von Bill Hopwood, Socialist Alternative, Kanada
Beethoven, eine herausragende Gestalt der Musikgeschichte, wurde am 16. Dezember 1770 geboren. Er war ein Genie der klassischen Musik, so wie sie in Europa gespielt wurde. Sein Leben war voller Aufruhr und Revolution und oft an der Grenze der künstlerischen Beziehung zur Gesellschaft. Beethovens musikalische Schönheit und Genialität ist am besten im Kontext der revolutionären Veränderungen seiner Zeit zu verstehen – in Gesellschaft und Kunst.
Kunst und Menschlichkeit
Kunstfertigkeit und Ästhetik sind Teil des Menschseins und sogar Teil der Natur. Während die Vielfalt und die Formen des Lebens von der Evolution vorangetrieben werden, bietet die Natur Schönheit im Überfluss. Mathematiker*innen sagen, wenn man die Wahl zwischen zwei Beweisen für eine Theorie hat, solle man den schöneren wählen.
Schon bei den ersten menschlichen Artefakten ist neben ihrem Verwendungszweck auch ein Sinn für Ästhetik zu erkennen. Alltagswerkzeuge weisen eine Schönheit auf, oft mit Verzierungen versehen. Bill Reid, ein berühmter Haida-Künstler, schrieb (Haida sind Ureinwohner*innen Kanadas, Anm. d. Übers.), dass „eine grundlegende Eigenschaft alle Werke der Menschheit eint, die über die Barriere von Zeit, Kultur und Raum hinweg mit menschlicher, erkennbarer Stimme zu uns sprechen. Die einfache Eigenschaft, gut gemacht zu sein.“
Die Menschen brachten Kunstfertigkeit in ihr Leben, in Werkzeuge und Alltagsgegenstände wie Schalen, Nadeln und Kleidung. Diese Gegenstände wurden nicht gekauft, um sie bald wegzuwerfen, sondern um sie zu erhalten. Natürlich ist ein Teil der Kunstfertigkeit die Schönheit des Designs, um die gewünschte Aufgabe gut zu erledigen. Gegenstände, die man in die Hand nimmt, müssen gut in der Hand liegen, und Kleidung muss sich dem Körper anpassen. Der Zweck bestimmt die Ästhetik. Betrachtet das Genie und die einfache, atemberaubende Schönheit eines Iglus – der Bau einer wetterfesten, warmen Behausung aus dem verfügbarsten Material: zusammengedrückten Schnee!
Die meisten Menschen waren handwerklich begabt und stellten Dinge gut her. Einige waren in dieser Arbeit geschickter als andere – sie flochten Körbe, formten ein Messer aus Obsidian, nähten Kleidung oder schnitzten eine Nadel aus Knochen. Aber diese talentierten Arbeiter*innen lebten nicht von der Gesellschaft getrennt.
Als sich jedoch eine Klassengesellschaft herausbildete, wurde die “Kunst” zu etwas, das vom Alltagsleben getrennt war. Eine Minderheit von Menschen wurde reich und mächtig, sowohl religiös als auch weltlich, obwohl diese Rollen oft kombiniert waren. Sie waren ein neues soziales Phänomen – eine herrschende Klasse. Sie benutzte Objekte, um den Reichtum und die Macht der Reichen und ihrer Götter zur Schau zu stellen, und zur Verherrlichung der Herrschenden. Kennzeichen dieser Objekte waren ihre Ästhetik und ihre Qualität. Die reichen Herrscher bezahlten für prächtige Werke wie Gebäude, Statuen und große Gemälde. Trotz ihres ursprünglichen Zwecks kann ein*e Marxist*in die Kunstfertigkeit, die gut gemachte Qualität, schätzen.
Allerdings hat die herrschende Klasse diese Kunstwerke nicht gemacht. Sie arbeiteten nicht, also konnten sie keine Kunstwerke erstellen. Sie beschäftigten andere, um diese Kunst zu produzieren. Ein Teil der Gesellschaft wurde zu Künstler*innen, eine Gruppe von Arbeiter*innen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, „Kunst“ für andere Menschen zu machen.
