Die Kapitalist*innen sind inzwischen optimistisch, was die Chancen auf einen globalen Aufschwung 2021 angeht
von Tom Crean, Socialist Alternative (ISA in den USA)
Die Auswirkungen des durch die Pandemie ausgelösten globalen Abschwungs im Jahr 2020 sind kaum zu unterschätzen. Es war der größte wirtschaftliche Einbruch seit der Großen Depression in den 1930er Jahren. Weltweit ging Arbeitszeit im Gegenwert von 255 Millionen Arbeitsplätzen verloren. Die Weltbank schätzt, dass die Zahl der Menschen in „tiefer Armut“, definiert als Leben mit weniger als 1,90 Dollar pro Tag, um atemberaubende 119 – 124 Millionen Menschen angestiegen ist.
Aber nicht alle haben gelitten. Laut einer Analyse des Magazins Forbes wuchs das Vermögen der Milliardär*innen der Welt im Jahr 2020 um 1,9 Billionen Dollar! Die Ungleichheit ist sowohl innerhalb der Nationen als auch zwischen den reichen Ländern und der „sich entwickelnden“ Welt deutlich gewachsen.
Dennoch sind die Kapitalist*innen inzwischen optimistisch geworden, was die Aussichten auf eine globale Erholung im Jahr 2021 angeht. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) prognostizierte kürzlich ein globales Wirtschaftswachstum von 5,6% im Jahr 2021, nach einem Rückgang von 3,5% im Jahr 2020. Diese Schätzung für 2021 liegt um 1,4% über der Prognose vom November. Ganze 1% des zusätzlichen geschätzten globalen Wachstums ist auf das 1,9 Billionen Dollar schwere Konjunkturprogramm zurückzuführen, das der US-Kongress Anfang des Monats verabschiedet hat.
Diese Schätzung basiert auf einer Reihe von sehr optimistischen Annahmen, die in Frage gestellt werden müssen. Sie lässt auch alle zugrundeliegenden Widersprüche des heutigen Kapitalismus unberücksichtigt. Der Aufschwung, der in hohem Maße auf noch nie dagewesenen und nicht nachhaltigen fiskalischen und monetären Finanzspritzen beruht, wird sehr ungleichmäßig verteilt sein und wahrscheinlich nur kurz andauern, bevor sich der depressive Trend in der Weltwirtschaft wieder durchsetzen wird.
Pandemie-Perspektiven
Die Prognosen für die Weltwirtschaft können natürlich nicht vom Verlauf der Pandemie und den Fortschritten bei der Impfung der Bevölkerung getrennt werden. Einige der wohlhabendsten Länder, insbesondere die USA und Großbritannien (sowie Israel), haben nach einem katastrophalen Versagen im Umgang mit der Pandemie große Fortschritte bei der Impfung ihrer Bevölkerung gemacht. Etwa ein Drittel der Erwachsenen in den USA und mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Großbritannien haben inzwischen mindestens eine Dosis eines Impfstoffs erhalten. Damit besteht die Aussicht auf eine umfassendere Öffnung und die „Rückkehr zur Normalität“ bis zum Sommer.
Generell beruhen die Wachstumsprognosen der OECD auf optimistischen Annahmen über den weiteren Verlauf der Pandemie. Aber auch in den Wochen seit der OECD-Ankündigung sehen wir wieder, wie die Unfähigkeit zur Eindämmung des Virus und die Versäumnisse der Kapitalist*innen, einen vernünftigen globalen Plan für die Impfung zu entwickeln, weitere Gefahren für die Gesundheit der Weltbevölkerung und für die wirtschaftliche Erholung schaffen.
Die Situation in der Europäischen Union (EU) ist sehr aufschlussreich. Letzten Herbst feierten die kapitalistischen Medien die EU als eine relative Erfolgsgeschichte unter den wohlhabenderen Nationen, insbesondere im Vergleich zu den USA und zu Großbritannien. Doch nun hinkt die EU im Wettlauf um die Impfung deutlich hinterher: So haben beispielsweise nur 12% der deutschen Bevölkerung mindestens eine Dosis erhalten. Dies ist zum Teil das Ergebnis von Lieferengpässen, zusätzlich zu dem Versäumnis, die Versorgung in einem frühen Stadium zu sichern, verschlimmert durch einen extrem inkompetenten Verteilungsprozess. Dies hat nur noch mehr zu einer massiven Impfskepsis beigetragen. All dies kam inmitten einer neuen schlimmen Welle der Pandemie in Europa, die zu einer neuen Welle von Lockdowns führt.
