Über 1.500 ISA-Mitglieder und Unterstützer*innen aus 39 Ländern nahmen am vergangenen Wochenende an der zweiten Virtual Marxist University (VMU) teil.
von Anna Barnett, Socialist Alternative (USA)
Die Veranstaltung konzentrierte sich auf politische Bildung, mit Dutzenden Diskussionen über marxistische Theorie und revolutionäre Geschichte. Sie war auch voller Diskussionen über Perspektiven von politischen Prozessen und Kämpfen, die heute überall auf der Welt stattfinden, sowie über den Aufbau der ISA. Bemerkenswert ist, dass dies die zweite Veranstaltung innerhalb von nur sechs Monaten war, die über 1.000 ISA-Mitglieder zusammenbrachte – nach dem Erfolg der ersten, der Juli-Ausgabe der VMU. Dass sie noch größer war als die Juli-Veranstaltung, spiegelt dies nicht nur unser organisatorisches Wachstum wider, sondern auch den Hunger nach politischer Diskussion und Bildung in der gesamten ISA.
Obwohl es sich nur um eine Wochenendveranstaltung handelte, war sie mit 72 verschiedenen Kommissionen sowie zwei Plenardiskussionen vollgepackt – 24 Stunden politische Diskussionen in nur zweieinhalb Tagen! Natürlich war dies kein einfaches Unterfangen; mit Sektionen auf allen Kontinenten bedeutete es, dass viele Mitglieder bis spät in die Nacht aufbleiben oder sogar um 3 Uhr morgens aufstehen mussten, um teilzunehmen. Und obwohl der rekordverdächtige Spedenappell im Sommer erst wenige Monaten her ist, wurden bei dieser VMU über 32.000 € an Spenden gesammelt – ein weiterer Hinweis auf die Ernsthaftigkeit und das Engagement der ISA-Mitglieder.
Revolutionäre Theorie als Schlüssel zur revolutionären Aktion
Die Bedeutung politischer Veranstaltungen wie dieser kann im Zusammenhang mit der explosiven und unvorhersehbaren politischen Situation, mit der die globale Arbeiterklasse jetzt konfrontiert ist, nicht unterschätzt werden. Das kapitalistische System steckt in einer Reihe von Krisen fest. Von der COVID-19-Pandemie, die die wirtschaftliche Depression auslöste und ihrerseits vertiefte, bis hin zur drohenden Klimakatastrophe gibt es für die Arbeiter*innen auf der Grundlage des Kapitalismus keinen Ausweg. Das Tempo der Ereignisse hat sich beschleunigt; fast täglich entstehen irgendwo auf der Welt neue Krisen, Bewegungen und Revolten.
Gerade in den letzten Wochen sind die Massenproteste für Abtreibungsrechte in Polen wieder aufgeflammt, und die Bäuerinnen und Bauern in Indien setzten ihre Bewegung mit einer riesigen Traktorparade fort, die sich mit großen Streiks der indischen Arbeiter*innenklasse verzahnte. Aber auch die Bedrohung durch die Reaktion ist sehr real, wie wir bei der Erstürmung des US-Kapitols durch einen Mob von rechtsextremen Trump-Anhänger*innen, dem brutalen Vorgehen gegen demokratische Rechte in Hongkong und dem jüngsten Militärputsch in Myanmar gesehen haben. Es gibt eine große Offenheit für sozialistische Ideen in der Gesellschaft, besonders unter jungen Menschen, aber im Kontext einer sich vertiefenden gesellschaftlichen Polarisierung. Die Entwicklung des Bewusstseins der Arbeiter*innenklasse ist kompliziert und wird sich nicht in einer geraden Linie bewegen – das zeigen zum Beispiel auch die jüngsten Ereignisse in den Niederlanden, deren Anti-Lockdown-Krawalle weltweit Schlagzeilen gemacht haben.
