Mittlerweile hat sich ein kölnweites Bündnis gegen das neue Versammlungsgesetz gebildet, was für nächsten Sonntag, 21.2., zu einem Aktionstag mit dezentralen Kundgebungen aufruft.
Weitere Infos über die Facebook-Seite der SAV Köln, oder per Email an koelnsav@gmail.com.
Dies ist die Rede einer SAV-Genossin bei der Kundgebung „Nein zum neuen NRW-Versammlungsgesetz!“ von Köln gegen rechts am 30.1.2021:
Letzte Woche haben Menschen weltweit der Opfer des Nazi-Regimes gedacht, der Millionen Toten von Auschwitz, Bergen-Belsen und aller anderen Kzs. Wegen der Pandemie gab es diesmal vor allem viele Posts in Social Media, meist mit der klaren Botschaft: Kein Vergeben, kein Vergessen!
Das ist seither einer der Leitsprüche von Antifaschist*innen, genauso wie die logische Schlussfolgerung daraus: Kein Fußbreit den Faschisten!
Wir wissen, wie wichtig es ist, sich den Nazis und Rassisti*innen in den Weg zu stellen – auch im wahrsten Sinne des Wortes. Dass wir nach Möglichkeit jede Aktivität von rechts stören und verhindern, Nazi-Aufmärsche stoppen, Infotische aufstellen usw. – damit die Rechten keinen Raum bekommen, weil sie sonst stärker werden und wir Gefahr laufen würden, dass sich Geschichte wiederholt!
Das hat ja auch Köln gegen Rechts in den letzten Jahren erfolgreich gemacht, wir haben Tausende und Zehntausende Menschen mobilisiert, die hier Kögida sofort zum Aufgeben gezwungen haben, einen neuen Hogesa-Aufmarsch verhindert haben, die AfD hier in Schach gehalten haben und noch vieles mehr.
Doch die viele dieser Aktivitäten von Köln gegen Rechts wären mit dem neuen Versammlungsgesetz möglicherweise illegal! Bereits ihre Ankündigung wäre möglicherweise illegal!
Viele dieser Zehntausenden Menschen wären Straftäter*innen – und sei es nur aufgrund ihrer Kleidung oder der Teilnahme oder Organisation eines Blockadetrainings!
Die Rechten würden mehr Raum bekommen, mehr Zulauf und Selbstvertrauen, wir hätten mehr Gewalt, Morde, mehr Hanaus! Laut dem neuen NRW-Versammlungsgesetz dürften wir dann nur noch bei den Kundgebungen danach die Opfer betrauern.
Es ist gerade mal wieder ein Rekordjahr zuende gegangen, was Temperaturanstiege und Naturkatastrophen infolge des Klimawandels angeht – mit Hitzewellen in der Arktis, verheerenden Waldbränden in Australien und im Amazonas, und vielem anderen.
Es war auch wieder ein Jahr des Widerstandes gegen diesen Wahnsinn der fossilen Brennstoffe, des Individualverkehrs, mit Fridays for Future oder Ende Gelände-Aktionen im Tagebaugebiet.
Doch mit neuem Versammlungsgesetz würden auch viele diese Aktivist*innen kriminalisiert. RWE und all die anderen Konzerne, die Profite auf Kosten der Natur und unserer Zukunft machen, werden nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern wir!
Aber auch unabhängig von der Art der geplanten Veranstaltung riskiert nun jede Person, die eine Demo anmeldet, für „Gefahren“, irgendwelche Aktionen der Teilnehmer*innen rechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.
Es gibt noch viele, viele andere Punkte, über die ich hier sprechen könnte. Zusammengefasst bedeutet das alles:
Das neue Versammlungsgesetz ist ein Versammlungsverhinderungsgesetz! Vor allem Initiativen von Menschen, die noch wenig Erfahrung mit Protestaktionen haben, die aber aktiv werden wollen, werden damit im Keim erstickt!
Die Pandemie ist eine Gelegenheit, das ohne großes Aufsehen durchzusetzen. Wir sagen aber nicht, was die Corona-Leugner*innen, die Rechten, die Schwurbler*innen sagen:
Dass die Pandemie aufgebauscht oder gar eigens inszeniert sei, um uns unsere „Grundrechte“ zu nehmen und dauer-zu-überwachen.
Und wir betrachten maskenloses Bahnfahren oder maskenloses Demonstrieren auch nicht als Grundrecht.
Aber wir betrachten den Protest gegen die gefährlichen Aktionen von Corona-Leugner*innen und Rechten und Schwurbler*innen als ein Grundrecht, auch mit Störungen ihrer Aktionen!
Es ist ein demokratisches Recht, dies unbehelligt und ohne Schikane tun zu dürfen, und ohne, dass alle Aktivist*innen ihre Daten angeben müssen.
Auch mit altem Versammlungsgesetz sind viele Störaktionen natürlich nicht einfach so möglich. Auch mit dem alten Gesetz gibt es viele unsinnige und nervige Auflagen.
Darüber hinaus haben viele von uns, auch mit KgR, schon oftmals schlechte Erfahrung mit der Polizei gemacht, die – auch trotz anders lautender Rechtslage – Proteste behindert und angegriffen, Aktivist*innen festgenommen und drangsaliert hat.
Wir haben wahrscheinlich alle schonmal gesehen, wie Aktivist*innen eingekesselt wurden, während Nazis einfach demonstrierten, oder wie Corona-Leugner*innen maskenlos und ohne Abstand durch Innenstädte laufen durften, während bei unsern Aktionen die Abstände schon mit dem Lineal nachgemessen wurden.