Abgesehen davon, dass es ein großer Schlag für das Ansehen von EU-Politiker*innen wie Merkel und Macron ist, hat das Impfchaos in Verbindung mit der neuen COVID-Welle der europäischen Wirtschaft einen weiteren Schlag versetzt und ein großes Fragezeichen hinter die Fähigkeit gesetzt, den Tourismus in diesem Sommer wieder vollständig zuzulassen. Die EU-Wirtschaft wird nun im ersten Quartal 2021 voraussichtlich um 1,5% schrumpfen (revidiert von einem Rückgang um 0,8%), was bedeutet, dass sich die EU derzeit in einer „Double-Dip“-Rezession befindet.
Außerhalb der wohlhabenden Länder ist das Tempo der Impfung noch langsamer und hat in vielen Ländern noch nicht einmal begonnen. Bei dem derzeitigen Tempo würde es voraussichtlich Jahre dauern, bis die Weltbevölkerung geimpft ist. In Indien gibt es jetzt eine neue Welle der Pandemie, während in Brasilien die Ausbreitung gefährlicher neuer Mutationen und die kriminelle Nachlässigkeit des Bolsonaro-Regimes das Gesundheitssystem bis zum Zusammenbruch belasten.
Von Anfang an wurde die Bekämpfung der Pandemie durch den Zustand der Gesundheitssysteme erschwert, die selbst in relativ wohlhabenden Gebieten wie Norditalien durch jahrzehntelange neoliberale Kürzungen drastisch geschwächt sind. Hinzu kommt das völlige Fehlen eines weltweit koordinierten Vorgehens und einer Strategie für das Impfen. Die Imperialist*innen der EU, Großbritanniens und der USA haben die Profite und „geistigen Eigentumsrechte“ der Pharmariesen in ihren Ländern geschützt und sich geweigert, die Rezepturen für die Impfstoffe kostenlos mit dem Rest der Welt zu teilen, was die Impfkampagne massiv beschleunigen würde.
Ein solcher Schritt wäre nicht nur im Interesse der Gesellschaft, sondern auch im Interesse der Kapitalist*innen. Je länger die Pandemie in weiten Teilen der Welt ungebremst anhält, desto größer ist die Chance, dass sich noch gefährlichere Varianten entwickeln, die die Pandemie neu entfachen könnten. Doch dieses rationale Vorgehen wird durch die Konkurrenz zwischen den Imperialist*innen blockiert.
Stattdessen haben wir das Spektakel des „Impfstoff-Nationalismus“. Auf der einen Seite wird Impfstoff gehortet, wobei die EU Exportkontrollen verhängt und Indien, ein wichtiger Produzent von Impfstoffen, den Export vorerst verbietet. Die USA werden in den kommenden Monaten wahrscheinlich auf einem massiven Vorrat an Impfstoffen sitzen, haben aber nur sehr wenige Zusagen gemacht, den Überschuss mit anderen Ländern zu teilen. Unterdessen haben China und Russland die Bereitstellung von Impfstoff für bestimmte Länder als Teil ihrer diplomatischen Offensive im neuen Kalten Krieg mit den USA genutzt. Die USA, Indien, Australien und Japan, die gemeinsam als „der Quad“ in Sicherheitsfragen agieren, haben darauf mit einem Plan reagiert, eine Milliarde Dosen des Impfstoffs in Indien zu produzieren, der von den USA für Südostasien finanziert wird – offensichtlich ein Versuch, der chinesischen Impfstoffdiplomatie entgegenzuwirken.
Die Schwierigkeiten beim Aufbau einer Herdenimmunität aufgrund des völligen Fehlens eines globalen Ansatzes für eine globale Krise und die Gefahr weiterer tödlicher Mutationen weisen auf das Potenzial für ernsthafte Komplikationen mit der von der OECD skizzierten Wachstumsperspektive hin.
