfähig, Ende 2018/Anfang 2019 Trumps Shutdown wegen der Grenzmauer zu beenden. Das Ende wurde erst durch mutige Aktionen von TSA-Mitarbeiter*innen und Fluglots*innen am Arbeitsplatz und durch die Drohung eines Massenstreiks der Flugbegleiter*innen erreicht.

Tatsächlich haben alle Fälle, in denen Trump oder die extreme Rechte am entschiedensten zurückgedrängt wurden, eine eklatante Gemeinsamkeit: Die Demokraten waren nirgendwo zu finden, und die siegreiche Strategie war die Massenaktion der Arbeiterklasse und der Jugend.

Biden vs. Trump: Implikationen für die extreme Rechte

Zehnmillionen von fortschrittlich gesinnten Menschen haben zu Recht Angst vor weiteren vier Jahren Trump und sind bereit alles zu tun, um ihn loszuwerden. Was liefern die Demokraten als Antwort auf diese Verzweiflung? So ziemlich den riskantesten und uninspirierendsten Kandidaten, den man sich vorstellen kann, um gegen Trump anzutreten: Joe Biden. Das entspricht ganz und gar ihrem Vorgehen während der letzten vier Jahre.

Obwohl Trump offensichtlich ein Alptraum ist, müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass der „Trumpismus“ nicht auf magische Weise verschwinden wird, wenn Trump gezwungen wird, das Oval Office zu verlassen. Trumpismus und das Wachstum der Rechten ist ein Symptom für ein zerfallendes System in der Krise, aus dem die Massen keinen Ausweg mehr sehen.

Bidens (fehlender) Elan das Elend der Werktätigen zu lösen, lässt sich mit seinem berühmten Ausspruch zusammenfassen, dass, wenn er zum Präsidenten gewählt wird, „sich nichts grundlegend ändern wird!“. Aber das bedeutet nicht, dass eine Biden-Präsidentschaft auch nur annähernd „Stabilität“ oder eine „Rückkehr zur Normalität“ bringen wird. Die Krisen durch COVID-19 – die durch den Alptraum der privaten Gesundheitsfürsorge, den Biden sich weigert zu thematisieren, um das Zehnfache verschärft wurden – die wirtschaftliche Depression, der systemische Rassismus, der Klimawandel und die daraus resultierenden sozialen Unruhen, werden weiterbestehen und eskalieren. Die unternehmerfreundliche Herrschaft einer Biden-Präsidentschaft wird die Flamme der kapitalistischen Krise und das Wachstum der extremen Rechten immer noch weiter anfachen und den Weg für mehr Trumps und schlimmere Trumps in den kommenden Jahren ebnen.

Wie wir das verhindern können? Massenaktionen der Arbeiterklasse, der Wiederaufbau einer kämpferischen Arbeiterbewegung, eine linke Alternative zu den Demokraten in Form einer Partei der Arbeiterklasse – und schließlich die Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus als einzige dauerhafte Lösung.

Die Strategie der Socialist Alternative

Jede Strategie gegen die extremen Rechten muss kurzfristige Taktiken zur gemeinschaftlichen Selbstverteidigung beinhalten. In Situationen anhaltender Proteste, wie wir sie diesen Sommer in Minneapolis, Portland oder Kenosha erlebt haben, sollte der Ausgangspunkt demokratisch geführte Treffen in Arbeiter*innenvierteln, insbesondere in Schwarzen Nachbarschaften, sein, um über Selbstverteidigung zu diskutieren. Dies sollte im Gegensatz zu den „militanten“ Aktionen von isolierten Anarchist*innenen und anderen, die der Arbeiter*innenklasse gegenüber nicht rechenschaftspflichtig sind, stehen.

Wie wir in diesem Sommer in zahllosen Beispielen gesehen haben, kann man sich nicht auf die Polizei oder die Nationalgarde verlassen, um rechte Gewalt zu stoppen. In einigen Fällen wie Kenosha gab die Polizei schwer bewaffneten rechtsextremen Milizionären wie Kyle Rittenhouse sogar einen Passierschein und ermutigte ihn offen. Anstatt sich auf staatliche Kräfte zu verlassen, um uns vor der extremen Rechten schützen, sollten bei Nachbarschaftsversammlungen Gruppen von Ordner*innen gewählt werden, die die Proteste patrouillieren und die Sicherheit aufrechterhalten. Historisch gesehen hat die Arbeiter*innenbewegung bei solchen Aktivitäten eine Schlüsselrolle gespielt, und Gewerkschaften sollten heute dieses Erbe wieder aufleben lassen. Im Falle einer angefochtenen Wahl mit größeren Protesten ist rechte Gewalt möglich, und diese Art von Taktik könnte wichtig sein.