Der Rest der künstlerischen Arbeiten außerhalb der hohen Kunst wurde als Handarbeiten eingestuft, insbesondere von Frauen gefertigte Arbeiten wie Textilarbeiten und Korbflechten, oder Volkskunst. Die Mehrheit der Menschen pflegte weiterhin eine lebendige Kultur mit Geschichtenerzählen, Tanz und Theater.
Gesellschaft im Wandel
Viele Jahrhunderte lang war der Besitz von Grund und Boden die Grundlage für den Reichtum von Adel und Kirche. In Europa wuchs während des Mittelalters eine neue gesellschaftliche Kraft heran. Es waren Stadtbewohner*innen, die ihren Reichtum nicht durch den Besitz von Land, sondern durch Handel und Gewerbe erlangten. Sie waren Kaufleute, Handeltreibende und Besitzer*innen von Betrieben, in denen Gruppen von Arbeiter*innen zusammenkamen, um Dinge herzustellen, die ihnen selbst nicht gehörten. In den meisten germanischen Sprachen bedeutet eine Variante von burg (ursprünglich Burg) Stadt oder Ort, z. B. burgh, borough, borg, bourg, usw. Die Bürger*innen einer Stadt, mit Ausnahme des Gesindes und der Armen, wurden Bürger*innen, bürgers, burgers oder, auf Französisch, bourgeoisie genannt.
Diese Klasse forderte zunehmend die Macht der Fürstenhöfe und der Kirche heraus. Als sie reicher wurden, argumentierten sie, dass sie mehr Mitspracherecht haben sollten. Im England der 1600er Jahre waren die Städte im Unterhaus vertreten, während die Kirche und die Aristokratie das Oberhaus beherrschten. Das Oberhaus und der Monarch trafen die wichtigsten Entscheidungen, während die Bürgerlichen, insbesondere die reicheren Bürgerlichen, die Bourgeoisie, die Steuern zahlten.
Zur Zeit der englischen Revolution, 1642–1651, hatten die Commons (die Bürgerlichen, Anm. d. Übers.) mehr Reichtum als die Lords, aber weit weniger politische Macht. In der Revolution ging es darum, dass die Commons mehr Macht gegenüber dem Adel und der Kirche erlangten. Die Bürger*innen der Niederlande gewannen nach einem langen und blutigen Krieg 1648 die Unabhängigkeit vom spanischen Reich.
Veränderung lag in der Luft in Westeuropa. Dieser Wandel war mehr als der Wechsel der Herrscher und der nationalen Grenzen. Es gab tiefgreifende Veränderungen: in der Religion, die Reformation; in der Wissenschaft gab es in vielerlei Hinsicht eine Wiedergeburt; in der Technologie wurde die Grundlage der industriellen Revolution geschafft; und in der Kultur.
Es war auch die Zeit der globalen Eroberung, als die Kaufleute Europas neue Warenquellen und neue Märkte erschlossen. Neue Nahrungsmittel kamen in Europa an, darunter Kartoffeln, Mais, Tomaten, Schokolade und grüne Bohnen. Die herrschende Klasse eroberte weite Teile Afrikas, Amerikas und Asiens, was für die meisten Bewohner*innen dieser Kontinente Elend und Schrecken bedeutete, für die Kaufleute und die herrschende Klasse jedoch kolossalen Reichtum.
Diese weitreichenden Veränderungen in der Gesellschaft wirkten sich auf die Kunst aus – was unvermeidlich war, da Kunst in der Gesellschaft verwurzelt ist. Neue Techniken entstanden, die wichtigste war die Druckerpresse. Diese ermöglichte die genaue und schnelle Vervielfältigung von Texten und Bildern, was enorme Auswirkungen auf die Gesellschaft hatte. Farben auf Ölbasis ersetzten im 16. und 17. Jahrhundert die Temperamalerei, was sattere Farben und die Darstellung von Licht ermöglichte. Die Gasbeleuchtung – heller, sauberer und leichter zu kontrollieren als Kerzen – veränderte die Theater. Neue Musikinstrumente – wie das Klavier, die Gitarre, das Waldhorn und die Klarinette – wurden erfunden oder entwickelten sich aus älteren Instrumenten.