Der Einfluss des US-Konjunkturprogramms auf die Weltwirtschaft
Sofern keine katastrophalen kurzfristigen Entwicklungen eintreten, werden die wohlhabenden Länder – insbesondere diejenigen, in denen die Impfstoffe schnell eingeführt wurden – ihre Wirtschaft im Laufe des Jahres 2021 mehr oder weniger schnell wieder ankurbeln können, und ein deutlicher Aufschwung ist wahrscheinlich. Nach einem wirtschaftlichen Einbruch im Jahr 2020, von dem 93 Länder betroffen waren, werden die Wachstumszahlen beeindruckender aussehen, als sie tatsächlich sein werden.
Ein wichtiger Faktor bei den Prognosen für das globale Wachstum ist der Nachholbedarf in einer Reihe der wohlhabenden Länder. Teile der Bevölkerung, vor allem Teile der Mittelschicht, haben während der Pandemie gespart, weil sie von zu Hause aus arbeiteten und nicht reisten. Den größten Anteil an der aufgestauten Nachfrage haben jedoch die massiven Konjunkturprogramme, die in einigen Ländern verabschiedet wurden. Während sich die Konjunkturmaßnahmen in den USA seit Beginn der Pandemie auf 27% des BIP belaufen, entsprechen die Maßnahmen in Deutschland 20% und in Japan vermutlich 30%.
Aber das neue US-Konjunkturpaket ist international von besonderer Bedeutung. Es entspricht schwindelerregenden 9% des US-BIP; die OECD prognostiziert für die US-Volkswirtschaft in diesem Jahr ein Wachstum von 6,5%, ein Niveau, das seit den frühen 80er Jahren nicht mehr erreicht wurde. Die Auswirkungen der gestiegenen Nachfrage in den USA auf wichtige Handelspartner der USA, darunter Kanada und Mexiko, aber auch China und die Europäische Union, sind ebenfalls erheblich. Im vergangenen Jahr trug die Nachfrage aus den wohlhabenden Ländern nach Schutzausrüstung, Computern, Sportgeräten und verschiedenen anderen langlebigen Konsumgütern massiv zu den chinesischen Exporten bei und ermöglichte es China, als einzige große Volkswirtschaft ein nominales Wachstum zu verzeichnen, auch wenn die Wirtschaftsleistung durch das Regime deutlich übertrieben dargestellt wurde. Basierend auf dem neuen US-Konjunkturpaket hat die UBS-Bank ihre Prognose für Chinas Exportwachstum in diesem Jahr von 10% auf 16% angehoben.
Auf den Finanzseiten der großen bürgerlichen Medien wird viel darüber diskutiert, ob das Konjunkturpaket zu einer höheren Inflation in den USA führen und die Federal Reserve zwingen wird, die Zinssätze zu erhöhen, um eine „überhitzte“ Wirtschaft zu bremsen. Das Biden-Konjunkturprogramm und frühere Konjunkturpakete im Jahr 2020 wurden alle ausschließlich durch Kredite finanziert. Nachdem jahrzehntelang das Gespenst der Inflation herhalten musste, um Sparmaßnahmen zu rechtfertigen, haben die Federal Reserve und das US-Finanzministerium eine 180-Grad-Wende vollzogen und erklären nun, dass die Inflation nicht länger ein großes Problem sei. Der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, sagt, dass selbst wenn es in diesem Jahr zu einer Inflation kommen sollte, diese nur vorübergehend sein wird und keine größeren Zinserhöhungen rechtfertigen wird, da ein Anstieg der Kreditkosten die nächste Rezession auslösen und Pläne für weitere Konjunkturmaßnahmen erschweren könnte. In der Tat werden wahrscheinlich weitere Maßnahmen notwendig sein, auch wenn sie zielgerichteter sind, während die unvermeidlichen Versuche, Konjunkturmaßnahmen durch Sparmaßnahmen zu ersetzen, die Weltwirtschaft in der nächsten Periode destabilisieren könnten.
