von Hannah Windisch, Kassel
Seit über 100 Jahren ist der 8. März ein Tag des feministischen Widerstands, der seine Wurzeln in der internationalen Arbeiter*innenbewegung hat. Weltweit demonstrieren Aktivist*innen an diesem Tag für ökonomische Gleichberechtigung, für gleiche Rechte aller Geschlechter und gegen sexistische Diskriminierung und Gewalt.
Am 27. August 1910 schlug die Sozialistin Clara Zetkin auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentags vor. Durch ihre Initiative fand der erste Internationale Frauentag am 19. März 1911 in Deutschland, Dänemark, Österreich, der Schweiz und den USA statt, an dem sich über eine Millionen Frauen beteiligten. Eine der Hauptforderungen war das aktive Wahl- und Stimmrecht für Frauen, aber auch die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages, ausreichender Mutter- und Kinderschutz, die Festsetzung von Mindestlöhnen und gleicher Lohn bei gleicher Arbeitsleistung. Schnell schlossen sich Arbeiter*innen weiterer Länder an, denn zu diesem Zeitpunkt durften Frauen in keinem europäischen Land wählen oder gewählt werden (mit Ausnahmen Finnlands).
8.März: Antikriegstag und Revolutionsauftakt
Mit dem ersten Weltkrieg spitzte sich die Lage vieler Frauen drastisch zu und der Frauenkampftag wurde auch zu einem Antikriegstag. Männer wurden zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich vom Militär einberufen, sodass die Produktion in den Betrieben vielerorts von Frauen übernommen werden musste. Der Lohn blieb jedoch weiterhin niedriger als der ihrer männlichen Kollegen. Gleichzeitig litten ihre Familien unter Armut und Hungersnöten. Angesichts dieser massiven Mehrfachbelastung wählten Frauen in Russland für den Frauenkampftag 1917 das Motto „Für Brot und Frieden“. Am 23. Februar (nach gregorianischem Kalender der 8. März) legten Arbeiterinnen des Petrograder Rüstungsbetriebs Putilow unter dieser Parole ihre Arbeit nieder. Der Streik griff auf weitere Sektoren des kriegsgeschüttelten Russlands über und wurde zum Auftakt der russischen „Februarrevolution“, welche den Krieg beendete. Die „Zweite Internationale Konferenz kommunistischer Frauen 1921“ in Moskau hat den 8. März schließlich in Ehren der streikenden Arbeiterinnen Petrograds als internationalen Gedenktag eingeführt.
Auch in Deutschland radikalisierten sich die kriegsmüden Schichten der Arbeiter*innenklasse an der Friedensfrage. Einen entscheidenden Einfluss hatten dabei Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, welche das Einknicken der SPD in der Friedensfrage – die Bewilligung von Kriegskrediten – skandalisierten und eine Bewegung aufbauten, die 1918 schließlich in der Novemberrevolution mündete, den Krieg beenden und das Frauenwahlrecht erstreiten konnte.
8.März damals und heute: Für das Recht auf Abtreibung! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
In den Jahren zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg wurde der 8. März durch die Forderung nach der Möglichkeit legaler Schwangerschaftsabbrüche sowie nach Schwangeren- und Mutterschutz bestimmt. Denn die europaweite Wirtschaftskrise zwang jährlich über eine Million Frauen dazu, heimlich abzutreiben, da die Versorgung eines Kindes für viele ökonomisch unmöglich wurde. So hingen auch andere wichtige Themen der neu aufkommenden Frauenbewegung insgesamt mit Existenzsicherung zusammen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnkürzung, Senkung der Lebensmittelpreise und Schulspeisung. Forderungen, die heute – 90 Jahre später! – noch immer aktuell sind.
Die Nationalsozialisten hatten den Frauentag 1933 wegen seiner sozialistischen Tradition verboten und der Muttertag wurde zum Feiertag, welcher die Frau auf ihre Gebärfähigkeit und Rolle als Ehefrau und Mutter reduzierte.
In der Sowjetzone und späteren DDR wurde das Leitbild der Frau wieder umgekehrt. Die gleichberechtigte und vollzeitbeschäftigte Frau war Mittelpunkt der Propaganda und wurde zum Vorbild. In Westdeutschland war es die Frauenbewegung der 1960er Jahre, durch welche der Kampf um Gleichberechtigung und Selbstbestimmung wieder an Bedeutung gewann.
Heute müssen wir feststellen, in vielen Fragen seit Jahrzehnten kaum weitergekommen zu sein. Die Paragraphen 218 und 219a stehen seit dem Nationalsozialismus im Strafgesetzbuch, Fälle sexualisierter Gewalt gehören immer noch zum Alltag vieler Frauen und der Gender-Pay-Gap von ca. 20% besteht seit Jahrzehnten fort. Die Coronakrise verschärft diese Verhältnisse nun noch weiter.
Gleichzeitig sehen wir Beispiele dafür, dass wir was verändern können, wenn wir unsere Wut auf die Verhältnisse im Kapitalismus auf die Straße tragen. Daher beteiligen wir uns auch dieses Jahr an Aktionen am 8. März als bedeutenden Tag feministischen Widerstands, bis dieses System Kapitalismus endgültig zu Fall gebracht ist.