In der Kunst ging es nicht mehr in erster Linie um Herrscher und Religion oder deren Verherrlichung. Bachs Musik diente der Verherrlichung Gottes. Neue Ideen entstanden und gewöhnliche Menschen tauchten in der Kunst auf. Es entstand der Roman, der das Leben der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Maler, wie die Brügels (Vater und zwei Söhne), porträtierten das Alltagsleben.
Eine neue städtische Wohlstandsklasse veränderte die Art, wie Künstler*innen ihren Lebensunterhalt verdienten. Sie waren nicht mehr auf reiche Gönner*innen angewiesen, sondern konnten ihre Kunst direkt an ihr Publikum verkaufen. Zu den ersten Bereichen, in denen sich dies auswirkte, gehörten das Theater und das Verlagswesen. Bücher, Broschüren, Noten und Bilder konnten billig vervielfältigt und in großen Stückzahlen verkauft werden. In den Städten wurden Theater gegründet, in denen ein zahlendes Publikum Theaterstücke, Opern (zuerst in Italien zu Beginn des 16. Jahrhunderts entwickelt) und andere Aufführungen sehen konnte.
Beethovens Leben und Zeit
Ludwig van Beethoven wurde in Bonn, als Kind einer musikalischen Familie, geboren. Der Rhein war seit langem eine Reise- und Handelsroute, die einen großen Teil des westeuropäischen Binnenlandes und über die Donau den Osten Europas mit dem mächtigen Hafen von Amsterdam und von dort aus mit der Welt verband. Die Veränderungen, die Europa durchströmten, kamen über den Rhein bis nach Bonn. Das Tal der Wupper, 75 Kilometer weiter nördlich, war eine Geburtsstätte der industriellen Revolution.
Im Vergleich zu den meisten anderen Gebieten, die zu Deutschland wurden, war das Rheinland fortschrittlicher und kultivierter, weniger abhängig von der bäuerlichen Landwirtschaft und urbaner. Veränderung und Revolution lag in der Luft der Gesellschaft und der Zeit, in die Beethoven hineingeboren wurde. Die alte Feudalordnung war am Zerfallen und das aufstrebende Bürgertum forderte mehr Rechte und Macht. Philosoph*innen sprachen von Menschenrechten statt von Unterwerfung unter die weltlichen und geistlichen Herren.
In Frankreich, im Westen, schien der Feudalismus unter der Herrschaft von Ludwig XIV., bekannt als der Sonnenkönig, von 1643 bis 1715 seine volle Blüte zu erreichen. Doch unter dem Glanz der Eliten verrottete das alte Regime im Inneren. Im Jahr 1789 brach die Französische Revolution aus. Obwohl es in den Niederlanden, England und den Vereinigten Staaten bereits frühere bürgerliche Revolutionen gegeben hatte, hatte die Französische Revolution unvergleichbare Auswirkungen auf ganz Europa.
Progressive, städtische Bourgeoisie und junge Menschen wurden von der Revolution und ihrem kühnen Slogan „Liberté, égalité, fraternité“ inspiriert. Beethoven war ein solcher Mensch, achtzehn Jahre alt, als die Bastille gestürmt wurde. Wordsworth (englischer Dichter, Anm. d. Übers.), ebenfalls 1770 geboren, schrieb über die Revolution:
„Glückselig war es in jener Morgenröte, am Leben zu sein,
Aber jung zu sein war wirklich himmlisch!
O Zeiten . . . Als die Vernunft am meisten ihre Rechte zu beanspruchen schien.“
Im Gegensatz dazu sahen die alten Regime Europas und die katholische Kirche mit Entsetzen zu, wie ihre Freund*innen und Verwandten Land und Titel verloren, einzelne sogar das Leben.