Es muss betont werden, dass die Fähigkeit der USA, solche schwindelerregenden Summen zu leihen, auf historisch niedrigen Zinssätzen und niedriger Inflation sowie auf der Position des Dollars als globale Reservewährung beruht. Der US-Imperialismus befindet sich in der privilegierten Lage, auf scheinbar unbegrenzte Mittel zugreifen zu können und sehr wenig dafür zu bezahlen. Wie Leo Trotzki über die Politik des New Deal in den 1930er Jahren sagte, war sie „eine amerikanische Politik par excellence“, die den meisten Ländern nicht zur Verfügung stand und schon gar nicht den armen Ländern. Und während es für ärmere Länder einen gewissen Aufschwung durch die Konjunkturmaßnahmen der reichen Länder geben kann, wird dies auch dazu führen, dass Investitionen weiter von den armen Ländern weggelenkt werden und ihre eigenen drohenden Schuldenkrisen noch verschärft werden.
Biden hat nun einen weiteren massiven, zweistufigen Infrastrukturplan in Höhe von 3 bis 4 Billionen Dollar vorgestellt, von dem er behauptet, dass er durch eine Erhöhung der Körperschaftssteuer und der Steuern für Wohlhabende finanziert werden soll. Dieser Plan wird zwar als Teil einer Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels und als Beschäftigungsprogramm zur Beseitigung historischer Ungerechtigkeiten dargestellt, ist aber auch ein Teil der sich vertiefenden Konkurrenz des Kalten Krieges mit dem aufstrebenden chinesischen Imperialismus. Doch während ein Teil der herrschenden Klasse eine höhere Körperschaftssteuer als notwendigen Preis für das Erreichen bestimmter strategischer Ziele sehen wird, wird dies auf erheblichen Widerstand von Teilen stoßen, die höhere Steuern mit religiösem Eifer ablehnen.
Die Abkehr von der neoliberalen Politik
Das Ausmaß der Maßnahmen, die von der herrschenden Klasse in den USA in dieser Krise ergriffen wurden, stellt eine große Richtungsänderung dar. Unter Bezugnahme auf das Ausmaß der fiskalischen Intervention und der Impfkampagne wies die Financial Times (13.3.21) kürzlich darauf hin:
„Zusammengenommen erinnert dieser Ausbruch von Regierungsaktivismus an Franklin Delano Roosevelts „New Deal“ während der Depression und an Lyndon Johnsons Reformen der „Great Society“ in den 1960er Jahren.
Der US-Präsident und viele Demokraten hoffen auch, dass es eine kraftvolle Widerlegung von Ronald Reagans totemistischer Bemerkung im August 1986 werden kann, dass „die neun furchterregendsten Worte in der englischen Sprache sind: ‚I’m from the government and I’m here to help.‘“ („Ich bin von der Regierung und ich bin hier, um zu helfen.“)
„Dieses Mantra läutete eine Periode der Deregulierung, niedriger Steuern, begrenzter Inlandsausgaben und des Glaubens an freie Märkte als Hauptpfeiler der amerikanischen Wirtschaftspolitik ein. Diese Glaubenssätze wurden nach der globalen Finanzkrise zunehmend in Frage gestellt, obwohl sie während der Regierung von Donald Trump teilweise wiederbelebt wurden. Dennoch konnten sie dem Ansturm der Pandemie nicht standhalten, die Amerikaner*innen sehnten sich nach einem stärkeren Engagement Washingtons und boten Biden die Chance, diese Lücke zu füllen.“
Die Abkehr der US-Elite von der neoliberalen Politik, die die Financial Times beschreibt, ist das Ergebnis mehrerer Faktoren, wie die International Socialist Alternative dargelegt hat. Erstens ist dies die zweite große Krise, die der Kapitalismus innerhalb von etwas mehr als einem Jahrzehnt erlebt. Während der Finanzkrise 2008/9 lag der Fokus auf der Geldpolitik, die Geld (insbesondere durch Quantitative Easing) in die Finanzmärkte pumpte, um das Bankensystem zu stützen. Aber wie die Zentralbanker*innen selbst zugeben, wäre eine ausschließliche Fokussierung auf die Geldpolitik dieses Mal katastrophal gewesen. Durch nationale Lockdowns drohte ein Nachfrageeinbruch und Massenverelendung, die nur durch fiskalische Interventionen in einem seit dem New Deal nicht mehr gekannten Ausmaß verhindert werden konnten.
