Vor dreißig Jahren beendete Margaret Thatcher mit Tränen in den Augen ihre elfjährige Regentschaft als Premierministerin von Großbritannien. Als Pionierin des Neoliberalismus kämpfte sie für die Interessen ihrer Klasse – der Reichen, während die Arbeiterklasse sie so sehr zu hassen begann, dass viele ihren Tod feierten.
von Mike Forster (Socialist Alternative, Schwesterorganisation der SAV und Sektion der ISA in England, Wales und Schottland)
Am 28. November 1990, vor 30 Jahren, erklärte Margaret Thatcher unter Tränen ihren Rücktritt als Vorsitzende der Tory-Partei und damit auch als Premierministerin des Vereinigten Königreichs, nachdem sie 11 Jahre an der Macht war. Sie wurde dazu durch einen Kabinettsputsch gezwungen und erkannte, dass sie diese Herausforderung der Führung nicht bestehen konnte. Ihr Abgang beendete eine Herrschaftsperiode, die das Gesicht der britischen und auch der internationalen Politik völlig verändert hatte. Der Rücktritt wurde in den Vierteln der Arbeiter*innenklasse gefeiert, die massiv unter ihrer brutalen Politik gelitten hatten. Aber es sollte noch weitere 7 Jahre dauern, bis die Tories endgültig aus dem Amt getrieben wurden. Thatchers Ruf und ihr Vermächtnis haben eine tiefe Narbe in der britischen Gesellschaft hinterlassen, die auch heute noch von nachfolgenden Generationen als einschneidend empfunden wird.
Thatchers arbeiter*innenfeindliche Regierung war ein Nebenprodukt des langsamen, aber stetigen Niedergangs des britischen Kapitalismus seit Anfang des 20. Jahrhunderts, der durch die Nachkriegsrezession der 1970er Jahre beschleunigt wurde. Obwohl Labour von 1972 bis 1979 an der Macht war, war Großbritannien die erste Industrienation der Zeit, die sich den Forderungen des Internationalen Währungsfonds beugte und die öffentlichen Ausgaben kürzte, Lohnzurückhaltung einführte und die Macht der Gewerkschaften beschnitt.
Der Angriff auf die Arbeitsplätze und den öffentlichen Sektor führte zu den berüchtigten “Dirty Jobs”-Streiks von 1978. Dabei organisierten einige der am schlechtesten bezahlten Arbeiter*innen (darunter das medizinische Personal, Totengräber*innen und Vorarbeiter*innen) lang anhaltende und koordinierte Streikaktionen gegen die gewerkschaftsfeindliche Politik der Callaghan-Labour-Regierung. Dies führte dazu, dass viele Arbeiter*innen das Vertrauen in die Labour-Partei verloren. Das wiederum erlaubte den Tories, die Wahl von 1979 knapp zu gewinnen und die erste weibliche Premierministerin Großbritanniens an die Macht zu bringen.
Thatcher – Wegbereiterin des Neoliberalismus
Es gibt viele Mythen um Thatchers Amtszeit. Eine davon war, dass sie große öffentliche Unterstützung genoss. Aber innerhalb eines Jahres war sie bereits die unpopulärste Premierministerin der britischen Geschichte. Sie war verantwortlich für die wachsende Arbeitslosigkeit, die bis 1984 von 1,5 Millionen auf 3,5 Millionen anstieg. Thatcher behauptete, die Inflation zähmen zu können, wenngleich sie bei ihrem Amtsantritt bei über 20 % lag, schwankte sie während ihrer Regierungszeit meistens zwischen 5 und 10 %.
Die Gewerkschaftsbewegung veranstaltete Massenproteste gegen sie, an denen Hunderttausende teilnahmen, und die Labour Party rief zu Demonstrationen in Liverpool, Glasgow, Cardiff und London auf, die etwa 1 Million Menschen auf die Straße brachten. Eine Stimmung des Widerstands und des Trotzes hing in der Luft. In Bristol, London und Liverpool kam es zu Unruhen wegen der exzessiven rassistischen Polizeipräsenz und zur Entstehung von Arbeitslosenzentren in den verödeten Innenstädten.