Aber während gut organisierte Selbstverteidigung entscheidend ist, ist die Arbeiter*innenklasse, die die Initiative ergreift, der Schlüssel zum Zurückdrängen der extremen Rechten. Zum Beispiel während des Höhepunkts der Rebellion in Minneapolis oder der Straßenkämpfe in Portland hätte ein eintägiger Generalstreik aller Arbeiter*innen in der Stadt die staatlichen Kräfte und die Rechtsextremen weitaus entschiedener zurückgedrängt und tatsächliche Forderungen für die Bewegung gewonnen, wenn sie klar formuliert gewesen wären. Wenn die Arbeiter*innenklasse wirklich ihre Muskeln spielen lässt, kann viel erreicht werden.

Wie wir in Boston nach Charlottesville gesehen haben, kann die extreme Rechte, wenn sie auf massiven und entschlossenen Widerstand stößt, eine ganze Zeit lang zurückgedrängt werden. Längerfristig ist jedoch dringend eine echte Strategie erforderlich, um den Problemen ein Ende zu setzen, die das Wachstum der extremen Rechten überhaupt erst möglich gemacht haben. Es ist verhängnisvoll, sich darauf zu beschränken, nur Anti-Trump oder gegen die Rechtsextremen zu sein, wie es die meisten etablierten Demokraten tun. 

Ob es nun Donald Trump oder Joe Biden ist, der im Weißen Haus sitzt: Wir brauchen ein offensives Programm, das die größtmöglichen Schichten der Arbeiterklasse gegen die Rechten und für etwas Besseres vereinen kann. Das bedeutet, dass unsere Bewegungen ein Kampfprogramm braucht mit „Medicare for All“ [Gesundheitsversorgung für alle], der Polizei mindestens 50% der Mittel kürzen, um dringend benötigte soziale Dienste zu finanzieren, die Reichen besteuern, um das öffentliche Bildungswesen vollständig zu finanzieren, alle Student*innenschulden streichen, bis 2030 100% erneuerbare Energien einsetzen, indem die führenden Energie- und Produktionsunternehmen in demokratisches öffentliches Eigentum überführt werden, und vieles mehr. Aber wir dürfen uns keine Hoffnung machen, dass eine Bewegung wie diese durch die von den Unternehmen kontrollierte Demokratische Partei erfolgreich aufgebaut werden kann. Ihre kapitalistischen Geldgeber werden dies niemals zulassen. 

Das bedeutet, dass unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt, eine der dringendsten Aufgaben für unsere Bewegung darin besteht, eine neue Partei aufzubauen, die sich an den Interessen der arbeitenden Menschen und nicht an denen der Konzerne orientiert. Eine Partei der Arbeiter*innenklasse wird unendlich viel effektiver als die Demokraten sein, wenn es darum geht, tatsächliche Siege für die Arbeiter und den Planeten zu erringen und die extreme Rechte abzuwehren. Es heißt die beste Verteidigung ist ein guter Angriff. Eine solche Partei wäre, wenn sie tatsächlich effektiv Siege erringen könnte, in der Lage, einen Teil von Trumps Anhängern zu gewinnen, der ideologisch weniger verhärtet ist, aber einfach etwas anderes will und in Ermangelung von etwas Besserem auf Trumps rechte populistische Rhetorik hereingefallen ist. Die Demokraten sind völlig unfähig, einen nennenswerten Teil der Basis von Trump abzuspalten.

Eine neue Partei, die sich auf die multiethnische, viel-geschlechtliche Arbeiter*innenklasse und Jugend konzentriert und in sozialen Bewegungen verwurzelt ist, kann dazu benutzt werden, Siege für die Arbeiter*innenklasse zu erringen, rückschrittliche Veränderungen des Establishments zu verhindern und sich gegen die extreme Rechte zu organisieren. Aber an einem bestimmten Punkt wird das, wofür eine Partei der Arbeiter*innenklasse kämpft, an die Grenzen des Kapitalismus stoßen, wo eine winzige, unergründlich reiche Minderheit alles kontrolliert.

Die deutsche Revolutionärin Rosa Luxemburg hat mitten im Ersten Weltkrieg, dem damals blutigsten Konflikt der Menschheitsgeschichte, bekanntlich gesagt, dass die Gesellschaft am Scheideweg von „Sozialismus oder der Barbarei“ stehe. Etwas mehr als 100 Jahre später, von apokalyptischen Szenen der Waldbrände an der Westküste bis hin zur Weigerung des US-Präsidenten, den weißen nationalistischen Terror zu verurteilen oder zu versprechen, die Wahlergebnisse zu akzeptieren, wenn er die Wahl verliert, klingt diese Warnung wahrer denn je. Neben den anderen sozialen und wirtschaftlichen Problemen, mit denen wir konfrontiert sind, ist es der Kapitalismus, der die extreme Rechte hervorbringt. Die einzige langfristige Lösung besteht darin, dieses wahnsinnige System ein für allemal zu beenden.