Zweitens besteht bei der Biden-Regierung die Entschlossenheit, „die Lehren“ aus 2008/9 zu ziehen. Nach Ansicht vieler liberaler Ökonom*innen haben die begrenzten Konjunkturimpulse in Kombination mit den massiven Sparmaßnahmen in der EU und den USA damals dazu geführt, dass die anschließende Erholung viel langsamer und flacher verlief.
Schließlich hat die herrschende Klasse in den USA gesehen, dass massenhafte Ungleichheit und extreme politische Polarisierung zur BLM-Bewegung im letzten Sommer und dann zu Trumps drohendem Putsch und dem Angriff auf das Kapitol am 6. Januar beigetragen haben. Sie haben erkannt, dass sie in Gefahr waren, die Kontrolle über die Situation zu verlieren, und dass es daher notwendig ist, Schritte zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Staat zu unternehmen, um der nächsten sozialen Eskalation zuvorzukommen.
Die Situation bleibt zutiefst instabil
Ist der wahrscheinliche Aufschwung der Weltwirtschaft der Beginn eines allgemeineren Aufschwungs? Einige in den bürgerlichen Medien haben die Situation mit den Nachwehen des Ersten Weltkriegs und der verheerenden Grippeepidemie von 1918-20 verglichen, auf die die „roaring 20s“ in den USA und Europa folgten.
Solche Erwartungen sind fehl am Platze. Die eigentliche Ursache der aktuellen Krise und der Krise in den Jahren 2008/9 ist der zunehmend parasitäre und sklerotische Charakter des Kapitalismus. Während der neoliberalen Ära, beginnend mit dem Ende des Nachkriegsbooms in den späten 70er Jahren, stellte die Kapitalist*innenklasse ihre Profitabilität wieder her, indem sie den öffentlichen Sektor und den Lebensstandard der Arbeiter*innen angriff. Sie profitierte auch von der Öffnung der neuen Märkte nach dem Zusammenbruch des Stalinismus. Dies führte zu einem massiven Anstieg der Ungleichheit und untergrub die Möglichkeiten der arbeitenden Menschen am produzierten Wohlstand teilzuhaben. Das Ergebnis war ein schrumpfendes Feld für profitable Erträge aus produktiven Investitionen und ein sinkendes Produktivitätswachstum, wobei überschüssiges Kapital in das Finanzkasino gesteckt wurde.
Der Aufschwung, angeheizt durch massive Staatsausgaben, würde keines dieser Probleme lösen. Selbst in den USA könnte der Aufschwung zwar Millionen wieder in Arbeit bringen, aber er wird weit davon entfernt sein, die durch die Krise von 2020 verursachten Schäden zu beseitigen, einschließlich der massiven Verschuldung großer Teile der Arbeiter*innenklasse, des starken Rückgangs der Erwerbsbeteiligung von Frauen und der Hunderttausende von Kleinbetrieben, die nicht wiedereröffnet werden.
Der Aufschwung wird auch durch eine massive Erhöhung der Staatsverschuldung bezahlt, die in den USA inzwischen ein Ausmaß erreicht hat, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr der Fall war. Das ist nicht nachhaltig, zumal es keine Aussicht auf eine längere Periode signifikanten Wachstums gibt. Stattdessen wird die herrschende Klasse wie in jeder vorherigen Krise versuchen, die Rechnung für die Krise in der nächsten Periode der Arbeiter*innenklasse zu präsentieren, was nur zu noch größerer Verelendung und Ungleichheit führen wird.
Darüber hinaus ist die Annahme, dass die Inflation und die Zinssätze weiterhin super niedrig bleiben werden, was eine solch massive Verschuldungsspirale ermöglicht hat, ahistorisch. Die Inflation könnte gegen Ende des Jahres zunehmen, obwohl der Gesamtkontext weltweit deflationär bleibt. Unabhängig von den aktuellen Beteuerungen der Fed könnte ein starker Inflationsschub, auch wenn er nur vorübergehend ist, einen Anstieg der Zinssätze erzwingen und den Aufschwung zu einem schnellen Ende bringen.
