Bei der Kommunalwahl im September wurden die Grünen nicht nur, aber auch aus linken Motiven gewählt, als Partei der Klimarettung, Verkehrswende und als Gegenmodell gegen Rassismus und Nationalismus, als dass sie sich gebärden. Surprise, surprise: Die so motivierten Stimmen der Wähler*innen werden von den Kölner Grünen missbraucht. Sie wischen alle Hoffnungen auf eine ökologische und soziale Wende beiseite und formieren ein Bündnis mit der CDU und den Newcomern von Volt. Die CDU sorgt für Politik im Interesse des lokalen Kapitals, die Grünen für die ökologische Tarnung und Volt für den smarten, modernen Anstrich.
von Claus Ludwig, Köln
Die drei Parteien haben Anfang Dezember beschlossen, in konkrete Verhandlungen einzutreten. Vom 365-Euro-Ticket für die KVB, von Grünen, Volt und der Oberbürgermeisterin im Wahlkampf beworben, redet niemand mehr. In den Sondierungsergebnissen heißt es nur noch allgemein: “Ausbau des ÖPNV, inklusive Taktverbesserunungen und preisgünstigeren Ticketangeboten”. Am 1. Januar werden zunächst die Preise erhöht. Die irrwitzigen Pläne zum Bau eines teuren und erst in Jahrzehnten zur Verfügung stehenden U-Bahn-Tunnels auf der Ost-West-Achse werden nicht zu den Akten gelegt, sondern weiter diskutiert. Zudem ist die Rede von einem Kurztunnel am Barbarossaplatz. Neben der Verkehrsberuhigung einzelner Straßen scheint die zentrale Maßnahme zur Befreiung der Innenstadt vom Autoverkehr die Verknappung und Verteuerung von Parkplätzen zu sein – damit wird der Auto-Zugang stärker zur sozialen Frage gemacht. Wer Geld hat, kann sich die Innenstadt leisten. Zum wirklich nützlichen Ausbau des oberirdischen ÖPNV gibt es nichts Konkretes.
Dreist wie nie: Garantie fürs Kapital
Kernstück des Dreier-Bündnis ist ein geplantes Versprechen an die lokalen Kapitalist*innen, die Gewerbesteuer fünf Jahre lang nicht zu erhöhen. Die Kämmerin der Stadt hat eine Rechnung vorgelegt, nach der bis 2024 die Stadt Köln durch wegbrechende Einnahmen wegen Corona eine Milliarde Euro an Steuern verliert. Wird der Gewerbesteuerhebesatz in dieser Zeit nicht erhöht, schafft das bürgerliche Bündnis einen Automatismus zur Kürzung städtischer Ausgaben – auf Kosten von Sozialleistungen, Freizeit, Kultur, Gesundheit, Ökologie und Kultur.
Der enorme Investitionsbedarf beim Wohnungsbau, Schulen, Kliniken und der Verkehrswende kann so nicht im Ansatz finanziert werden. Stattdessen können sich die Kölner*innen auf weiteren sozialen Kahlschlag einstellen. Das Programm des Dreierbündnisses ist eine Attacke auf die Armen. Den Unternehmen soll verstärkt Zucker in den Hintern geblasen werden, durch ein “Angebot attraktiver Gewerbe- und Industrieflächen” – in einer Stadt, in der es an Grünflächen, Naherholung und Wohnungen fehlt – und durch “optimale Bedingungen” für die Unternehmensansiedlung. Die Handschrift von Volt scheint zu sein, dem ganzen Mist den wohlklingenden Titel “Smart City” zu verpassen.
Das Bündnis hält an Rekers Plänen für einen “Klinikverbund” fest, der Übernahme der Städtischen Kliniken durch die Uniklinik, inklusive der Schließung der Klinik Köln-Holweide. Das wird zur Verschlechterung der Gesundheitsversorgung führen und ebenso zum Abwertungsdruck auf die Einkommen der Beschäftigten, da bei der Uniklinik viele Bereich outgesourced sind und niedrigere Tarife gelten.
Kapitulation beim Wohnungsbau
Bezüglich des größten Problems, dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen, begibt sich das Bündnis der Freund*innen der Reichen in die Welt des Wünschens. Volt spricht zwar in einer Stellungnahme davon, Wohnen in Köln solle “nach Wiener Vorbild” wieder bezahlbar werden, aber es gibt überhaupt keine Planung, die das ermöglichen würde. Die konkreten Maßnahmen laufen auf ein “weiter so” hinaus. Das völlig unwirksame “Kooperative Baulandmodell” (theoretisch sind 30% Sozialwohnungen, vorgeschrieben, praktisch wurde die Regelung meistens unterlaufen) soll durch ein ähnliches Modell des “preisgedämpften Wohnungsbaus” (zur Schaffung von mittelpreisigen Wohnungen) ergänzt werden. Seit zehn Jahren werden die privaten Investoren gebeten, günstige Wohnungen zu schaffen. Dazu wurden ihnen oft Zuckerbrot hinterher geworfen und selten mit der Peitsche gedroht. Gebaut haben sie teure Wohnungen und Büros. Nur wenn die Kommune selbst baut, kann der Mangel in Angriff genommen werden.
Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker skizziert in einem Gastkommentar für den Kölner Stadtanzeiger, in welche Richtung es gehen muss. Er fordert, die Mietpreisbindung für sämtliche Sozialwohnungen zu verlängern und keine städtischen Grundstücke mehr zu verkaufen. Eine neue städtische Wohnungsbaugesellschaft sei zu gründen, ein kommunales Wohnungsbauprogramm müsse gestartet werden. “Notfalls fangen wir mit dem Kölner Dom an. Ich wette, mit Raufaser und Zwischendecken kann man da ne Menge draus machen.” Gute Idee. Aber nicht nur die reiche Kirche, sondern sämtliche Kölner Kapitalist*innen müssen zur Finanzierung des Baus bezahlbarer Wohnungen herangezogen werden.
Auf die arbeitenden Menschen und die Armen kommen harte Zeiten zu. LINKE und Gewerkschaften sollten sich positionieren und der reaktionären Ratsmehrheit den Kampf ansagen. Das eine oder andere kann man im Rat thematisieren, aber im Kern geht es darum, in den Stadtteilen gegen die kommenden Angriffe zu mobilisieren.