Der Kapitalismus ließ die arbeitenden Menschen in der texanischen Kälte sterben, und die anschließende Krise zeigte die völlige Unfähigkeit des freien Marktes, für das Überleben der Menschen zu sorgen.
von Ryan Booker, Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SAV/SLP, Mitglied der ISA in den USA)
Als letzte Woche (dieser Artikel erschien im Original am 24. Februar 2021, Anm. d. Übers.) ein historischer Wintersturm weite Teile der USA heimsuchte und die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt fielen, kam es im texanischen Stromnetz zu mehreren Stromausfällen. Am Höhepunkt der Stromausfälle waren mehr als vier Millionen Menschen, größtenteils arbeitende Familien, während der kältesten Temperaturen seit Jahrzehnten ohne Wärme und Strom. In vielen Teilen des Bundesstaates fielen die Temperaturen auf nahezu 0ºF (-17°C).
Schnell zeigte sich, dass die Schätzungen des texanischen Stromnetzbetreibers Electric Reliability Council of Texas (ERCOT) zur Dauer der Stromausfälle von etwa 40 Minuten völlig unzutreffend waren. Viele Berufstätige sahen sich mit tagelangen Strom- und Wasserausfällen in Häusern konfrontiert, die für solch niedrige Temperaturen nicht ausgelegt waren. Da es aufgrund der vereisten und schneebedeckten Straßen unmöglich war anderswo Schutz zu suchen, waren einige gezwungen verzweifelte Maßnahmen zu ergreifen, wie z. B. im Auto zu schlafen oder persönliche Gegenstände zu verbrennen, um sich zu wärmen. Einige drängten sich in behelfsmäßige Wärmestuben, da die Notwendigkeit, den eisigen Temperaturen zu entkommen, größer war als die Sorge vor einer Infektion mit dem Coronavirus. Im Haus eines Socialist Alternative-Mitglieds in Houston fielen die Innentemperaturen auf 2°C. Die Temperaturen im Haus eines anderen Mitglieds in Nacogdoches fielen so tief, dass ihr Vater Erfrierungen erlitt.
Das Leid der arbeitenden Menschen im ganzen Bundesstaat war brutal: mindestens 30 Tote in Texas als direkte Folge des Wintersturms und Engpässe bei Lebensmitteln und sauberem Wasser im ganzen Bundesstaat, die noch Tage später anhielten. Währenddessen jetteten reaktionäre Politiker*innen wie Ted Cruz in wärmere Gebiete wie Cancún oder nutzten teure Generatoren zur Beheizung ihrer Häuser.
Es gab zwar technische Fehler auf jeder Ebene des texanischen Energiesystems, von eingefrorenen Erdgasquellen und Pipelines bis hin zur Unfähigkeit von ERCOT, die Auswirkungen des Klimawandels auf das Wetter bei der Prognose des Strombedarfs zu berücksichtigen – aber die Wurzeln der Katastrophe liegen im strukturellen Versagen des kapitalistischen Systems, das den Profiten der Unternehmen Vorrang vor der Versorgung der arbeitenden Bevölkerung mit Wärme gibt.
Der Kapitalismus treibt nicht nur den Klimawandel voran, der katastrophale Wetterereignisse wie den Wintersturm in Texas häufiger und intensiver werden lässt; gleichzeitig scheitert er auch daran, die notwendige Infrastruktur zu bauen, um diesen schweren Wetterereignissen zu standzuhalten. Die Zerstörung der Natur durch den Kapitalismus und seine Rolle beim Vorantreiben des Klimawandels sind in Texas besonders offensichtlich. Texas ist die Heimat vieler der weltgrößten Unternehmen für fossile Brennstoffe, wie z.B. ExxonMobil, und der sogenannten „Energiehauptstadt der Welt“, Houston.