Beethovens musikalische Ausbildung, zuweilen sehr hart vermittelt, begann schon in jungen Jahren. 1792 zog er von Bonn nach Wien, einem musikalischen Zentrum, um seine Ausbildung zu vertiefen. Bis 1795 komponierte er und trat auf. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Eintrittskarten und die Veröffentlichung von Noten. Er war ein bekannter Pianist, auf einem Instrument, das es erst seit 100 Jahren gab und das zu seinen Lebzeiten rasch weiterentwickelt wurde, um lauter zu sein und einen größeren Oktavumfang zu haben. Seine späteren Kompositionen, mit großen, lauten Orchestern, waren nur durch den technischen und gesellschaftlichen Wandel möglich.
Beethoven erhielt zwar Einkünfte von reichen Förderer*innen, aber der größte Teil seines Einkommens stammte aus Aufführungen und veröffentlichter Musik. Dies war ein historischer Wandel. Mozart, nur 14 Jahre älter als Beethoven, bezog den größten Teil seines Einkommens aus Rentenzahlungen und Arbeitsverhältnissen bei Aristokrat*innen und der Kirche, obwohl auch er in seinem späteren Leben etwas Geld mit Aufführungen verdiente. Beethoven war finanziell unabhängig, was ihn musikalisch unabhängig machte.
In den frühen 1800er Jahren wurde Beethoven volljährig, begann aber auch taub zu werden, wobei sein Gehör im Laufe seines Lebens weiter abnahm. Er hatte Verzweiflungsphasen, sowohl wegen seiner Taubheit als auch wegen persönlicher Misserfolge. Er schrieb über Selbstmordgedanken, verwarf sie aber, indem er schrieb: „Es war nur die Kunst, die mich zurückhielt, es schien unmöglich, die Welt zu verlassen, bevor ich nicht alles produziert hatte, wozu ich mich berufen fühlte.“
1804 komponierte er die Dritte Symphonie, die eine Abkehr von seiner bisherigen Musik bedeutete. Ursprünglich wollte er sie „Bonaparte“ widmen, was Beethovens Unterstützung für die Französische Revolution widerspiegeln sollte. Nachdem sich Napoleon zum Kaiser von Frankreich erklärt hatte, strich Beethoven Napoleons Namen vom Titelblatt, und die Sinfonie wurde 1806 unter dem Titel „Eroica“ und dem Untertitel „zur Feier des Andenkens an einen großen Mann“ veröffentlicht.
Mit der Niederlage Frankreichs 1814 begann in Europa eine Zeit der Reaktion, da die alte Ordnung (Ancien Régime) versuchte, revolutionäre Ideen und Bewegungen zu unterdrücken. Wien war ein Zentrum der Reaktion. Das Jahrzehnt nach der Niederlage Frankreichs waren düstere Jahre für Beethoven, politisch und gesellschaftlich, aufgrund von Taubheit und zunehmender Isolation, familiären Konflikten und schlechter Gesundheit. Er heiratete nie und hatte keine Kinder.
Seine großen Werke sind nicht so leicht zu hören, verglichen mit denen seiner Vorgänger, wie Haydn oder Mozart, von denen er lernte und die er dann überwand. Mozarts Musik hat Kontrast, ein Hin und Her, das die Welt um ihn herum widerspiegelte. Kontrast lag in der Luft der Gesellschaft am Ende des 18. Jahrhunderts, als die feudale Ordnung, in der jeder seinen Platz kannte, zusammenbrach. Mozart löst den Kontrast in Harmonie auf, so wie die Bessergestellten hofften, dass dies in der Gesellschaft geschehen würde.
Der Kontrast steigerte sich zu Spannungen und Konflikten und brach 1789 in Paris zur Revolution aus. Beethoven nahm die Struktur der Sinfonie und transformierte und transzendierte das alte Gefühl davon. Seine Musik ist, wie die Gesellschaft, voller Spannungen, Zusammenstöße und Konflikte. Seine großen Werke erreichen einen Schluss, ein Crescendo, aber es ist vielleicht nicht Harmonie, sondern Spannung.