Thatchers innerer Zirkel, der damals die Interessen der herrschenden Elite Großbritanniens widerspiegelte, hatte einen wirtschaftlichen Kurswechsel vollzogen und die Konsenspolitik zugunsten harter monetaristischer Doktrinen, den Vorläufern des heutigen Neoliberalismus, aufgegeben. Sie befürworteten die Schrumpfung des öffentlichen Sektors und die Demontage der Schwerindustrie zugunsten der Finanzmärkte.
Dieser Ansatz widersprach der gesamten Geschichte des britischen Kapitalismus, der durch die Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes und der Industrie zu einer großen Weltmacht geworden war. Als Thatcher an die Macht kam, machte das verarbeitende Gewerbe 40 % des britischen BIP aus, was im Rest des Jahrzehnts dramatisch zurückging und bis zum heutigen Tag weniger als 10 % des BIP ausmacht.
Die öffentlichen Ausgaben fielen von 44% des BIP auf nur noch 39%, als sie ihr Amt verließ. Stattdessen befürworteten die Tories Steuersenkungen und eine erzwungene Abhängigkeit von den Finanzmärkten. Sie hoben die Devisenkontrollen für die britische Währung auf und ausländisches Kapital begann in die Londoner City zu strömen. Thatcher vollendete diese Revolution, als die Londoner Börse 1986 dereguliert wurde und sich so zu einem der größten Finanzzentren der Welt für Spekulation und Profitmacherei entwickeln konnte.
Während der “Big Bang” in der City eine riesige Illusion von Wohlstand schuf, ebnete er in Wirklichkeit den Weg für den Finanzcrash von 2007 bis 2009. Die Märkte wurden durch Schulden und Spekulationen massiv aufgebläht. Marxisten warnten damals, sie säe die Saat für eine große Katastrophe. Obwohl es einige Zeit dauerte, bis sich dies durchsetzte, hat der Crash von 2007-09 und die heutige tiefe Rezession ihre Wurzeln in Thatchers monetaristischem Experiment.
Diese “Get Rich”-Mentalität wurde von Thatcher gefördert, auch wenn sie eindeutig auf Kosten der ärmsten Schichten der Gesellschaft ging. Thatcher verfolgte eine brutale und herzlose Ideologie. Sie behauptete: „So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht“. Diese Ideen haben sich als leerer und hohler Unsinn erwiesen, als die Menschheit mit der Covid-Pandemie konfrontiert wurde und als die Arbeiter*innenklasse Solidarität und gegenseitige Kooperation zeigen musste.
Thatchers Politik verwüstete die Viertel der Arbeiter*innenklasse. Noch 1982 war Thatcher auf dem Weg in ein Wahldesaster. Die Geschichte gab ihr jedoch eine Gelegenheit die nationalistische Karte zu ziehen, als Argentinien im selben Jahr auf den Falkland-Inseln einmarschierte.
Thatcher ging ein hohes Risiko ein und entschied sich, eine Kriegsarmada zu entsenden, um angeblich das Volk der Falklandinseln von dem Militärdiktator, Präsident Galtieri, zu “befreien”. Es war ein Konflikt, den sie beinahe verloren hätte, aber Galtieris junge Wehrpflichtigenarmee war der überlegenen britischen Luftwaffe nicht gewachsen, allerdings erst, nachdem Thatcher die berüchtigte Versenkung des argentinischen Kriegsschiffs Belgrano befohlen hatte. Es wurde beim Rückzug versenkt und kostete über 700 Menschenleben.
Thatchers Zukunft war untrennbar mit einem militärischen Sieg verbunden, und sie betrachtete die brutale Versenkung der Belgrano als notwendigen Kollateralschaden. Die Kapitulation der argentinischen Truppen brachte Thatcher den Titel der “Eisernen Lady” ein. Bei den Wahlen im folgenden Jahr fegte sie, sich in den Union Jack hüllend, die Labour-Partei und ihren glücklosen Führer Michael Foot beiseite und wurde für eine weitere Amtszeit an die Macht zurückgebracht.