Das Permian Basin (Permbecken) im Westen von Texas ist eine der größten Öl- und Gasförderregionen der USA. Die Energieindustrie übt in Texas einen enormen politischen und wirtschaftlichen Einfluss aus und sorgt dafür, dass fossile Brennstoffe und andere mineralgewinnende Industrien weiterhin dominieren, auch wenn sie weltweit ökologische Zerstörung anrichten. Die Hurrikans Harvey und Maria, die 2017 Texas bzw. Puerto Rico heimsuchten, die katastrophalen Brände in Australien und an der Westküste der USA im Jahr 2020 und nun der historische Wintersturm in Texas 2021 sind alles Beispiele für Naturkatastrophen, die durch den Kapitalismus noch viel schlimmer gemacht wurden. Steigen die globalen Temperaturen unkontrolliert an, werden Brände häufiger, die Meerestemperaturen erhöhen sich, was zu heftigeren Hurrikans führt, und die Erwärmung in der Arktis beeinflusst extreme Wetterereignisse weltweit, darunter auch den Wintersturm in Texas. Sogar die Ursprünge der COVID-19-Pandemie haben ihre Wurzeln im unerbittlichen Eingriff des Kapitalismus in natürliche Lebensräume.
Kapitalismus kann nicht planen und vorsorgen
Das unaufhaltsame Streben des Kapitalismus nach Akkumulation befördert nicht nur extreme Wetterereignisse, sondern unterhöhlt auch die grundlegende Infrastruktur und macht sie anfälliger für schwere Ausfälle, wie sie in Texas auftraten. Als die Temperaturen rasant abfielen und die Nachfrage nach Strom in die Höhe schnellte, begannen die Stromgeneratoren, die das texanische Netz versorgen, aufgrund der Witterung auszufallen. Dieser Ausfall bei der Stromerzeugung, der in der Spitze etwa die Hälfte der texanischen Stromerzeugungskapazität erreichte, führte zu den von ERCOT veranlassten tagelangen Stromausfällen. Das Unternehmen gab später zu, nur wenige Minuten von einem unkontrollierten Blackout entfernt gewesen zu sein, der das Netz möglicherweise für Monate lahmgelegt hätte.
Die Republikaner in Texas beeilten sich darauf hinzuweisen, dass die erneuerbaren Energiequellen schuld seien – und es ist wahr, dass einige Windturbinen vereist waren. Aber der größte Teil der verlorenen Kapazität war auf den Ausfall von Kohle-, Atom- und Gaskraftwerken zurückzuführen, die den Großteil der texanischen Energie im Winter liefern. Diese Ausfälle waren das Ergebnis der deregulierten, dezentralisierten und privatisierten Energieinfrastruktur in Texas. Das texanische Stromnetz ist weitgehend von den Netzen der umliegenden Bundesstaaten abgeschnitten, um Bundesvorschriften zu umgehen.
Im Jahr 2011 hatte bereits ein vorheriger Wintersturm zu Stromausfällen in Texas geführt. Ein Bundesbericht, der nach diesem Fiasko in Auftrag gegeben wurde, enthielt zahlreiche Empfehlungen für die Aufrüstung der texanischen Energieinfrastruktur, aber im deregulierten System von Texas wurde es den privaten Energieunternehmen überlassen, diese wichtigen Änderungen freiwillig umzusetzen. Viele haben das nicht getan. Sie wollten ihre Gewinne nicht schmälern, um in Reservekapazitäten oder widerstandsfähigere Anlagen zu investieren. Als die Stromerzeugung in Texas ausfiel, waren die Netzbetreiber aufgrund der Isolation des texanischen Netzes nicht in der Lage, Strom aus umliegenden Staaten zu importieren.