Seine Musik und seine Ansichten waren revolutionär. An einen seiner Gönner, Fürst Lichnowsky, schrieb er: „Fürst, was Sie sind, sind Sie durch Zufall der Geburt; was ich bin, bin ich von mir selbst.“ Franz II., Kaiser von Österreich, mochte Beethovens Musik nicht, da „etwas Revolutionäres in der Musik war.“
Neunte Sinfonie
Beethovens Neunte Sinfonie gilt als eines der größten Musikstücke, die je komponiert wurden. Sie war sein letztes großes Werk und fasst in vielerlei Hinsicht sein Leben und seine Zeit in majestätischer Musik zusammen. Sie wurde 1824 uraufgeführt, nachdem er Jahre daran gearbeitet hatte. Diese Jahre waren einige seiner schwersten, geprägt von Krankheit und Depressionen.
Das Gefühl ist das eines Kampfes, von Hoffnung, die zurückgeworfen wird, nur um immer wieder zurückzukehren. Dies spiegelt sein Leben wider, seine Hoffnungen, Sorgen, Freuden und Enttäuschungen in seiner Kunst, in der Liebe und durch seine Taubheit. Doch immer wieder taucht er auf, um neu zu leben. Es fühlt sich auch an wie eine erneute Bestätigung der Hoffnung seiner Jugend in die Menschheit, die Hoffnung der Französischen Revolution.
Es gibt Kampf, Spannung, Hoffnung, scheinbaren Erfolg, dann Rückschlag, düstere Zeiten und dann kehrt die Hoffnung zurück, das Streben nach einer besseren Welt. Das könnte die Partitur zu einer Revolution sein. Es gibt Zeiten voller Hoffnung und Freude, Zeiten des stillen Friedens und andere Zeiten der Uneinigkeit, der Verzweiflung, des Rückzugs und der Reaktion. Aber durch all das hindurch geht die Hoffnung weiter: manchmal ein sprudelnder Bach, an anderen Stellen ein langsamer, schwacher Strom und wieder andere Male ein kraftvoller Fluss. Aber nach drei Sätzen ist nichts gelöst. Nur bei den menschlichen Stimmen ist der Triumph. Die Hoffnung wird zur Freude, nachdem alle Widrigkeiten überwunden sind und die Menschen die Himmelspforte gestürmt haben. Das Finale ist überwältigend, es strotzt vor Hoffnung, Freude und Freiheit.
Neu ist, dass im letzten Satz die menschliche Stimme sowohl im Chor als auch als Solo Schillers Gedicht „Ode an die Freude“ singt. Schiller war ein deutscher Schriftsteller, der von den Ideen des aufstrebenden Bürgertums beeinflusst war; er schrieb gegen den Absolutismus der Herrschenden und für die Freiheit. „Ode an die Freude“ könnte auch „Ode an die Menschlichkeit“ oder „Ode an die Freiheit“ heißen, mit den Zeilen wie „Alle Menschen werden Brüder“ oder „Seid umschlungen Millionen!“ Es wird allgemein angenommen, dass Schiller das Gedicht ursprünglich als Ode an die Freiheit geschrieben hat.
Die Neunte ist von vielen benutzt worden, von einigen reaktionär, aber hauptsächlich von der Arbeiter*innenbewegung und den Menschen im Kampf. Die Europäische Union, eine Organisation, die mit Solidarität wenig am Hut hat, benutzte sie. Im Gegensatz dazu spielten und sangen es viele Menschen aus Fenstern und von Balkonen, während der ersten Phase der Corona-Lockdowns in mehreren europäischen Ländern.
Der große schwarze US-Sänger (und kommunistische Sympathisant), Paul Robeson, schrieb diese Worte, um zu erfassen, was die Symphonie ausdrückt:
„Keiner soll einen anderen beiseite schieben,
Keiner soll einen anderen fallen lassen.
Marschiere neben mir, oh mein Bruder,
Alle für einen und einer für alle.“
Zwar kann man Schillers Gedicht als Lobpreisung Gottes interpretieren, aber im 18. Jahrhundert waren die Schriftsteller noch auf der Suche nach einem Vokabular frei von Gott und religiösen Begriffen. Beethoven ging nicht in die Kirche und war wahrscheinlich, wie viele seiner Zeit, eher ein Deist, der an einen vagen Geist glaubte, als ein Katholik.
Keine Worte können der Musik gerecht werden – hört sie euch an!
