Bitcoin-Wahn: Wie der Kapitalismus eine weitere Blase schafft

Als die Covid-Pandemie 2020 begann, erlitten die Aktienmärkte einen schweren Schlag, aber die Regierungen haben sie mit Billionen an Konjunkturgeldern gerettet. Dank dieser Maßnahmen ist die Wall Street von einer tiefen Krise in eine Reihe absurder Blasen gerauscht. Tesla ist unglaublich aufgebläht und schwankungsanfällig geworden, und es ist nicht das einzige Unternehmen.

Von Manus Lenihan, Socialist Party (ISA in Irland)

„Die ganze Sache [ist] verrückt. Unternehmen ohne Einnahmen und ohne funktionierende Produkte haben Bewertungen von mehreren Milliarden Dollar“, schrieb Jamie Powell in der Financial Times (5. März 2021, speziell über die Blase bei Elektrofahrzeugen). Jetzt droht der Zusammenbruch. Die Kapitalist*innen haben über dreißig Jahre gebraucht, um zu beginnen in Elektroautos zu investieren. Jetzt tun sie das in einer sprunghaften, verschwenderischen, irrationalen, chaotischen Art und Weise, die einen Crash nach sich ziehen wird.

Eine neue Blase hat sich im Bereich Bitcoin gebildet. Im Jahr 2010 war ein einzelner Bitcoin zwischen $0,0008 und $0,08 wert. Durch Höhen und Tiefen ging er von dort bis auf $20.000 im Jahr 2017, bevor er in die Flaute stürzte. Der Tiefstwert in diesem Jahr lag bei $5.000 pro Einheit. Nachdem sich Paypal im Oktober 2020 eingekauft hat, hat er wieder an Fahrt aufgenommen und näherte sich vor Kurzem den $60.000.

Tulpenmanie

Die automatische Vervollständigung bei der Google-Suche zeigt, dass viele die Bitcoin-Blase mit der Tulpenmanie vergleichen. Bei dieser Blase, die sich in den Niederlanden in den 1630er Jahren ereignete, war eine einzige Tulpenzwiebel kurzzeitig mehr als das Zehnfache des durchschnittlichen Jahreseinkommens einer*eines Facharbeiter*in wert. Aber Tulpen sehen wenigstens schön aus und riechen gut; das Gleiche lässt sich über Bitcoin nicht sagen. Es ist einfach eine Aufzeichnung von Transaktionen, die online existieren. Und die wilden Schwankungen im Wert lassen die Tulpenmanie im Vergleich regelrecht vernünftig aussehen.

In den 12 Jahren seiner Existenz (wenn „Existenz“ kein zu starkes Wort ist) hat der Bitcoin nie als Währung funktioniert, sondern nur als spekulative Ware. Obwohl jetzt mehr Anbieter*innen ihn akzeptieren, ist er immer noch nur ein Spielzeug, das eine relativ winzige Anzahl von Leuten zum Zocken benutzt.

Wahre Gläubige

Es gibt Bitcoin-Enthusiast*innen, die es nicht nur als gute Möglichkeit zum Zocken sehen; sie denken, dass es eine tolle neue Erfindung ist, die die Welt zu einem besseren Ort machen wird. Diese wahren Gläubigen denken, dass Kryptowährungen wie Bitcoin, weil sie nicht von einer Bank oder einem Staat ausgegeben werden, zu faireren und effizienteren Ergebnissen führen als traditionelle Währungen. Es besteht also keine Notwendigkeit, das System politisch in Frage zu stellen oder den Reichtum umzuverteilen – das mystische Internetgeld wird unsere Probleme lösen. Aber dies zu glauben, erfordert einen tiefen Glauben an „freie Märkte“, das gleiche Märchen, das zum Crash von 2008 und der darauf folgenden grausamen Austeritätspolitik führte.

Uns wird gesagt, Bitcoin seien immun gegen Inflation, weil sie endlich/begrenzt sind und Regierungen „nicht einfach mehr drucken können“. Diese Inflationsphobie ist ein weiteres Kennzeichen der Ideologie des freien Marktes. In Wirklichkeit ist es ein großer Nachteil, nicht mehr von einer Währung herausgeben zu können. In jedem Fall sollten diejenigen, die Angst vor Inflation haben, Bitcoin meiden wie die Pest; es ist die instabilste und sprunghafteste Ware der Welt. Und der aktuelle Anstieg des Bitcoin-Wertes spiegelt nicht irgendeine monetäre Revolution wider – er ist ein direktes Ergebnis der staatlichen Stimulierung, also der Inflation!

Kryptowährungen sind anonym, also könnten sie hypothetisch für revolutionäre Untergrundbewegungen von Nutzen sein. Aber im Hier und Jetzt würden sie offensichtlich dem organisierten Verbrechen, dem illegalen Handel und den undurchsichtigen Geschäften von Geheimdiensten helfen. Kaum jemand wird überrascht sein, zu hören, dass der „Bitcoin-Jesus“ Roger Ver einst für den Verkauf von Sprengstoffen auf eBay verurteilt wurde.