Kapitalismus produziert Ungleichheit und Krise
Im Kapitalismus ist das eigentliche Ziel von Energie- und Versorgungsunternehmen nicht die Bereitstellung von Energie und Versorgungsleistungen, sondern Profit zu generieren. Viele der 2011 ausgesprochenen Empfehlungen waren bereits 1989 genauso nach einem ähnlichen Wintersturm gemacht worden und wurden ebenfalls nicht umgesetzt, da die Energieunternehmen Profite über eine zuverlässige Energieversorgung stellten. Ed Hirs, ein Energy Fellow (Mitglied einer Gruppe Wissenschaftler, die im Bereich der umweltfreundlichen Energie forschen, Anm. d. Übers.) an der University of Houston, sagte dem Houston Chronicle, dass das texanische Stromnetz „aufgrund von Unterinvestitionen und Vernachlässigung dahinvegetierte, bis es schließlich unter vorhersehbaren Umständen zusammenbrach.“
Die Beseitigung der systemischen Ursachen dafür, dass Millionen von arbeitenden Menschen ohne Heizung und Wasser dastanden, als sie es am dringendsten benötigten, erfordert Lösungen außerhalb des kapitalistischen Profitdenkens. Profitorientierte Energieunternehmen haben keinen Anreiz, in Zeiten anormalen Energiebedarfs wie dem Frost in Texas eine zuverlässige Infrastruktur bereitzustellen, auch wenn solche Ereignisse immer häufiger auftreten.
Die Infrastruktur in den Vereinigten Staaten leidet bereits unter dem Mangel an Investitionen. Der allergrößte Teil der US-Infrastruktur wurde vor Jahrzehnten in der Erwartung stabilerer Wetterverhältnisse gebaut. Da die Auswirkungen des ungebremsten Klimawandels weiter zunehmen, werden Infrastrukturausfälle wie die Stromausfälle in Texas wahrscheinlich landesweit noch häufiger werden. Die Biden-Regierung hat verlauten lassen, im Anschluss an das Gesetz zur Bekämpfung des Coronavirus habe ein Wirtschaftspaket mit erheblichen Infrastrukturinvestitionen Priorität. Die jüngste Katastrophe in Texas zeigt die Notwendigkeit, deutliche Schritte in Sachen Infrastruktur zu unternehmen. Bidens Infrastrukturplan beinhaltet jedoch keine neuen Einnahmequellen und wird wahrscheinlich auf heftigen Widerstand der Republikaner und einiger Demokraten stoßen. Nachhaltige, umweltfreundliche neue Infrastruktur ist dringend notwendig und sollte durch neue Steuern auf Großkonzerne und Milliardär*innen finanziert werden, die die Klimakrise vorantreiben.
Bilder von nachts erleuchteten Wolkenkratzern in texanischen Städten, während arbeitende Menschen bei eisigen Temperaturen ohne Wärme, Licht oder Wasser auskommen mussten, lieferten ein starkes Symbol für die tiefe Ungleichheit in der Gesellschaft. Die Tatsache, dass die Stromausfälle Geschäfte stilllegten und Millionen Arbeiter*innen ausfielen, war jedoch auch für viele Unternehmen ein Desaster. Unternehmen benötigen eine verlässliche Infrastruktur, um die wirtschaftliche Produktion aufrechtzuerhalten, genauso wie die arbeitenden Menschen sie für Wärme, Wasser und andere lebensnotwendige Dinge benötigen. Die Tatsache, dass der Kapitalismus nach Jahrzehnten neoliberaler Deregulierung und Privatisierung nicht in der Lage ist, diese verlässliche Infrastruktur bereitzustellen, ist eine Offenbarung des Ausmaßes in dem er die Produktivkräfte der Gesellschaft nicht mehr entwickelt, sondern zu einer Fessel für sie geworden ist.
Eine sozialistische Antwort auf die Krise
Um die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen zu erfüllen, müssen wir die Energieunternehmen in demokratisches öffentliches Eigentum überführen und sie mit rationaler Planung zum Nutzen der Gesellschaft führen. ERCOT sollte in demokratisches öffentliches Eigentum überführt und mit Energieunternehmen und Versorgungsbetrieben der öffentlichen Hand zusammengelegt werden. Dies würde es den Arbeiter*innen und der Gemeinschaft erlauben, wichtige Entscheidungen zu treffen – z.B. ob die Anlagen winterfest gemacht werden und wie der Strom verteilt wird – anstatt dies den Launen von nicht rechenschaftspflichtigen Konzernen in einem Marktsystem zu überlassen.