Beethoven wusste, dass das Leben oder die Veränderung – eine Revolution – kein Ereignis ist, sondern ein gewaltiger Prozess des Kampfes. Er würde seine Hoffnungen für die Menschheit nicht verwirklicht sehen, aber er benutzte seine Kunst, um zu helfen, dass diese Hoffnungen verwirklicht werden. Revolutionär*innen wollen repressive Regimes der Gesellschaft und der Kunst stürzen; Beethoven war ein Revolutionär. Seine große Vorstellungskraft, die Stärke seiner Entschlossenheit und die große Hoffnung, dass sein Werk andere inspirieren würde, ermöglichten es ihm, brillante Musik zu schreiben, die er selbst nie hören würde. Er hatte den Charakter eines Revolutionärs – Vorstellungskraft, Entschlossenheit und Hoffnung.
Nach Beethoven
Beethoven war ein großer Einschnitt in die Musik, die nie mehr dieselbe sein sollte.
Die Gegend von Beethovens Geburt, das Rheintal, war ein Zentrum revolutionärer Ideen. Marx, 1818 in Trier geboren, und Engels, 1820 in Barmen (heute Wuppertal) geboren, atmeten diese Luft. Marx schrieb für die Rheinische Zeitung, die von 1842 bis zu ihrem Verbot im Jahr 1843 in Köln ansässig war. Am Vorabend der deutschen Revolution von 1848 kehrte er nach Köln zurück und gründete eine Tageszeitung, die Neue Rheinische Zeitung, bis auch sie wieder verboten wurde und er ins Exil ging.
Die deutsche Revolution von 1848–49 scheiterte, da die liberale Bourgeoisie die Arbeiter*innen mehr fürchtete, als dass sie das Joch der Feudalherrschaft beenden wollte. Engels kämpfte in den Schlachten der Revolution entlang des Rheins. Er war einer der letzten Kämpfer, der fliehen konnte und am 25. Juli 1849 die Schweiz erreichte. Später, 1871, wurde Deutschland von Preußen geeint und wurde zu einer großen kapitalistischen und industriellen Macht.
Zu Beethovens Zeit und noch eine Zeit lang danach waren die Kapitalist*innen eine neu angekommene revolutionäre Klasse: selbstbewusst, dynamisch und kühn. Diese aufstrebende Bourgeoisie wurde zunehmend Eigentümer der Industrie, und in diesen Betrieben wuchs eine neue Klasse an Stärke. Die Arbeiter*innenklasse, oder das Proletariat, stellte Gegenstände gegen Lohn her, aber die Besitzer*innen der Arbeitsplätze und zunehmend auch der Fabriken besaßen die Produkte und kontrollierten die Arbeitsbedingungen. Die Arbeiter*innen wurden von ihrer Arbeit und dem, was sie herstellten, entfremdet. Die Kapitalist*innen wurden reich, indem sie die Produkte der Arbeit anderer verkauften; die Objekte waren Waren.
Heute ist die kapitalistische Klasse verkommen und degeneriert, sie zieht die Menschheit in eine Katastrophe nach der anderen, unfähig, auch nur die einfachen Handlungen wie das Testen, Kontaktverfolgen und Bereitstellen von Schutzkleidung zum Schutz der Menschen bei einer globalen Pandemie sicherzustellen. Aber jetzt ist eine andere Klasse zu einer milliardenstarken geworden: die Arbeiter*innenklasse. Wie die Kapitalisten in den frühen Tagen hat die Arbeiter*innenklasse ihre Macht und ihr Potenzial, die Welt zu verändern, noch nicht erkannt. Anders als die Kapitalist*innenklasse ist die Arbeiter*innenklasse die Mehrheit der Menschheit.
Die bürgerliche Revolution hat am Anfang Beethoven und viele andere inspiriert. Die proletarische Revolution wird breiter und tiefer sein und viele Millionen inspirieren. Die Russische Revolution gab einen kleinen Ausblick auf die Explosion der Kultur nach einer Revolution. Die sozialistische Revolution wird um die Erde gehen, neuen Höhen der Kultur erschließen, wo Sachen gut gemacht werden und die Kunst wieder mit dem Leben vereint ist.