Quelle: NASA
Das Jahr 2020 wird durch die Covid-Pandemie in die Geschichtsbücher eingehen. Neben der kurzfristigen Katastrophe, die in der ein oder anderen Weise ein absehbares Ende hat, steht das Jahr 2020 aber auch für eine langfristige Entwicklung: Neben 2016 war 2020 das wärmste Jahr und beendete gleichzeitig das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Die anfänglich von einigen Klima-Aktivist*innen geäußerte Hoffnung, Treibhausgasemissionen würden durch die Pandemie nachhaltig sinken, ist widerlegt – die Emissionen sanken um lediglich 6,5% im Vergleich zum Vorjahr. Eine „Normalisierung“ zeichnet sich bereits ab. Während wir also nur noch 0,25° von der Grenze von 1,5° Klimaerwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter entfernt sind und größere Kipppunkte der Klimaerwärmung ansteuern, heißt es schlicht ”Business as usual”.
Von Viktor, Berlin
Gefährlich nahe, möglicherweise bereits überschritten sind in diesem Zusammenhang insbesondere das irreversible Schmelzen des westatlantischen Eisschilds und die Versteppung des Amazonas. Ersteres führt zu einer geringeren Reflektion des Sonnenlichts und damit zu einer weiteren Erwärmung, Zweiteres ist die Zerstörung einer riesigen natürlichen Kohlenstoffsenke.
Die Folgen der Überschreitung solcher Kipppunkte sind insgesamt nur schwer abzusehen, da sie eine Kaskade von Entwicklungen nach sich ziehen. Wie ernst diese Folgen sein können führt jedoch die Corona-Pandemie vor Augen – zum Beispiel bei der Entwicklung der Fallzahlen nachdem eine Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter nicht mehr gewährleistet war.
Die wenigen Gestaltungsspielräume, die das kapitalistische System im Rahmen der Corona-Krise bot, wurden von den Regierungen nicht genutzt. Milliarden-Rettungspakete für Lufthansa und TUI waren schnell geschnürt. Auch als die Autoindustrie – trotz hoher Verkaufszahlen – den Moment nutzte, die Hand aufzuhalten, wurden auch hier Milliarden zur „Rettung“ locker gemacht. Anstatt die finanziellen Ressourcen zumindest für den Aufbau von klimafreundlichen Zukunftsbranchen zu nutzen, haben die meisten Regierungen weltweit versucht, den status quo zu erhalten. So bleibt für die junge Generation neben einer stark angestiegenen Staatsverschuldung auch ein weitgehend nicht angepacktes Problem der Klimaerwärmung.
Positive Kipppunkte als kapitalistische Utopie
Parallel wird von einigen Wissenschaftler*innen das Konzept der positiven Kipppunkte diskutiert: Angesichts der Beobachtung, dass politisch gesetzte Klimaziele immer wieder verfehlt werden, ruht die Hoffnung auf beobachtbaren positiven Entwicklungen für eine Begrenzung der Erderwärmung. Als ein solcher positiver Kipppunkt wird genannt, dass eine Mehrheit der Erdbevölkerung nun die Erderwärmung als drängendes Problem ansieht. Als anderer positiver Kipppunkt wird insbesondere die Preisentwicklung erneuerbarer Energien diskutiert, die stellenweise rentabler als ihre fossilen Gegenspieler geworden sind. So wird gehofft, dass die Gesetze des Marktes zu einer schnellen Umwälzung der Energieproduktion führen und damit eine Klimakatastrophe verhindert wird.
Eine solche Umwälzung ist unter kapitalistischen Bedingungen zwar nicht auszuschließen, aber in der Geschwindigkeit der Umwälzung nicht vorauszusagen – insbesondere im Wettbewerb mit den negativen Kipppunkten. Zusätzlich nehmen die Marktgesetze keine Rücksicht auf Kollateralschäden der Umwelt, zum Beispielbeim Abbau von Rohstoffen.
Aus unserer Sicht sind diese Themen aber schlicht zu wichtig, um auf eine ausreichend schnelle Umwälzung durch die unsichtbare Hand des Marktes zu hoffen. Im Rahmen einer demokratisch geplanten Wirtschaft wäre es hingegen möglich, nicht-essenzielle Bereiche der Produktion unmittelbar herunterzufahren – bei garantierten Ersatzarbeitsplätzen und gleichen Bedingungen für die Beschäftigten – und forciert an der Umsetzung klimaneutraler und nachhaltiger Technologien zu arbeiten. Dies ist die gegenwärtig beste Chance die Erreichung negativer Kipppunkte der Erderwärmung zu verhindern.