Neben der Möglichkeit einer „Überhitzung“ in der Realwirtschaft droht eine Finanzkrise, die auch durch die massive Liquiditätsspritze in die Finanzmärkte angeheizt wird, mit denen seit März letzten Jahres eine Implosion verhindert wurde. Dies hat zu Spekulationsblasen bei Aktien und anderen Vermögenswerten, einschließlich Immobilien, geführt.
Ein weiterer Auslöser der nächsten Phase der Weltwirtschaftskrise könnte von den sich abzeichnenden Zahlungsausfällen einer ganzen Reihe armer Länder ausgehen, die nicht über die geld- und fiskalpolitischen Instrumente verfügen, die den Imperialist*innen zur Verfügung stehen, und die im Allgemeinen weitaus härter vom Wirtschaftsabschwung getroffen wurden. Besonders extrem ist die Situation im Libanon, wo zügellose Korruption und Misswirtschaft im Staatsapparat einen Bankenkollaps und eine Hyperinflation ausgelöst haben. Weite Teile der Bevölkerung sind verarmt. So könnte das Schicksal vieler Länder in der nächsten Periode aussehen.
Kurzum: Es gibt keine Grundlage auf der der Kapitalismus zu einer stabilen Situation zurückkehren könnte. Die Regierungen haben eine beispiellose monetäre Feuerkraft eingesetzt, um einen vollständigen Zusammenbruch 2008/9 abzuwenden. Jetzt setzen sie eine beispiellose fiskalische und monetäre Feuerkraft ein, um mit dieser Krise fertig zu werden. Was werden sie tun, wenn die nächste Krise kommt?
Die ISA hat diese Periode als depressiv bezeichnet. Das bedeutet nicht, dass alle Trendlinien ständig nach unten zeigen müssen, sondern dass es für den Kapitalismus keinen Weg zu stabilem Wachstum gibt. Und eine depressive Periode bedeutet nicht, dass es keine temporären Aufschwünge geben kann, wie es sie sogar in der Großen Depression der 1930er Jahre gab.
Deglobalisierung
Der depressive Trend wird durch den Trend zur Deglobalisierung noch verstärkt. Die Pandemie hat die globalen Versorgungsketten unter enormen Druck gesetzt und massive Probleme mit dem „just in time“-Produktionsmodell offengelegt, insbesondere im Gesundheitswesen, da Länder und Regionen darum rangen, sich den Zugang zu lebenswichtigen medizinischen Gütern zu sichern. In jüngster Zeit wurde das Containerschiff Ever Given, das eine Woche lang im Suezkanal festsaß und eine lebenswichtige Handelsader mit Milliardenkosten blockierte, zum Sinnbild für diese Belastungen.
Die strategische Rivalität zwischen den USA und China hat den Prozess der wirtschaftlichen „Abkopplung“ zwischen den beiden Ländern beschleunigt. Seit Jahren hat China bewusst versucht, mit staatlichen Investitionen seine Stärke in der Spitzentechnologie auszubauen. Es hat versucht, sich die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen weltweit zu sichern und die strategische Industrien zu stärken. Die USA werden nun in die gleiche Richtung gehen. Bereits jetzt hat ein Mangel an elektronischen Bauteilen eine Reihe von Fertigungslinien in den USA vorübergehend stillgelegt, was die Diskussion darüber anheizt, wie die Versorgung der USA mit diesen kritischen Komponenten für die Produktion gesichert werden kann. All dies deutet eher auf mehrere regionale Lieferketten als auf ein integriertes globales System hin.
Unter Trump verhängten die USA umfangreiche Zölle auf chinesische Importe. Einige erwarteten, dass diese unter Biden rückgängig gemacht oder reduziert werden würden. Doch bisher gibt es keine Anzeichen dafür. Stattdessen verhängten die USA, Kanada, Großbritannien und die EU kürzlich Sanktionen gegen chinesische Beamte wegen ihrer Politik gegenüber der uigurischen Minderheit in Xinjiang, was zu Gegensanktionen durch China führte. Nun scheint ein neues Investitionsabkommen zwischen China und der EU in Gefahr zu sein. Inzwischen gibt es in China staatlich sanktionierte Boykotte gegen ausländische Einzelhändler, die die chinesische Politik kritisiert haben.