Die Antwort der Labour Party
In den frühen 1980er Jahren hatte die Labour-Partei so etwas wie einen Wandel durchgemacht. Der linke Flügel war auf dem Vormarsch und die Mitgliederzahlen stiegen rapide an. Linke Gewerkschaftsführer*innen und Wahlkreisaktivist*innen setzten durch, dass es keine automatische Wiederwahl der Abgeordneten mehr geben sollte, so dass die Mitglieder kontrollieren konnten, wer ihre Kandidaten sein würden, und eine Vetomöglichkeit gegen das Wahlprogramm, wodurch die Kontrolle über die Entscheidungsfindung der Partei in die Hände des Parteitags gelegt wurde. Die Galionsfigur der Linken, Tony Benn, rief zu einer sozialistischen Labour Party auf und kandidierte als stellvertretender Parteivorsitzender. Er verfehlte diese Position auf dem Parteitag 1981 nur knapp, aber kurz darauf verließen vier rechte Abgeordnete die Labour Party, um eine neue Partei zu gründen (die Sozialdemokratische Partei unter der Führung der Viererbande, wie sie genannt wurde). Dieses kalkulierte Manöver, das darauf abzielte, die Linke zu schwächen, spaltete 1983 auch die Stimmen der Labour-Partei und bescherte Thatcher eine Mehrheit von 144 Sitzen!
Wir haben so einen Verrat auch durch heutige Rechte gesehen, die sich absichtlich zur Wahl gestellt haben, um Corbyn bei der Wahl 2017 in den Rücken zu fallen und eine linksgeführte Labour-Regierung zu verraten. Diese Rechten sollten in die “Hall of Shame” der Labour-Bewegung aufgenommen werden, da sie den Weg für Thatchers Angriff auf Arbeitsplätze, Wohnungsbau, die Gewerkschaften und demokratische Rechte geebnet haben.
Thatcher greift die Gewerkschaften an
Thatcher wollte es mit der Macht der britischen Gewerkschaftsbewegung aufnehmen. Die Tories hatten ihre Demütigung durch die Bergarbeiter*innen in den Jahren 1972 und 1974 nicht vergessen, als zwei aufeinander folgende Streiks die Tories zum Rückzug gezwungen hatten. 1974 rief der damalige Tory-Führer Edward Heath inmitten des Streiks die Parlamentswahlen aus und stellte die Frage: “Wer regiert das Land, die Regierung oder die Bergarbeiter?“ Das Ergebnis war ein Labour-Sieg und die Tories wurden unrühmlich von der Macht vertrieben.
Thatchers berüchtigtes Tory-Kabinettsmitglied, Nicholas Ridley, überlegte, wie die Bergarbeiter*innen in einem weiteren Streik besiegt werden könnten. Sein Geheimplan wurde von Thatcher gebilligt und beinhaltete die Einstellung einer nationalen, streikbrechenden Polizeitruppe, das Anlegen von Kohlevorräten, die Rekrutierung streikbrechender LKW-Fahrer, die Streichung jeglicher Vergünstigungen für Streikende und die Ausstattung der Regierung mit mehr gewerkschaftsfeindlichen Befugnissen. Die Tories provozierten 1984 einen Streik, indem sie mit der Schließung mehrerer Zechen drohten, und der einjährige Streik nahm seinen Lauf. Dies war eine der bittersten Perioden des Klassenkampfes in der britischen Nachkriegsgeschichte. Die herrschende Klasse war darauf aus, die mächtigste Gewerkschaft Großbritanniens, die National Union of Mineworkers, zu zerstören, was Militant, der Vorläufer von Socialist Alternative, damals zu Recht als einen “Bürgerkrieg ohne Kugeln” bezeichnete.
Der Ausgang des Streiks war eine tragische Niederlage für die Bergarbeiter*innen, aber ein Sieg der NUM hätte den Lauf der Geschichte zugunsten unserer Klasse verändert. Umso tragischer, dass es sowohl die Labour- als auch die Gewerkschaftsführer*innen zuließen, dass der britische Staat der Arbeiter*innenklasse diesen schrecklichen Schlag versetzte. Der damalige Labour-Führer Neil Kinnock verurteilte die “Gewalt” der Streikposten und lehnte es ab, ihren Kampf zu unterstützen. Aufrufe zum Generalstreik durch den TUC wurden von seinem Vorsitzenden Norman Willis ebenfalls zurückgewiesen, und die Bergarbeiter*innen wurden mit ihrem Kampf allein gelassen. Trotzdem waren die Bergarbeiter*innen dem Sieg nahe; Thatcher enthüllte später, dass sie nach einem Ausweg gesucht hatte, als der Streik abgebrochen wurde. Eine stolze aber dennoch besiegte Gewerkschaftsmitgliedschaft marschierte ohne eine Einigung zurück zur Arbeit. Thatcher begann sofort die Industrie zu zerstören: Die Belegschaft von 230.000 wurde auf weniger als 4.000 heute reduziert.
