Tatort Kaiser-Wilhelm-Platz in Siegburg. Dort befindet sich im Kreishaus die sogenannte Ausländerbehörde, die unter Anderem für die Anordnung und Durchführung von Abschiebungen zuständig ist. Für die Behörde ist das alltägliche Verwaltungspraxis, für die Betroffenen eine Entscheidung über ihre Existenz. Gerade der Rhein-Sieg-Kreis scheint besonders repressiv vorzugehen und seine Ermessensspielräume so oft wie möglich zu Lasten der Betroffenen zu nutzen.
So auch im jüngsten Fall.
von Christoph Emmerich
Dort wurde eine suizidgefährdete Frau aus einer Klinik in Bonn von der Bundespolizei um 4 Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen, um abgeschoben zu werden. Beim 16-jährigen Sohn legte die Polizei gleich die Handschellen an. Vor allem die Begründung ist grotesk: Weil die betroffene Frau psychisch krank ist und die Ausländerbehörde dem Sohn eine Ausbildung verweigerte, verkündete die Pressesprecherin des Kreistages, dass die Integrationsperspektive der Familie gering sei. Würde die Behörde ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und Mutter und Sohn eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis erteilen oder zumindest die Abschiebung aussetzen, stünde der geforderten Integration nichts im Wege. Aber das ist politisch offenbar nicht gewollt.
Die Rolle der bürgerlichen Parteien
Im Rhein-Sieg-Kreis regieren seit mehr als 20 Jahren CDU und Grüne gemeinsam im Kreistag und betreiben eine Politik im Sinne besten rheinischen Klüngels. Im Windschatten der grünen Welle bei den Kommunalwahlen 2020 verfügt die schwarz-grüne Koalition über noch breitere Mehrheiten. Für die Geflüchteten Menschen bedeutete die grüne Regierungsbeteiligung aber keine Verbesserung. Im Gegenteil: Aus informierten Kreisen ist bekannt, dass die Kreisverwaltung die Vorschriften besonders rigoros auslegt. So auch im Jahr 2019 als ein Mensch aus dem Iran trotz seiner Behinderung aus dem Krankenhaus in Troisdorf-Sieglar abgeschoben wurde. Noch nicht einmal seinen lebensnotwendigen Rollstuhl durfte er mitnehmen. Im jüngsten Fall hatte die Kreisverwaltung sogar die Empfehlung der Härtefallkommission des Landes NRW sowie der Petitionsausschusses des Landtages NRW den Aufenthalt der Familie zu gewähren, konsequent übergangen. Das war ein massiver Verstoß gegen die Entscheidungskompetenzen des gewählten Parlaments durch die Verwaltung, der angeblich nur „ausführenden“ Gewalt. Ein Aufschrei der Grünen blieb aus. Sie zeigen sich also auch in den kommunalpolitischen Untiefen einer ländlichen Region als konsequente Erfüllungsgehilf*innen von repressiven Handlungen.
Was macht DIE LINKE?
DIE LINKE Fraktion im Kreistag sieht sich zum Handeln gezwungen und hat einen Antrag formuliert, der Abschiebungen aus Krankenhäusern sowie gegen die gegen die Empfehlungen der Härtefallkommission oder des Petitionsausschuss des Landtages verhindern soll. In ihrer Pressemitteilung schreibt sie von ,,den Schreibtischtätern des Rhein-Sieg-Kreises“ und ,,schämt sich für diese unmenschliche und hässliche Seite des Rhein-Sieg-Kreises“. In ihrem Antrag möchte sie die Ausländerbehörde ,,auffordern, Abschiebungen aus medizinischen Einrichtungen soweit zu unterlassen, wie die gesetzlichen Vorgaben dies ermöglichen“. Hier zeigt sich das reformistische Wesen der kommunalpolitischen Stellvertreter*innenpolitik. Anstatt in einer Pressemitteilung Abschiebungen generell zu verurteilen, wird sich wortstark über die Form der Abschiebung echauffiert und stattdessen eine Abschiebepraxis in den gesetzlichen Vorgaben des bürgerlichen Staates gefordert. Dass es genau diese gesetzlichen Vorgaben sind, die das Verwaltungshandeln der Kreisverwaltung erst möglich machen, scheinen die Lokalpolitiker*innen zu übersehen.
Dabei braucht es keine Anträge mit denen man bestenfalls die Wände des Kreishauses tapezieren kann. Notwendig sind vielmehr Mobilisierungen, mit denen die Abschiebungen effektiv verhindert werden können. Als Beispiele seien hier die Sitzblockade von Berufsschüler*innen in Nürnberg 2017 oder aber die Weigerung des Flugpersonals die Abschiebeflüge durchzuführen. So konnten 2017 mehr als 200 Flüge verhindert werden. Jede einzelne dieser Aktionen zivilen Ungehorsams ist mehr wert als die Stellvertreter*innenpolitik von Feierabendpolitiker*innen.
Im beschaulichen Siegburg kam es dann tatsächlich zu einer kleinen Kundgebung. Aufgerufen hierzu hatte eine katholische Gemeinde. Ca. 50 Leute folgten der kurzfristigen Mobilisierung und mussten feststellen, dass der Landrat für ihre Angelegenheiten kein offenes Ohr hat. Vielmehr ließ er den Diakon und den Pfarrer zu sich kommen, um ihnen zu erklären, dass die Verwaltungspraxis rechtens sei und ihm die Hände gebunden wären. Warum im benachbarten Bonn Entscheidungen großzügiger ausgelegt werden, beantwortete er nicht.
Eine Aktivistin der Seebrücke brachte es auf den Punkt als sie sagte, dass im Rhein-Sieg-Kreis eine politische Linie gefahren wird deren Ziel es ist geflüchtete Menschen aus dem Rhein-Sieg-Kreis herauszuhalten.
SAV-Mitglieder aus der Region werden deshalb gemeinsam mit anderen Aktivist*innen weiterhin mobilisieren, um Druck gegen diese menschenfeindliche Praxis der Kreisverwaltung auszuüben.