Diese Veränderungen müssen Teil eines Green New Deal sein, um die Krise des Klimawandels schnell anzugehen. Der Markt hat sich wiederholt als unfähig erwiesen, die notwendigen Veränderungen umzusetzen, bevor es zu spät ist. Es wird zentralisierte Planung, demokratische Kontrolle durch Arbeiter*innen und die Gemeinschaft und ein Green New Deal-Jobprogramm brauchen, um einen schnellen Übergang zu zuverlässigen alternativen Energien und einem modernen Stromnetz zu schaffen, die Infrastruktur zu modernisieren und beständig gegenüber extremer Hitze und Kälte zu machen, neue, energieeffiziente, bezahlbare Wohnungen zu bauen und den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Um diese lebenswichtigen Programme zu finanzieren, sollten wir die Konzerne und Milliardär*innen besteuern, die die Probleme überhaupt erst geschaffen haben.
Sowohl die Republikanische als auch die Demokratische Partei sind den Konzerninteressen verpflichtet, die für den Klimawandel und unsere marode Infrastruktur verantwortlich sind. Eine ähnliche Deregulierung der Energiewirtschaft wie in Texas hat unter Demokratischen Regierungen in Kalifornien stattgefunden und hat durch die Nachlässigkeit gewinnorientierter Versorgungsunternehmen wie Pacific Gas and Electric direkt zu den verheerenden Bränden in diesem Bundesstaat beigetragen.
Um einen Green New Deal zu erreichen und eine Infrastruktur aufzubauen, die für die arbeitenden Menschen funktioniert, müssen wir auf der Jugend-Klimabewegung aufbauen, die in den letzten Jahren Millionen von Menschen auf der ganzen Welt in den Umweltkampf gebracht hat. Die Gewerkschaften haben eine Schlüsselrolle dabei, dies voranzutreiben und sollten sich sofort der Forderung nach einem GND-Jobprogramm anschließen, einschließlich der Forderung nach der Umschulung von Arbeiter*innen in umweltverschmutzenden Industrien hin zu garantierten Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien.
Wir können studentische Klimastreikende und Arbeiter*innen im Energiesektor zusammenbringen, indem wir eine neue politische Partei aufbauen, die mit Konzerninteressen bricht und für arbeitende Menschen kämpft. Eine unabhängige Kampfpartei der Arbeiter*innenklasse könnte konkrete Siege erringen wie die Amazon-Steuer zur Finanzierung von Green New Deal-Projekten, die von Socialist Alternative und der sozialistischen Stadträtin Kshama Sawant in Seattle durchgesetzt wurde. Letztendlich müssen wir das verrottete System des Kapitalismus ganz abschaffen und eine Gesellschaft aufbauen, die auf einer demokratischen und nachhaltigen Grundlage geführt wird, eine sozialistische Gesellschaft.
Wir fordern:
- Ted Cruz und die von den Konzernen unterstützten Politiker*innen, die für diese Krise verantwortlich sind, wie Gouverneur Greg Abbott, müssen zurücktreten!
- Verhaftet und klagt die Milliardär*innen der Energiebranche an!
- Demokratische Kontrolle über ERCOT! Dient den Menschen, nicht der Gier der Milliardär*innen!
- #TaxTheRich für den Wiederaufbau von wasserbeschädigten Häusern und neuen, energieeffizienten, bezahlbaren Wohnungen! Stornierung aller Versorgungsrechnungen!
- Überführung der Energiekonzerne in demokratisches öffentliches Eigentum!
- Ein #GreenNewDeal zur schnellen Umstellung auf 100 % erneuerbare Energien, zur Schaffung von Millionen grüner Arbeitsplätze und zum Aufbau einer dauerhaften, umweltfreundlichen öffentlichen Infrastruktur, die durch Steuern auf Konzerne und Milliardär*innen bezahlt wird!
- Ein Ende des kapitalistischen Systems – für eine sozialistische Gesellschaft, die auf demokratischer und nachhaltiger Basis geführt wird!
Den Artikel im Original auf Englisch lesen.