Dennoch waren die meisten von uns sehr überrascht von diesem Gesetzesentwurf, der das alles so massiv verschärft. Manche wundern sich, warum grade jetzt? Was ist der Anlass, hat die Landesregierung nichts Dringenderes zu tun ( wie z.B. Schulunterricht oder Kinderbetreuung für alle corona-safe zu ermöglichen)?
So überraschend ist es aber auch nicht, das neue Polizeigesetz ist dem ja vorausgegangen. Und auch in anderen Ländern wird die Pandemie ausgenutzt, um in ihrem Schatten, im Lockdown, wo eh nicht viel geht und die Menschen mit anderen Probleme zu kämpfen haben, massive Angriffe auf demokratische Rechte durchzusetzen – und das oftmals zusammen mit ökonomischen und sozialen Angriffen.
Aufgrund der Krise ihres Systems gehen die Herrschenden zu autoritären Maßnahmen über:
Ein Beispiel ist natürlich das Abtreibungsverbot in Polen diesen Herbst,
oder auch Frankreich, wo seit November jede Woche zehntausende und hunderttausende Menschen gegen das neue „globale Sicherheitsgesetz“ der Polizei auf die Straße gehen.
Dieses Gesetz räumt dem Staat weitgehende Überwachungsmöglichkeiten der Bevölkerung ein. Gleichzeitig soll aber die Veröffentlichung von Filmaufnahmen von Polizist*innen bei öffentlichen Veranstaltungen strafbar sein, wenn dies das „körperliche oder seelische Wohlergehen des/ der Beamt*in beeinträchtigt“. Damit kann die Polizei faktisch jeden verhaften, der sie filmt, selbst Journalist*innen. Hätte George Floyd in Frankreich gelebt, wären die Menschen, die seine Ermordung gefilmt und ins Netz gestellt haben, nun Straftäter*innen!
Ein weiteres Beispiel ist Griechenland, wo die traditionellen Demos am 17. November zur Erinnerung an den Sturz der Militärdiktatur von der Mitsotakis-Regierung per Dekret untersagt worden sind. Die letzte Regierung, die ein solches Verbot des Versammlungsrechts verfügt hat, ist eben diese Militärjunta 1974 gewesen.
Hierbei wurde der Gesundheitsschutz zum Vorwand genommen, um den Widerstand gegen krasse neoliberalen Angriffe von vorne herein zubrechen ( geplant sind u.a. die Abschaffung des 8-Stunden-Tages und massive Einschränkungen des Streikrechts).
Und das steckt auch hinter den Einschränkungen des Versammlungsrechts hier: Es soll noch einfacher werden, Politik für die Konzerne durchsetzen zu können, Angriffe, die uns auch hier in Zukunft erwarten, wenn die Wirtschaftskrise richtig greift und uns die Kosten dieser Krise aufgebürdet werden sollen!
Das neue Gesetz kommt zu einer Zeit, wo sich der Kapitalismus immer weiter demontiert, in Zeiten, wo immer mehr Menschen dieses System hinterfragen,wo sie ohne Ausgleich Jobs und Existenzen verlieren. Ein System, was gute Gesundheitsversorgung für alle unmöglich macht, was eine effektive Pandemiebekämpfung verhindert, da diese die Profite der Konzerne schmälert. Ein System, was gute Bildung auch ohne Krise unmöglich macht, und was der Welt immer neue Seuchen bescheren wird, neue Krisen und Kriege.
Viele Vorredner*innen haben es bereits gesagt. Diese Aktion kann nur ein Anfang sein, wir brauchen eine breitere Kampagne, mit großen Demos hier und landesweit ( und eigentlich auch bundesweit, da andere Bundesländer nachziehen werden, wenn dieses Gesetz durchkommt).
In den Ländern, die ich grade genannt haben, wehren sich die Menschen auch gegen diese Angriffe und geben nicht auf. Auch hier können wir diese Angriffe zurückschlagen und unsere demokratischen Rechte verteidigen. Es sind ja auch viele heute hier, trotz der kurzen Vorlaufzeit – die übrigens so nach neuem Versammlungsgesetz auch nicht mehr möglich wäre, dann hätten wir erst morgen oder übermorgen hier aufschlagen dürfen.
Wir brauchen breitere Mobilisierungen, durch LINKE, Gewerkschaften, Schüler*innen- und Studierendenvertretungen und sozialer Bewegungen – deswegen auch ein Aufruf an alle, in ihren Verbänden und Organisationen dafür Druck zu machen!
Das ist ein Angriff auf uns alle, auf jede*n, die/der Dinge nicht einfach akzeptiert, wie sie sind und dagegen etwas machen will!
Wir müssen gemeinsam dieses Gesetz verhindern, und auch gegen die unsinnigen Auflagen für Demos und Kundgebungen vorgehen, die es bereits gibt. Wir müssen gemeinsam kämpfen für eine Gesellschaft mit demokratischen Rechten, mit gleichen Rechten für alle, für eine Alternative zum Kapitalismus, wo die Betriebe in öffentlicher Hand sind, wo z.B. Energiekonzerne und Pharmakonzerne nach unseren Bedürfnissen produzieren, und nach Bedürfnissen von Natur und Umwelt.
Eine Gesellschaft, wo wir auch nicht mehr gegen Nazis oder Kohlebagger oder Abschiebungen oder Krankenhausschließungen auf die Straße gehen müssen – weil es das alles dann einfach gar nicht mehr geben wird!