Wir dokumentieren das Flugblatt der ver.di-Betriebsgruppe bei Lufthansa Technik in Hamburg, in dem vom Arbeitgeber gefordert wird, keine Sanktionen gegen Kolleg*innen zu verhängen, die sich weigern, das Flugzeug des Weißrussischen Diktator Lukaschenko zu warten. Die Kolleg*innen erklären stattdessen ihre Solidarität mit den Protesten in Weißrussland und fordern das uneingeschränkte Recht zu streiken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute, am 13.10.2020, landete die Boeing 737 mit der Kennung EW-001PA am Flughafen Fuhlsbüttel. Ziel der Reise sind wir, die Lufthansa Technik. Hier soll der Flieger nun gewartet werden. Es ist das Flugzeug von Lukaschenko der zur selben Zeit in Belarus auf Demonstranten schießen lässt. Auch wenn wir aufgrund der wirtschaftlichen Krise selber in zähen Verhandlungen stecken und für euch kämpfen, vergessen wir nicht unsere lange Tradition von internationaler Solidarität und stehen Seite an Seite mit den belarussichen Arbeiter*innen.
Viele von Euch werden über die aktuelle Lage in Belarus aus den Medien bereits informiert sein. Wir als Gewerkschaft möchten Euch in erster Linie die Situation der Beschäftigten beschreiben.
Die Arbeitnehmer*innen in Belarus werden systematisch in ihren Rechten eingeschränkt. Regelmäßig werden Gewerkschafter*innen und andere Opositionelle inhaftiert und anschließend Demütigungen und Gewalt ausgesetzt. Die Beschäftigten haben größtenteils befristete Verträge, die sie selber nicht kündigen können. Ihnen kann allerdings jederzeit durch den Arbeitgeber gekündigt werden. Sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung, als auch das Recht sich in unabhängigen Gewerkschaften zu organisieren, sowie das Streikrecht sind stark eingeschränkt bzw. in der Praxis quasi nicht vorhanden.
Nach den Präsidentschaftswahlen im August, bei denen massiver Wahlbetrug nachgewiesen wurde, gab es Massenproteste und Streiks beispielloser Größe. Teil dieser andauernden Proteste ist unsere Schwestergewerkschaft “belarussischer Kongress demokratischer Gewerschaften” (БКДП). Seit Beginn der Proteste ist die Brutalität der Polizei gegen friedliche Teilnehmer*innen rapide gestiegen. Als die Anzahl von verwundeten und brutal verstümmelten Menschen in den Krankenhäusern anstieg, hat schockiertes medizinisches Personal kollektive Aktionen organisiert, um gegen die Gewalt zu protestieren. Arbeiter*innen in großen staatlichen Unternehmen und Fabriken in den Bereichen Chemie, Transport, Lebensmittelherstellung und Bau haben kollektive Maßnahmen eingeleitet und Streikkomitees gebildet. Da das Regime organisierte Proteste unterdrückt und die Anführer*innen der demokratischen Proteste unter Druck setzt und bestraft, sind Koordinatoren und Mitglieder von Streikkomitees Repressionen, Entlassungen und Inhaftierungen ausgesetzt. Diese Zustände sind absolut inakzeptabel!
Vor fast 31 Jahren hatten wir eine sehr ähnliche Situation. Rumäniens Staatsoberhaupt Ceausescu ließ Proteste von Arbeiter*innen niederschlagenwährend wir sein Flugzeug reparieren sollten. Gemeinsam legten wir damals die Schraubenschlüssel nieder, um gegen dieses Vorgehen zu protestieren. Damals wie heute, erwarten wir von der Lufthansa Technik Geschäftsleitung, jegliche Sanktionen zu unterlassen, falls Kolleginnen und Kollegen sich weigern an dem entsprechenden Flugzeug zu arbeiten! Doch vor allem haben wir Forderungen an die belarussische Regierung!
Wir fordern das sofortige Ende der gewalttätigen Niederschlagung von oppositionellen Protesten!
Wir fordern ein uneigeschränktes Recht zu streiken!
Wir fordern, dass alle Beschäftigten sich frei in unabhängigen Gewerkschaften organisieren können!
Wir fordern den Rücktritt Lukaschenkos und echte demokratische Wahlen!
Wir fordern die Freilassung aller politischen Gefangen sowie die sofortige Wiedereinstellung der Kolleginnen und Kollegen die ihre Jobs verloren haben!