Die Großindustrie und die Rechte in Seattle haben viele Gründe, die sozialistische Stadträtin Kshama Sawant zu hassen. In ihrer achtjährigen Amtszeit schaffte sie gemeinsam mit Socialist Alternative und der Arbeiter*innenklasse das, was die Demokrat*innen ab und zu versprechen aber nie liefern: Den ersten 15-Dollar-Mindestlohn in den ganzen USA, ein Verbot des Einsatzes von Tränengas und anderer Chemiewaffen bei der örtlichen Polizei und eine Unternehmensteuer, die „Amazon Tax“, um den Ausbau von kommunalen Sozialwohnungen zu finanzieren.
Von Nikolas Friedrich, München
Großkonzerne wie Amazon (mit Hauptsitz in Seattle) haben schon mehrfach versucht, Kshama und ihre kämpferische Politik loszuwerden. Sie schafften durch eine Gegenkampagne mit Lobbyismus und Propaganda, die geplante Einführung der „Amazon Tax“ zu stoppen, aber die Bewegung erkämpfte eine zweite, höhere Steuer, die tatsächlich umgesetzt wurde. Bei den letzten beiden Kommunalwahlen traten Mitglieder der Demokratischen Partei gegen Kshama an, um das Mandat für die Kapitalistenklasse zurückzugewinnen, scheiterten aber.
Jetzt greifen sie direkt an. Ein Unternehmer stellte 2020 einen Abwahlantrag. Kshama wird unter anderem „Amtsmissbrauch“ vorgeworfen, weil sie im letzten Sommer das Rathaus für Black-Lives-Matter Demonstrierende aufgeschlossen hat. Dass so eine Tat Amtsmissbrauch sei, wurde vom Antragsteller nicht direkt bewiesen. Trotzdem genehmigte der Oberste Gerichtshof des Bundesstaates Washington den Abwahlantrag, da nach Meinung des Gerichts kein Beweis erforderlich wäre.
Der gleiche Oberste Gerichtshof urteilte einstimmig, dass ein Abwahlantrag gegen die Bürgermeisterin von Seattle wegen Polizeigewalt gegen Black-Lives-Matter-Proteste unbegründet sei. Das zeigt, dass die Justiz, wie andere Teile des Staatsapparates, nicht neutral ist, sondern durch ihre Struktur und Funktion in erster Linie den Klasseninteressen der Herrschenden dient.
Wie bei vorherigen Schlägen gegen Kshama und die Linke in Seattle wird die Abwahlkampagne von den reichsten Bürger*innen der Stadt getragen. Martin Selig, Milliardär und Trump-Republikaner, unterstützt die Kampagne offen, und eine Reihe von Geschäftsführer*innen und Investment-Banker*innen haben gespendet. Bürgerliche Medien wie die Seattle Times setzen die BLM-Proteste vor dem Haus der Bürgermeisterin, die Kshama mitorganisiert hat, mit rechtsextremen Mobs gleich.
Daher setzen linke Kräfte gerade alle Ressourcen ein, um eine Massenbewegung gegen die Abwahl aufzubauen. Socialist Alternative gründete die „Kshama Solidarity Campaign“, um für diese historische Herausforderung Kräfte zu sammeln und zu organisieren. Es geht nicht nur um ein Mandat oder eine Stadträtin. Es geht darum, die Errungenschaften der letzten acht Jahre zu verteidigen.
Gewerkschaften verschiedener Branchen haben bereits ihre Unterstützung für die Kshama Solidarity Campaign erklärt. Zusätzlich sammeln sich linke Abgeordnete der Democratic Socialists of America und prominente linke Persönlichkeiten um die Kampagne.
Kshamas politische Arbeit über mehreren Jahren und die Solidaritätskampagne zeigen beispielhaft, wie Linke Mandate und Parlamentssitze nutzen sollten. Der Staat bleibt letztendlich ein Instrument zugunsten der kapitalistischen Klassengesellschaft, einer Klassengesellschaft, die wir als Sozialist*innen beseitigen wollen. Daher ist es von größter Bedeutung, Bewegungen nicht nur eine Stimme im Stadtrat und Parlament zu geben, sondern auch sie zu initiieren und zu stärken. Dadurch können wir nicht nur Opposition sein, sondern den Herrschenden auch Zugeständnisse abringen.