Wir bewegen uns in eine neue Ära, die sowohl enorme Chancen als auch ernste Herausforderungen für die marxistische Bewegung mit sich bringt. Die ISA ist nicht nur eine Diskussionsgruppe; wir sind eine Organisation von Sozialist*innen, die in unseren Vierteln, an Arbeitsplätzen, Schulen und innerhalb von Massenbewegungen für die Veränderung der Gesellschaft kämpfen.
Während wir uns auf die VMU vorbereiteten, nahmen unsere Mitglieder auch an den Massenprotesten in Russland und Tunesien teil, verteidigten unseren marxistischen Stadtratssitz von Kshama Sawant in Seattle gegen die Abberufungskampagne des rechten Flügels, und kämpften mit den Gewerkschaften für sichere Schulen in Großbritannien. Es ist jedoch entscheidend, dass all unsere Arbeit auf revolutionärer Theorie, Lehren aus der Geschichte und gemeinsamen Perspektiven für die kommende Zeit beruht. ISA-Mitglieder, die an der VMU teilnahmen, bekamen ein tieferes Verständnis der vor uns liegenden Aufgaben und erneuerten ihre Entschlossenheit, sich sowohl den Herausforderungen zu stellen als auch die kommenden Chancen zu ergreifen.
Politische Diskussionen
Die Plenardiskussion am Samstag mit dem Titel „Krise und Massenkämpfe in den 2020er Jahren“ betonte die Instabilität und Polarisierung der kommenden Ära zusammen mit den Herausforderungen, die sich durch den Mangel an Organisation und Führung innerhalb der heutigen Bewegungen ergeben. Wir hörten Lehren aus den Bewegungen in Lateinamerika, Weißrussland und Polen, Perspektiven für die Weltwirtschaft und einen Bericht über die Repression gegen die Bewegung in Hongkong.
Die Kommissionen fanden in 6 Blöcken mit 8 bis 16 gleichzeitigen Diskussionen statt. Es gab wichtige Diskussionen über marxistische Theorie, wobei 135 Mitglieder an einer Diskussion über Marx‘ Theorie der Entfremdung teilnahmen. Mehrere Kommissionen konzentrierten sich auf die Wirtschaft, einschließlich Diskussionen über „Marxistische Ökonomie vs. Moderner Monetarismus“ und die „Große Rezession“ von 2007/2008. Wir blickten auch auf wichtige historische Ereignisse zurück, darunter der Arabische Frühling, die Pariser Kommune und der revolutionäre Kampf gegen die Apartheid in Südafrika.
Die Diskussionen analysierten wichtige Entwicklungen des vergangenen Jahres, darunter die Anti-SARS-Bewegung in Nigeria, und blickten mit einer Diskussion über den Internationalen Frauentag 2021 in die Zukunft. Beliebte aktuelle Themen waren Diskussionen über Marxismus und die Krise der geistigen Gesundheit sowie ein sozialistischer Ansatz zum Bedingungslosen Grundeinkommen.
Aufbau der ISA
Am Sonntag gab es ein inspirierendes Plenum zum Aufbau unserer Organisation, mit Beiträgen über das Wachstum und den Aufbau unserer Sektionen in Mexiko und England, Schottland und Wales sowie über die Bedeutung unserer Arbeit in den Gewerkschaften auf der ganzen Welt. Wir hörten einen spannenden Bericht über unsere Publikationen, einschließlich unserer wöchentlichen youtube-Sendung World to Win, und wichtige Updates über die Kshama Sawant-Solidaritätskampagne.
Es gab auch eine Reihe von Workshops zum Parteiaufbau, darunter eine Schulung über Layout und Design und Diskussionen über den Aufbau von ROSA, der internationalen sozialistischen feministischen Kampagne. Die beliebteste Diskussion handelte davon, wie man sich persönlich politisch weiterentwickelt, was die ernsthafte Herangehensweise der ISA-Mitglieder an ihre eigene Entwicklung zeigte, etwas, das während der gesamten VMU zu sehen war.