Es wird nun häufig der Vergleich mit dem Kalten Krieg zwischen der Sowjetunion und den USA nach dem Zweiten Weltkrieg gezogen. Aber das war ein Konflikt zwischen zwei konkurrierenden Gesellschaftssystemen, die nicht Teil eines verflochtenen Weltmarktes waren. Außerdem fand er während des größten Wirtschaftsaufschwungs in der Geschichte des Kapitalismus statt. Die Situation, in der wir uns heute befinden, ist eher mit der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen von 1918 bis 1939 zu vergleichen, einer Zeit der allgemeinen Stagnation des Kapitalismus mit zunehmenden und sich verschärfenden globalen Rivalitäten.
Ein hohes Maß an Protektionismus war ebenfalls ein bestimmendes Merkmal der Zwischenkriegszeit, insbesondere der 1930er Jahre. Natürlich ist es richtig, dass die Weltwirtschaft heute viel stärker verflochten ist, und das lässt sich nicht einfach rückgängig machen. Aber die Trendlinie ist das, was wichtig ist. Das Wiedererstarken nationaler Interessen und die zunehmende Zerrissenheit der Länder in zwei „Lager“ wird die Art von vernetzter Weltwirtschaft, wie sie in den letzten Jahrzehnten bestand, weiter aushöhlen. Die zunehmende Hinwendung der kapitalistischen Regierungen zu staatlicher Intervention und nationalistischer Wirtschaftspolitik wird aber ebenso wenig wie in den 1930er Jahren weitere Krisen abwenden oder lösen können.
Kein Ausweg im Kapitalismus
Während neue Mutationen oder weitere Probleme mit Impfkampagnen das Ausmaß der wirtschaftlichen Erholung in diesem Jahr beeinträchtigen können, werden sie sie wahrscheinlich nicht vollständig stoppen. Aber der Aufschwung wird nur vorübergehend sein, und es gibt eine Reihe von Faktoren, die die nächste Welle der Krise auslösen können. Und natürlich werden die Vorteile weltweit sehr ungleichmäßig verteilt sein.
Ein vorübergehender Aufschwung kann sich jedoch positiv auf den Klassenkampf in vielen Ländern auswirken und den Arbeiter*innen mehr Selbstvertrauen geben, aktiv zu werden. In einem Land nach dem anderen haben wir bereits gesehen, dass Arbeiter*innen im Gesundheitswesen und Erzieher*innen bereit waren, trotz ihrer Erschöpfung aufzustehen.
Es gibt eine massive Wut über die Art und Weise, wie degradierte Gesundheitssysteme so viele Todesopfer verursacht haben, und über das Versagen, Arbeiter*innen an vorderster Front während der Pandemie zu schützen. Jeder Versuch, Leistungen und Schutzmaßnahmen rückgängig zu machen, die die Menschen vor der Verelendung bewahren, wird ernsthaften Widerstand hervorrufen. Die Forderung nach dauerhaften Veränderungen, die der Masse der Bevölkerung zugute kommen, wird wachsen.
Die Nachfrage nach grundlegenden Veränderungen wird noch stärker werden, wenn sich die Auswirkungen des Klimawandels verschlimmern. Dies ist die andere und noch tiefere Krise, die durch die Pandemie und die Wirtschaftskrise vorübergehend in den Hintergrund gedrängt wurde.
Wenn man sieht, wie weit der Kapitalismus bereit ist zu gehen, um dieses verfallende System zu retten, werden sich zig Millionen Menschen fragen, warum wir den Kapitalismus nicht ganz abschaffen können. Alle gegenwärtigen Entwicklungen weisen auf die dringende Notwendigkeit hin, einen vernunftorientierten demokratischen und weltweiten Plan in Kraft zu setzen, der auf öffentlichem Eigentum an den wichtigsten Wirtschaftssektoren basiert, um die Herausforderungen zu bewältigen, denen wir als Spezies gegenüberstehen.
Original: https://internationalsocialist.net/en/2021/04/ready-for-a-rebound