Seit einem Jahr kämpfen die ehemaligen Angestellten von Debenhams in Irland um eine gerechte Abfindung. Nachdem die Schließung des Unternehmens bekannt gegeben worden war, hatte die Arbeitgeberseite versucht, die Arbeiter*innen mit nur einem Teil der ihnen zustehenden Abfindung zu entlassen. Seitdem Blockieren die ehemaligen Verkäufer*innen die Restlager, mit einem Warenwert von etwa 19 Millionen Euro, und verhindern den Abtransport der Ware.
Wir sprachen mit Michael O’Brien, Mitglied der Socialist Party und ehemaliger Stadtrat von Dublin.
von Verena B., Müllheim
Warum haben die Arbeiter*innen mit den Protesten begonnen?
Das Unternehmen kündigte den Arbeiter*innen seine Schließung am 9. April 2020 an, als extreme Lockdown-Bedingungen herrschten. Die Arbeiter*innen begannen unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen mit Protesten und ihre Gewerkschaft MANDATE rief Ende Mai zum Streik auf, um ihre Forderungen durchzusetzen.
Der drohende Jobverlust ist für viele Menschen existenzbedrohend. Was bedeutet das für die Angestellten in den Filialen?
Neben dem Arbeitslosengeld bekommt während der Pandemie jede*r, der*die den Arbeitsplatz verloren hat, eine Sonderzahlung von 350 € pro Woche – was sehr hilfreich war, um den Streik durchzuhalten. Einige der 955 Arbeiter*innen haben im Laufe des letzten Jahres eine neue Anstellung gefunden, aber die meisten nicht, da der Einzelhandel meistens geschlossen ist.
Was für Angebote wurden ihnen von der Arbeitegeberseite gemacht?
Ursprünglich wurde ihnen nur erklärt, dass sie ihre gesetzlichen Mindestansprüche erhalten werden. Das heisst eine Abfindung in Höhe von zwei Wochenlöhnen für jedes Jahr, das sie im Unternehmen gearbeitet haben. Das ist weniger als eine Vereinbarung von 2016 festlegt. Damals hatten sich die Gewerkschaft und das Unternehmen darauf geeinigt, dass Arbeiter*innen, die ihren Job verlieren, vier Wochen Lohn für jedes Beschäftigungsjahr erhalten. Diese vier Wochen Gehalt pro Jahr waren die Hauptforderung der Arbeiter*innen
Kämpfen sie nur für sich selbst, oder versuchen sie auch Grundlegendes zu ändern?
Neben der Forderung nach dem Geld kämpfen sie auch dür eine bessere Stellung der Arbeiter*innen im Liquidationsprozess. Sie sollen höher eingestuft werden, als andere Gläubiger*innen und „bessere“ Betriebsvereinbarungen sollen eingehalten werden.
Sie haben häufige Märsche zum Parlament abgehalten und auch Treffen mit Politiker*innen gehabt, einschließlich unseres Ministerpräsidenten.
Hat die Regierung ihnen bei ihrem Kampf geholfen?
Die Regierung hat ein paar nette Worte gesagt und versprochen, dass sie noch zu Amtszeiten Gesetze einführen wird, um die Lage von Arbeiter*innen in so einer Situation zukünftig zu verbessern.
Haben Sie Unterstützung von anderen Gewerkschaften erhalten?
Ja, viele andere Gewerkschaften haben zur Unterstützung Geld gespendet, oft durch Vorschläge unserer Genoss*innen oder anderer Linker in den Gewerkschaftsstrukturen. Der Kampf der Arbeiter*innen von Debenhams ist sehr bekannt in Irland und viele Menschen sympathisieren mit den Arbeiter*innen.