Techno-utopische Träume

In den letzten Jahrzehnten haben die Wohlhabenden aufgehört, in Produktion und Infrastruktur zu investieren, und stattdessen ihr Geld in Wall-Street-Zockereien und komplexe Finanzinstrumente gesteckt. Preise basieren normalerweise auf dem realen Wert, also auf der menschlichen Arbeit, die in einem Produkt steckt. Doch das Finanzkapital in seinem Profitstreben führt zu Blasen, in denen sich der Preis einer Ware weit von ihrem realen Wert entfernt. Diese Blasen führen zu Crashs, in denen die Arbeiter*innenklasse leidet und einem Regime der Austerität ausgesetzt wird. Die Reichen spielen ihre Spiele mit ihren Finanzspielzeugen; wir werden durch eine Blase vom Wohnungsmarkt verdrängt und sind bei einem Crash die Letzten in der Schlange für ein Rettungspaket.

Aber anstatt diese obszöne Verschwendung und das Finanzchaos zu beseitigen, sind Kryptowährungen der ultimative Ausdruck davon. Das Gerede von der „Dezentralisierung der Währung“ und dem „Kampf gegen die Banken“ appelliert an den natürlichen Wunsch der Menschen nach Befreiung von diesem verrückten System. Doch es ist alles nur ein Hype, der uns dazu bringen soll, einem weiteren Schwindel auf den Leim zu gehen. Kleinanleger*innen, die ihre Lebensersparnisse auf einen Bruchteil eines Bitcoins gesetzt haben, sind den Marktkräften völlig ausgeliefert. Unternehmen wie Paypal und Tesla halten alle Karten in der Hand (letzteres hat Ende letzten Jahres Bitcoin im Wert von 150 Milliarden Dollar gekauft). Und wie bei Gamestop und Robinhood, wenn es so aussieht, als würden die großen Spieler*innen verlieren, ändern sie einfach die Regeln. „Freie Märkte“ sind reine Fiktion.

Das Großkapital hat schon oft versucht, uns diese Idee zu verkaufen, indem es davon sprach, dass neue Technologien uns „befreien“ würden. Aber Uber hat einen Wettlauf nach unten für Taxifahrer*innen geschaffen, Airbnb hat den Wohnraum verknappt und Wework war ein gigantischer Betrug. Das Potenzial dieser neuen Technologien wird durch die Tatsache ausgebremst, dass sie zur Gewinnmaximierung eingesetzt werden, anstatt um Leben zu verbessern.

Umweltschäden

Obendrein ist Bitcoin unglaublich umweltschädigend. Es gibt ein riesiges Lagerhaus in Schweden, in dem 45.000 leistungsstarke Computer rund um die Uhr arbeiten – nicht um medizinische oder technische Probleme zu lösen, nicht um öffentliche Dienste zu beaufsichtigen oder Umweltdaten zu verarbeiten, sondern um Bitcoins zu „schürfen“. Vor der Blase verbrauchte Bitcoin pro Jahr so viel Energie wie Irland. Jetzt verbraucht es mehr Energie als Argentinien – ein Land mit 45 Millionen Einwohner*innen. Das liegt daran, dass Bitcoin-Transaktionen 5.000 Mal mehr Energie kosten als normale Kreditkartenzahlungen. Die Umwelt zahlt einen immensen Preis, damit ein paar Leute Spielgeld kaufen können.

Trotz der Blase sind Bitcoins noch sehr weit davon entfernt, eine tatsächliche Alltagswährung zu werden; die meisten Menschen sind nicht begeistert von der Idee einer teuren und verschwenderischen Software, die Geld im Internet hin und her schiebt. Aber bei der jüngsten Blase kaufen breitere Schichten aus der Bevölkerung Bitcoins. Nouriel Roubini, einer der wenigen Ökonomen, die für ihre treffsicheren Vorhersagen bekannt sind, nennt die Cyberwährung „Shitcoins“ und warnt davor, dass normale Arbeiter*innen und Menschen mit mittlerem Einkommen, die sich einkaufen, nur betrogen werden.

Bitcoin illustriert die dystopischen Bedingungen, die der Kapitalismus geschaffen hat. 13% der Weltbevölkerung hat überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität, während dieses triviale Hobby eine Energiemenge verbrauchen darf, mit der man laut einer Studie alle Wasserkocher in Großbritannien 27 Jahre lang betreiben könnte. Milliarden Menschen brauchen dringend eine Impfung gegen Corona, der Klimawandel droht und es gibt massive Armut und Elend. Doch diese lebenswichtigen Bedürfnisse werden nicht gestillt. Investor*innen jagen dem kurzfristigen Profit hinterher, statt den menschlichen Bedürfnissen. Dies ist kein gerechtes, oder effizientes System, es ist zutiefst parasitär und unproduktiv. Dieses System muss weg – und es ist an uns es abzuschaffen.

Die Finanzinstitutionen und Großkonzerne, also die großen Monopole, die die Weltwirtschaft dominieren, müssen dem Privateigentum der milliardenschweren kapitalistischen Eliten entrissen werden. Wir müssen sie in demokratisches öffentliches Eigentum überführen und die Wirtschaft demokratisch und rational planen, wobei unser Ökosystem zu schützen ist. Auf dieser Basis investieren wir die Ressourcen der Gesellschaft dort, wo sie tatsächlich neuen Wohlstand für die Menschheit produzieren, anstatt sie für virtuelle Tulpen zu verschwenden.

Artikel im Original lesen: https://socialistparty.ie/2021/03/bitcoin-frenzy-how-capitalism-is-fuelling-another-bubble/