Was folgte, war eine Zerschlagung anderer wichtiger Industriearbeitsplätze und Gewerkschaften: Hafen-, Auto-, Stahl-, Druck- und Maschinenbauarbeiter*innen wurden Zeug*innen von groß angelegten Schließungen oder Privatisierungen, manchmal nach kurzen und erbitterten Streiks. Die Arbeitslosigkeit stieg bis Mitte der 1980er Jahre von 5,3 % auf 11,4 %. Die Zahl der Arbeiter, die Krankengeld bezogen, verdoppelte sich auf 1,6 Millionen, wodurch eine Arbeitslosigkeit von fast 20 % der Arbeiter*innen künstlich verschleiert wurde. 3 Millionen Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe wurden vernichtet, hauptsächlich in den nördlichen Kerngebieten. Die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften sank von ihrem Höhepunkt von 13,2 Millionen Mitgliedern auf einen historischen Tiefstand von etwa 7 Millionen am Ende des Jahrzehnts und ging in den 1990er Jahren noch weiter zurück. Die Armut stieg sprunghaft an: Während die Einkommen der reichsten 10 % um 35 % stiegen, sanken die Einkommen der ärmsten Bevölkerungsschichten, und die Zahl der in Armut lebenden Kinder stieg von 1,7 Millionen auf 3,3 Millionen, als sie aus dem Amt schied.
Es ist kein Wunder, dass Tausende von Arbeiter*innen den ganzen Tag feierten, als Thatcher 2013 starb. Sie hinterließ ein bitteres Erbe von zerstörten Vierteln, Häusern und Familien; eine Narbe, die nie verheilt ist.
Thatchers Krieg gegen die lokalen Behörden
Thatcher entschied sich auch dafür, gegen die Labour-Stadträte in den Krieg zu ziehen, indem sie die Beträge, die die Stadträte von der Zentralregierung erhielten, kürzte und gesetzliche Obergrenzen für die Möglichkeit festlegte, Mittel auf lokaler Ebene aufzubringen. Dies stellte die Räte vor die Wahl, sich entweder gegen ihre Angriffe zu wehren oder für Thatcher die Drecksarbeit zu erledigen, in dem sie Kürzungen bei den Dienstleistungen oder Erhöhungen der Steuern (lokale Steuern) oder sogar beides durchsetzten. Zunächst gab es eine beeindruckende Einheitsfront von bis zu 20 Labour-Stadträten, die sich gemeinsam weigerten, die Tory-Kürzungen umzusetzen. Es gab sogar Massenproteste in den Rathäusern, die von lokalen Ratsvorsitzenden wie David Blunkett in Sheffield einberufen wurden, der damals als ein führender linker Unruhestifter galt. Einer nach dem anderen kapitulierte jedoch vor den kombinierten juristischen Drohungen und den Forderungen der nationalen Labour-Führung, sich “unterzuordnen”. Am Ende entschieden sie sich für sogenannte “legale” Budgets, was natürlich Kürzungen und Steuererhöhungen bedeutete.
Massendemonstration zur Unterstützung des Liverpooler Stadtrats
Im Unterschied dazu verweigerte der sozialistisch geführte Stadtrat von Liverpool die Unterwerfung. In scharfem Gegensatz zu den anderen Stadträten verpflichteten sie sich, den Tories zu trotzen und ein illegales oder “Bedarfs”-Budget festzulegen. Ihr Trotz und ihre klare kämpferische Haltung inspirierte die enorme Unterstützung der Arbeiter*innenklasse von Liverpool, die den Aufrufen zu Protesten und Streiks folgte, als sie gebeten wurden, ihren Stadtrat zu unterstützen. Noch beeindruckender war, dass der Stimmenanteil für die Labour-Partei seit Beginn ihres Kampfes 1981, als die Unterstützer*innen der Militant-Gruppe in der Labour-Partei die Führung des Rates übernahmen, jedes Jahr weiter anstieg. In einer großen Auseinandersetzung 1984, während des Bergarbeiter*innenstreiks, lenkte die Thatcher-Regierung ein und gab dem Rat finanzielle Unterstützung, damit er sein Wohnungsbau- und Arbeitsbeschaffungsprogramm ohne eine massive Steuererhöhung durchführen konnte. Der von Militant inspirierte Stadtrat hatte bewiesen, dass Thatcher geschlagen werden konnte, sobald sie mit entschlossenem und militantem Widerstand konfrontiert wurde.
