Seit über drei Monaten verhandelt die IG Metall mit den Arbeitgebern über einen neuen Tarifvertrag. Auch nach fünf Verhandlungsrunden gibt es keine Annäherung. Die Metall-Bosse wollen die Kosten der Pandemie auf die rund vier Millionen Beschäftigten abwälzen und eine Nullrunde durchsetzen.
von Marc Treude, Aachen
Die letzte tabellenwirksame Erhöhung der Entgelte konnte die IG Metall im Jahr 2018 erkämpfen. Seit drei Jahren haben die Beschäftigten keine Erhöhung mehr bekommen, trotz kräftiger Gewinne im Jahr 2019 und einer Prognose von fünf Prozent Wachstum in 2021. Vor über einem Jahr hatte die IG Metall in vorauseilendem Gehorsam einem „Corona-Abschluss“ zugestimmt und die Tarifverhandlungen bis zum Jahresende verschoben. Dies danken ihnen die Metall-Arbeitgeber nun mit der Forderung nach einer weiteren Nullrunde und einer Entgelterhöhung frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2022.
Angriff auf die interne Demokratie
Dabei sind die Forderungen der IGM alles andere als weitgehend. „Bis zu vier Prozent Entgelterhöhung“, deren Volumen auch für „Maßnahmen der Beschäftigungssicherung“ zur Verfügung stehen soll. Was dabei nur rauskommen kann, sollte klar sein. Diese Art der Forderungsdebatte innerhalb der IG Metall im vergangenen Jahr führte auf einen neuen, gefährlichen Weg. Der Vorsitzende Jörg Hofmann sprach bereits im Sommer 2020 gegenüber den bürgerlichen Medien von einer Vier-Tage-Woche mit nur teilweisem Lohnausgleich. Dies kam einer Bevormundung der gewählten Tarifkommissionen und einer Zusage zu Gehaltskürzungen gleich. Ein großer Aufschrei innerhalb der IG Metall blieb aus.
Dazu kam, dass wichtige Sitzungen der bezirklichen Tarifkommissionen – anders als sonst – parallel tagen sollten. Damit sollte verhindert werden, dass radikalere Forderungen überhaupt diskutiert werden und die Kolleg*innen an der Basis sich aufeinander beziehen können. So wurde dafür gesorgt, dass die Gremien mehr oder weniger abnickten, was aus der IGM-Zentrale in Frankfurt vorgegeben wurde. Oppositionelle, oder wenigstens kritische, Beiträge zur Tarifforderung gab es wenige, nur in einigen Betrieben, auf Vertrauensleute- und Delegiertenkonferenzen gab es kritische Stimmen.
Forderungen der IGM
Neben der bereits erwähnten Entgeltforderung stehen für die IGM eine „Arbeitszeitabsenkung mit Teilentgeltausgleich“ sowie „ein tariflicher Rahmen für betriebliche Zukunftstarifverträge“ im Mittelpunkt. Beides stellt einen krassen Bruch mit gewerkschaftlichen Traditionen dar. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung, basierend auf der fortschreitenden Produktivität, sollte dazu dienen, Lohndrückerei und erhöhte Arbeitsbelastung für die Beschäftigten zu verhindern. Für gewerkschaftlich Aktive waren daher Lohn- und Personalausgleich untrennbar mit der Verkürzung verbunden. Die jetzige Forderung bedeutet hingegen nichts anderes als Lohnverzicht.
Standort- und Arbeitsplatzsicherung kann nicht auf betrieblicher Ebene erreicht werden. Dies jetzt auf diese Ebene verlagern zu wollen heißt, die Belegschaften einer gesamten Branche zu spalten und gegeneinander auszuspielen. Dahinter steckt der alte Glauben an die Sozialpartnerschaft sowie der Gedanke, mit besseren Argumenten die Arbeitgeber überzeugen zu können. Denen geht es am Ende aber immer nur um maximalen Profit.
Ein Streik ist ein Streik ist ein Streik
Die Arbeitgeber denken, dass während der Pandemie den Gewerkschaften die Hände gebunden sind. Aber seit dem Ende der Friedenspflicht am 1. März haben sich bundesweit rund eine 600.000 Gewerkschaftsmitglieder an Warnstreiks beteiligt. Bei der Online-Auftaktveranstaltung nahmen rund 80.000 teil. Dies zeigt die Kampfbereitschaft an der Basis. Dort nämlich sind die Kolleg*innen, die seit 2018 auf eine Tariferhöhung warten und seit einem Jahr von Kurzarbeit oder drohender Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Die Kampfmaßnahmen entsprechen nicht dieser Erwartungshaltung. Autokorsos und Autokino-Veranstaltungen mit wenigen hundert Teilnehmern sind keine Warnstreikaktionen, zu denen bestmöglich mobilisiert werden kann. Es sollen Bilder kreiert werden, die in der Öffentlichkeit gut aussehen. Die IG Metall möchte sich auf keinen Fall nachsagen lassen, dass man mit großen Demonstrationen vor den Werkstoren den Gesundheitsschutz missachtet. Dabei ist längst klar, dass auch in der Pandemie sichere Demonstrationen durchführbar sind. Fridays For Future und die Black Lives Matter-Bewegung haben dies gezeigt.
In den vergangenen Wochen sind die meisten Kolleg*innen, die den Warnstreikaufrufen gefolgt waren, einfach nach Hause gegangen. Damit wurde die dringend nötige Kampfkraft der IG Metall aus der Hand gegeben. Dabei muss jetzt der Druck erhöht werden. Es braucht eine generalstabsmäßige Mobilisierung in den Betrieben, mit Flugblättern, Massen-E-Mails und Online-Mitgliederversammlungen, um nach Ostern echte Streiks vorzubereiten, die die Bosse dort treffen, wo es ihnen am meisten weh tut: Am Profit.
Die Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken hat einen Flyer zur Tarifrunde veröffentlicht: https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2021/02/Flyer-TR-IGM-Feb-2021.pdf
Foto: igmetall.de