Mit der baldigen Wiederöffnung des Einzelhandels freuen sich viele Menschen darauf, wieder Kleidung einkaufen zu können. Geschäfte wie H&M und Zara werben mit niedlichen Babies, jungen Eltern und älteren Menschen, und inszenieren sich als umweltfreundlich. Dabei steht dieser Industriezweig wie kaum ein anderer für die rücksichtslose Ausbeutung von Mensch und Natur durch den Kapitalismus.
von Verena, Müllheim
Kleidungsstücke, die bei uns verkauft werden, haben oft bis zu 20.000 Kilometer zurückgelegt. H&M produziert etwa 2/3 seiner Kleidung in Asien. Dabei wird vor allem in Ländern mit einem sehr geringen Mindestlohn und kaum vorhandenen Arbeitsschutzregelungen produziert. Näher*innen (etwa 80% sind Frauen) in Bangladesch verdienen in der Regel den Mindestlohn – etwa 60 Euro im Monat – und arbeiten dafür 14h am Tag. Von diesem Lohn ist es kaum möglich, eine Krankenversicherung zu bezahlen. Viele Familien sind so arm, dass auch die Kinder schon in den Textilfabriken arbeiten müssen.
In Indien sind arme Familien teilweise dazu gezwungen, ihre Töchter in sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse zu geben – Sumangali-Arbeit genannt – damit sie Geld verdienen. Die Mädchen arbeiten dann bis zu 24h am Tag in den Textilfabriken, müssen auf dem Boden schlafen, werden isoliert und eingesperrt, um ihren Lohn geprellt und haben keinerlei Rechte. Viele sehen Selbstmord als einzigen Ausweg.
Nicht nur, dass die Menschen in diesen Ländern bis auf das letzte ausgebeutet werden, auch die Umwelt der Länder wird rücksichtlos zerstört. Um die Kosten gering zu halten und Aufträge nicht an günstigere Konkurrenten zu verlieren, stellen viele Fabriken die Kläranlagen einfach ab und leiten ihre Abwasser ungeflitert in die Flüsse. Viele Flüsse in Bangladesch, sowie teilweise auch das Grundwasser, sind inzwischen so stark verseucht, dass sie regelrecht lebensfeindlich für Pflanzen und Tiere sind. Das Wasser fließt durch die Flüsse in den Golf von Bengalen, und verseucht auch diesen. Jüngst wurde eine riesige Todeszonen entdeckt. Das ist ein Bereich, in dem Fische und andere Lebewesen nicht mehr überleben können, da der Sauerstoffgehalt im Wasser zu niedrig ist – bis zu 0.
Die Kleidung wird heutzutage aus Baumwolle oder synthetischen Fasern hergestellt. Besonders die Baumwollproduktion verbraucht ungemein viel Wasser und braucht eine hohe Menge an Pestiziden, die wiederum das Wasser verseuchen und die Tiere vergiften.
Die Produktion von synthetischen Fasern hat 2015 98 Millionen Tonnen Erdöl verbraucht. Bei jedem Waschen dieser Stoffe wird Mikroplastik freigesetzt, das inzwischen 35% des Mikroplastiks in den Weltmeeren ausmacht.
Die Textilindustrie verursacht 1,2 Billionen Tonnen CO2 jährlich. Das ist mehr als der Flugverkehr und die Schifffahrt zusammen.
Geschäfte wie H&M oder Zara bringen bis zu 24 Kollektionen jedes Jahr heraus. Von 2002 bis 2015 hat sich die Menge der produzierten Kleidungsstücke verdoppelt. Diese Kleidungsstücke sind nicht auf eine lange Lebensdauer ausgelegt, sondern sollen möglichst oft erneuert werden, zum nächsten Trend, zur nächsten Saison, oder weil sie kaputt gehen. Damit all diese Kleidung gekauft wird, investieren die Ketten viel Geld in Werbung.
Es gibt so viel alte Kleidung, dass sie nicht mehr weiterverkauft werden kann. und sie ist inzwischen oft so minderwertig, dass sie nicht wiederverwertet werden kann. Die Recyclingbranche kann inzwischen aus vielen Sachen nur noch minderwertige Produkte herstellen, wie z.B. Putzlappen. Das Aufstellen von Altkleidercontainern lohnt sich kaum noch.
Die Arbeitsbedingungen, unter denen angestellte Verkäufer*innen in Deutschland arbeiten, sind zwar deutlich besser als in der Herstellung der Bekleidung, aber sind auch hier geprägt von Prekarisierung und niedrigen Gehältern.
Die Gruppe Inditex, zu der Zara gehört, hat 2019 über 3,5 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Und Stefan Persson, dem ein Drittel von H&M gehört, besitzt ein Vermögen von über 21 Milliarden USD. Sie sind die einzigen, die an diesem System verdienen. Stefan Persson hat sich als Rückzugsort ein ganzes Dorf in Großbritannien gekauft. Er muss nicht in den verseuchten Gebieten in Bangladesch und Indien leben, wie die Leute, die seine Produkte produzieren.
Das Geschäftsmodell dieser Firmen lebt davon, dass ständig neue Kleidung gekauft wird, die möglichst schnell wieder durch neue ersetzt werden muss. Dabei muss die Produktion so billig wie möglich sein, zu Lasten von Menschen und Umwelt. Das System kann man nicht refomieren, nicht verbessern. Bei jeder Regulierung suchen die Firmen gezielt nach Möglichkeiten, sie zu umgehen, um die Kosten niedrig zu halten. Es ist ihnen egal, was nach dem Kauf mit ihrer Ware passiert, so lange schnell neue gekauft wird. Denn es geht ihnen nicht um die Menschen oder den Planeten. Für sie ist nur wichtig, dass sie genug Gewinn erzielen.
Um allen auf dem Planeten ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, ist es nötig, dieses zerstörerische System der Kleidungsindustrie zu zerschlagen. Die Produktion von Kleidung muss nachhaltig sein, ohne Umwelt und Menschen zu schädigen. Alle müssen einen ausreichenden Lohn für ein menschenwürdiges Leben erhalten – nicht nur eine Krankenversicherung muss bezahlbar sein, sondern auch Kinobesuche und Urlaub. Und das auch für alle Angestellt*innen in Ländern der neokolonialen Welt. Die produzierte Kleidung muss auf Langlebigkeit ausgelegt sein, damit möglichst wenig neu produziert werden muss und möglichst wenig als Müll endet.
Die Kapitalist*innen, die Eigentümer*innen der Modeketten und Textilfirmen und die großen Aktionär*innen werden das nicht zulassen. Denn an so einer Produktionsweise werden sie nicht mehr verdienen können – deshalb müssen wir nicht nur für besseren Umweltschutz und bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, sondern das ganze System Kapitalismus abschaffen.