Bedauerlicherweise ging diese Lektion unter der neuen Labour-Führung von Neil Kinnock und Roy Hattersley verloren. Sie starteten auf dem Labour-Parteitag 1985 eine schändliche Hexenjagd gegen die Liverpooler Ratsvorsitzenden. Dies stellte einen bedeutenden Wendepunkt in der Geschichte der Labour Party dar. Der Angriff auf den marxistischen Flügel von Labour hörte damit nicht auf. Stück für Stück wurden die Errungenschaften der Linken in Labour aus den frühen 80er Jahren für das nächste Jahrzehnt geschliffen, bis Tony Blair 1998 sogar erklären konnte, dass er nun “New Labour” anführte. Die Opposition gegen Thatchers Konterrevolution war damit gebändigt und sie konnte weitere Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse vorantreiben. Nachdem sie aus dem Amt geschieden war, wurde Thatcher gefragt, was ihre größte Errungenschaft gewesen sei. Sie antwortete ohne zu zögern: “New Labour”. Kein Wunder also, dass sie die erste war, die von Tony Blair in die Downing Street eingeladen wurde, als er die Wahl 1997 gewann.
Privatisierung des öffentlichen Sektors
Thatcher war auch für umfangreiche Privatisierungen verantwortlich. Schlüsselindustrien, die sich in öffentlicher Hand befunden hatten, wurden an den privaten Sektor verkauft, darunter British Gas and Electricity, British Telecoms, Leyland, Oil, Airways, Steel, Petroleum und Jaguar, gefolgt von den Wassergesellschaften. Andere Versorgungsunternehmen und Verkehrsnetze folgten unter der Regierung von John Major. Dieser obszöne Ausverkauf stellte einen massiven Transfer von Reichtum aus dem öffentlichen Sektor zu Spekulant*innen und den Reichen dar. Er wurde begleitet vom Verkauf öffentlicher Wohnungen, um das zu schaffen, was Thatcher eine “eigentumsbesitzende Demokratie” nannte. In den 1980er Jahren führte sie eine Gesetzgebung ein, die es Mietern von Sozialwohnungen erlaubte, ihre eigenen Häuser zu kaufen, wodurch knapp 1 Million Häuser aus dem öffentlichen Sektor herausgenommen wurden und das Wohneigentum von 10,2 Millionen im Jahr 1981 auf 13,4 Millionen am Ende des Jahrzehnts anstieg.
Dies brachte ihr vorübergehend die Unterstützung einiger ehemaliger Labour-Wähler*innen ein, die sich von der Illusion der Schaffung von Wohlstand leiten ließen. Aber der rasante Anstieg der Hauspreise und der Zinssätze im Laufe des Jahrzehnts verdrängte die meisten von ihnen aus dem Markt. Das Erbe dieser entsetzlichen Gesetzgebung ist nun in dem enormen Anstieg der Obdachlosigkeit und dem Rekordmangel an Sozialwohnungen zu sehen.
Thatcher konnte sich 1987 eine dritte Amtszeit auf dem Rücken eines vorübergehenden wirtschaftlichen Aufschwungs sichern, der durch Kredite und Schulden angeheizt wurde, aber dennoch die Illusion eines steigenden Lebensstandards schuf. In Wirklichkeit war ein großer Teil der Arbeiter*innenklasse auf der Strecke geblieben, aber Neil Kinnocks schreckliche Führung der Labour Party gab den Tories den politischen Raum, um erneut zu gewinnen.
Das Rosten der „Eisernen Lady“
Thatcher wurde in ihrer letzten Amtszeit zu selbstbewusst. Sie machte den Fehler, die Stimmung der Massen nur an ihrer blassen Führung zu messen. Sie entschied sich, die Poll-Tax (Kopfsteuer) einzuführen – eine ungerechte und ungleiche Steuer, die jedem Hausbesitzer auferlegt werden sollte, unabhängig vom Einkommen, um das lokale Steuersystem zu ersetzen, das das Haushaltseinkommen auf der Grundlage des Hauswertes erhob.
Es war ein direkter Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiter*innen, den sie sich nicht leisten konnten. Die demoralisierte Führung der Arbeiter*innen- und Gewerkschaftsbewegung wetterte gegen die Ungleichheit der Steuer, bot aber keine kohärente Kampfalternative an. Nur Militant, die ihrer Klasse treu blieben, forderte eine Massen-Nichtzahlungskampagne. Wir wussten, dass sich eine Unzufriedenheit zusammenbraute, die leicht überschwappen und sich um diese Steuer herum kristallisieren konnte.
Thatchers zweiter Fehler bestand darin, Schottland als Versuchskaninchen zu benutzen, wo die Kopfsteuer ein Jahr früher eingeführt wurde. Durch kommunale Tür-zu-Tür-Werbung bauten Anti-Poll-Tax-Aktivist*innen in jeder Siedlung große Anti-Poll-Tax-Bündnisse auf. Fensterplakate mit der Aufschrift “No Poll Tax Here” (Keine Kopfsteuer hier) schmückten die innerstädtischen Mietskasernen. Als die Kopfsteuer in Schottland Gesetz wurde, weigerten sich 1 Million Menschen sie zu zahlen, was sie völlig uneinbringlich machte. Doch Thatcher blieb stur und schuf eine Armee von 14 Millionen Nichtzahler*innen in England und Wales. Die Bewegung gipfelte in riesigen gleichzeitigen Demonstrationen in Glasgow und London am 31. März 1990. Die Zahlungsausfälle nahmen im Laufe des Jahres tatsächlich zu und brachten die Gemeindefinanzen durcheinander. Die Steuer war fürchterlich gescheitert und die Tory-Führung fasste schließlich den Mut, Thatcher am Ende des Jahres abzusetzen.
Der ursprüngliche Brexiteer
Ihr anderes Vermächtnis war die Förderung von Feindseligkeit und Misstrauen gegenüber der Europäischen Union. Anfänglich war sie eine starke Befürworterin der EU und unterstützte die Stärkung der Handelsbeziehungen. Als dies jedoch in eine engere politische Union überging, begann sie ihren Kreuzzug gegen eine weitere Integration. Es war dieser Standpunkt, der die zügellosen Rechtsnationalisten in ihrer Partei ansprach und die Partei zu einer feindlicheren Haltung gegenüber der EU veranlasste. Diesen Ansatz verfolgte auch ihr Nachfolger John Major, der die die EU als “Bastarde” bezeichnete. Und es erlaubte auch Boris Johnson zu behaupten, er stehe in der Tradition Thatchers, was ironischerweise die Tory-Partei weiter auseinander riss und dem Brexit den Weg ebnete.
Lehren
Thatcher war ein Geschöpf ihrer Zeit, gleichermaßen gefürchtet und verabscheut. Wir studieren diese Periode, weil man viel aus ihr lernen kann, vor allem durch aus den Niederlagen, die ihr von organisierten sozialistischen Kräften vor Ort zugefügt wurden. Wenn uns nur allzu oft gesagt wird, dass rechte Diktator*innen oder Führer*innen allmächtig sind, sollten wir uns daran erinnern, wie die Eiserne Lady zurückgedrängt wurde. Wenn sie inspiriert und selbstbewusst geführt werden, können arbeitende Menschen immer kämpfen und gewinnen, wie wir heute in Seattle bewiesen haben. Bedauerlicherweise wurde Thatcher erlaubt, Millionen arbeitenden Menschen großes Leid zuzufügen und einen Kurs für die britische Gesellschaft einzuschlagen, den wir nie vergessen dürfen. Obwohl sie auch heute noch von Tory-Anhänger*innen gelobt und gepriesen wird, ebnete ihre Politik auch den Weg für große Spaltungen, die wir heute in der Tory-Partei und in Europa beobachten können. Thatcher führte die Wirtschaft in den finanziellen Ruin. Ihre Regierungszeit ebnete den Weg für einen massiven Niedergang des britischen Kapitalismus und damit auch der Tory-Partei.