Wettlauf um den Covid-Impfstoff
Die Regierungen in Europa und Amerika haben zweimal dabei versagt, die Pandemie einzudämmen: am Beginn und im Sommer. Jetzt setzen sie ihre Hoffnungen auf die schnelle Entwicklung einer Covid-Impfung, um aus dem Wechsel von Beschränkungen und Lockerungen herauszukommen, der zu schweren wirtschaftlichen Schäden und Frustration in der Bevölkerung führt. Die Pharma-Konzerne wittern riesige Profite. Wer als erster einen wirksamen Impfstoff patentiert, hat die Lizenz zum Gelddrucken.
Die von BioNTech/Pfizer und Moderna entwickelten Produkte stehen vor einer Zulassung im Eilverfahren. Der Hoffnung auf eine Beendigung der Einschränkungen steht die Sorge vor möglichen Nebenwirkungen gegenüber – auch weil beide Impfstoffe, sogenannte mRNA-Impfstoffe, auf dem bisher nicht verwendeten Prinzip basieren, die Körperzellen selbst zur Produktion von Antigenen anzuregen.
Ein großer Vorteil der neuen Technologie ist die Möglichkeit, einen Impfstoff in kurzer Zeit in großen Mengen herzustellen. Auch ist davon auszugehen, dass die Impfantwort besser ausfällt als bei klassischen Impfverfahren, was, grob gesagt, durch die neue Art und Weise der Aktivierung des Immunsystems erklärbar ist. Nachteilig an dem Verfahren ist, dass es keinerlei Erfahrungsschatz zu verfahrensspezifischen Nebenwirkungen und zu möglichen Langzeitfolgen gibt.
Eine prinzipielle Skepsis gegenüber den publizierten Sicherheits- und Effektivitätsdaten der beiden mRNA-Impfstoffkandidaten ist angebracht. Das liegt aber nicht am neuen Verfahren per se, sondern daran, dass Pharmakonzerne ein Interesse haben, ihre Produkte in einem möglichst guten Licht zu präsentieren. Bei Preisen von ca. 25-35 US-Dollar pro Impfdosis und zwei Impfdosen pro Person geht es um einen Umsatz von 35-50 Milliarden Dollar, kurz, um den globalen Jackpot der Pharmazie. In der Vergangenheit lassen sich Beispiele finden, in denen bei Markteinführung neuer Medikamente negative Studienergebnisse systematisch verheimlicht wurden oder sich in der Langzeitbeobachtung Nebenwirkungen bemerkbar machten.
Wer entscheidet?
Die Welt ist mit einem Virus konfrontiert, mit dem sich potenziell Milliarden infizieren können und an dem bereits über 1,4 Millionen Menschen gestorben sind. Ein Impfstoff könnte die Pandemie stoppen, dazu müssten aber Milliarden Menschen geimpft werden. Jeder Impfstoff ist mit Risiken auf Nebenwirkungen verbunden. Nutzen und Risiken müssen gegeneinander abgewogen werden. Die Frage ist, wer diese Abwägung vornimmt. Wird sie den Chefetagen eines kleinen Kreises am Profit interessierter Pharmakonzerne überlassen oder gibt es eine gesellschaftliche Debatte?
Gesellschaftliche Lösung
Es wäre ein Fehler, auf die jetzt im Eiltempo entwickelten Impfstoffe als einzige mögliche Antwort zu setzen. Um Zeit für eine gründliche Prüfung zu gewinnen, müssen alle Möglichkeiten zur Pandemiebekämpfung erwogen werden. Maßnahmen, die sich bereits bewährt haben, wie etwa Massentest der Bevölkerung, technische und organisatorische Lösungen wie Luftfilter oder die Verkleinerung von Schulklassen, sollten unverzüglich eingesetzt werden.
Dass mehrere Pharma-Konzerne in Konkurrenz zueinander gleichzeitig die gleichen Prozesse und Methoden erforschen, ist nicht nur eine ungeheure Verschwendung von Arbeitskraft und Zeit. Es verhindert, dass Wisschenschaftler*innen auf der ganzen Welt kollektiv Sicherheitslücken aufdecken können. Corona ist ein gesellschaftliches Problem, aber die Regierungen überlassen die Lösung privaten Unternehmen mit eigenen Interessen, finanzieren sie aber mit Steuergeldern. Die sechs Konzerne, die in der Entwicklung aktuell am weitesten sind, haben insgesamt 12 Milliarden Dollar an öffentlichen Gelder erhalten. Die Pharma-Konzerne werden ihr Wissen aber nicht teilen, sondern Patente anmelden, um die Gewinne abzuschöpfen.
Da die privaten Pharmakonzerne sich nicht uneingeschränkt in die Karten schauen lassen, lässt sich nicht sagen, ob ein wirklich sicherer Impfstoff schon in wenigen Wochen oder Monaten zur Verfügung steht. Sicher ist jedoch, dass Forschung und Produktion in privater Verfügung der falsche Weg sind. Forschungsdaten und Herstellungsverfahren müssen offen gelegt werden. Die Pharma-Konzerne müssen in öffentliches Eigentum überführt werden.