Ein zentrales Thema des Wochenendes war die wichtige Rolle der Jugend im revolutionären Kampf und die Notwendigkeit, unsere Organisation der Jugend zuzuwenden. Dazu gehörten Diskussionen über das reichhaltige Erbe der Jugendarbeit in unserer Organisation, Berichte über unsere Arbeit bei Youth Against Inequality and Racism (YARI) in Irland sowie die Verpflichtung, unsere Jugendarbeit in der kommenden Periode zu vertiefen. Die jungen Menschen von heute, eine krisengeschüttelte Generation, lehnen den Status quo ab, aber es wird aktive Arbeit erfordern, um diese neue Generation von Arbeiter*innen für die Ideen des Marxismus zu gewinnen.
Eine beeindruckende kollektive Leistung
Im Kontext der globalen Umwälzungen ist ein internationalistischer Ansatz absolut entscheidend. Die Diskussion des Wochenendes hatte einen wichtigen Schwerpunkt auf der weiteren Stärkung neuer Sektionen und Ortsgruppen der ISA sowie dem Aufbau in neuen Regionen. Neue ISA-Mitglieder kamen aus Indien und Argentinien. Nur ein Jahr nach der Umbenennung unserer Organisation stellte diese VMU einen bedeutenden Schritt vorwärts im Aufbau der ISA auf der ganzen Welt dar.
Wahrscheinlich am auffälligsten an der ganzen Veranstaltung war der Grad der kollektiven Anstrengung und Beteiligung. Über 200 verschiedene Mitglieder hielten Referate oder ein Schlusswort, leiteten Sitzungen oder kümmerten sich um den technischen Support, und Hunderte weitere machten Redebeiträge in den Diskussionen! Und natürlich wäre die Veranstaltung nicht möglich gewesen ohne die heldenhafte Arbeit der vielen ISA-Mitglieder, die das ganze Wochenende über in 11 Sprachen dolmetschten, eine absolute Notwendigkeit für eine wirklich internationale Veranstaltung.
Diese Zahlen sind nicht nur eine Darstellung der numerischen Stärke, sondern zeigen auch die wirkliche Tiefe der ISA auf der ganzen Welt, mit Mitgliedern, die eine aktive Rolle beim Aufbau der Organisation auf allen Ebenen übernehmen. Der Wiederaufbau der kollektiven Führung unserer Internationale, eine Aufgabe, die bei der Umbenennung der ISA (früher Komitee für eine Arbeiterinternationale, KAI / CWI) im letzten Jahr betont wurde, ist keine abstrakte Floskel – es ist eine konkrete Notwendigkeit, eine revolutionäre Internationale aufzubauen, die in der Lage ist, in den kommenden großen Kämpfen effektiv zu intervenieren. Der Erfolg der Virtual Marxist University im Januar war möglich durch die Entwicklung neuer Generationen von Führungspersönlichkeiten in unserer Organisation, was auch in den kommenden Jahren eine Priorität sein wird.
Der ISA beitreten
Während wir uns darauf freuen, in der Zukunft wieder persönliche Veranstaltungen durchführen zu können, repräsentiert die VMU unsere Entschlossenheit, Hindernisse zu überwinden und neue Traditionen innerhalb der ISA zu schmieden. Wir blicken auf die 2020er Jahre mit einem Gefühl der Bescheidenheit, aber auch mit Entschlossenheit und Kühnheit, bereit, den größtmöglichen Einfluss auf die vor uns liegenden explosiven Entwicklungen zu nehmen. Wir stützen uns auf die Ideen des Marxismus, die besten Traditionen unserer Vergangenheit und die Kühnheit der neuen Generationen sozialistischer Kämpfer*innen. Diese Virtual Marxist University hat uns allen kurz nach dem Jahreswechsel ein Gefühl des Optimismus, aber auch der Dringlichkeit gegeben. Kontaktiere uns noch heute, um mitzumachen!