Unsere Genoss*innen in England haben dort einige Solidaritätsaktionen vor Debenhams durchgeführt und sind sogar einmal in die Vorstandsetage des Unternehmens in London eingedrungen. Leider waren die Arbeiter*innen von Debenhams in Britannien, die auch ihre Jobs verloren haben, weniger gut organisiert und es gab dort keinen großen Kampf, trotz unserer Bemühungen Verbindungen aufzubauen, besonders mit den Arbeiter*innen in Manchester, wo es einige Aktivist*innen gibt.
Welche Rolle hat die Basis bei der Organisation der Proteste gespielt?
Die Gewerkschaft hat die ganze Zeit eine passive Rolle gespielt. Die Arbeiter*innen selber haben letztes Jahr mit unserer Unterstützung begonnen vor den Geschäften, dem Paralament und Filialen der „Bank of Ireland“ zu protestieren. Die Gewerkschaft hielt dann letzten Mai eine Urabstimmung über den Streik ab, bot aber keine Strategie an, wie er gewonnen werden könnte. Als der Lockdown aufgehoben wurde, organisierten die Vertrauensleute die Streikposten, Besetzungen und andere Protestaktionen.
Wie ist die gewerkschaftliche Organisation in Irland? Gibt es viele Proteste und Streiks?
Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Irland ist von einem Höchststand von 70 % in den 1970er Jahren auf heute nur 25 % gesunken – was immer noch höher ist als in vielen anderen Industrieländern. Wir hatten viele Jahre lang ein System der „Sozialpartnerschaft“ zwischen der Regierung, den Bossen und der Gewerkschaftsführung, das die Bewegung geschwächt hat. Es gab aber ein paar Kämpfe, in denen die Basis die Kontrolle hatte, wie bei den Arbeiter*innen von Debenhams. Die Gewerkschaft hatte keine Vision, dass etwas gewonnen werden könnte. Alle Initiativen sind von den Vertrauensleuten ausgegangen, mit Unterstützung von uns und anderen linken Gruppen.
Haben alle Arbeiter*innen das ganze Jahr durchgehalten?
Manche sind müde geworden und haben aufgegeben – abes es gibt noch immer eine harten Kern von gut 200 Arbeiter*innen, die den Kampf aufrecht erhalten.
Gab es Versuche, die Blockade zu brechen und die Lager zu räumen?
Ja, sie haben Streikbrecher*innen eingesetzt, die in Zusammenarbeit mit der Polizei das wertvolle Inventar für den Abtransport vorbereiten sollten. Das wird inzwischen sehr oft versucht.
Gibt es Sorge unter den Arbeiter*innen, dass der Streik nicht (mehr) gewonnen werden kann?
Ich denke, die Arbeiter*innen haben alles gegeben und sind zufrieden mit ihrem Kampf. Es gibt ein Angebot des Staats über einen 3-Millionen-Euro-Bildungsfond für die Arbeiter*innen. Dieses Angebot wurde im Januar abgelehnt, könnte aber in den kommenden Wochen angenommen werden, um den Kampf zu einem Ende zu bringen.
Was hat die Socialist Party getan, um die Blockade zu unterstützen?
Von Anfang an hatten wir fast wöchentliche Zoom-Treffen mit den Arbeiter*innen, mit den Vertrauensleuten und anderen Aktivist*innen. Wir haben bei der Planung der Proteste und Besetzungen geholfen und haben Solidaritätsarbeit organisiert und um Unterstützung in der breiteren Gewerkschaftsbewegung und der Arbeiter*innenklasse geworben. Unser Abgeordneter Mick Barry hat das Thema immer wieder im Parlament angesprochen.
Was denkst du, wie wird der Streik ausgehen?
Ich denke, das Angebot des Ausbildungsfonds wird ernsthaft in Betracht gezogen werden. Aber selbst wenn es angenommen wird und der Streik beendet ist, wollen viele der Arbeiter*innen weiter für eine Gesetzesänderung kämpfen, um zu verhindern, dass anderen Arbeiter*innen das Gleiche passiert. Mick Barry hat einen Gesetzesentwurf im Parlament eingebracht, der das beinhaltet.
Bild: Fiona ellis-chadwick, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons