Fairy Creek: Ein neuer Krieg in den Wäldern

von Amanda Elaine Wood, Socialist Alternative (ISA in Kanada)

Die Rainforest Flying Squad, eine Gruppe von freiwilligen Aktivist*innen und Organisator*innen, hat ihr Lager aufgeschlagen, um eine Holzfällerfirma davon abzuhalten, in der Gegend von Fairy Creek bei Port Renfrew an der Westküste von Vancouver Island Holz zu schlagen.

Seit letztem August haben Aktivist*innen zahlreiche Blockaden errichtet, um gegen die Abholzung von altem Baumbestand im Flusseinzugsgebiet des Fairy Creek zu protestieren. Die „Rainforest Flying Squad“, eine Gruppe von freiwilligen Aktivist*innen und Organisator*innen, schlug ihr Lager auf, als die Regierung von British Columbia (BC) dem in der Region ansässigen Holzunternehmen Teal-Jones die Genehmigung erteilte, im Fairy Creek-Gebiet in der Nähe von Vancouver Island Holz zu schlagen. Dieser Lebensraum beherbergt einige der letzten verbliebenen alten, außertropischen Regenwälder der Erde und wird von Umweltwissenschaftler*innen als „das Seltenste vom Seltenen“ bezeichnet. Er ist ein wesentlicher Bestandteil für den Erhalt der bereits durch den Klimawandel bedrohten Artenvielfalt in BC.

Die Forstwirtschaft trägt mit 32 Milliarden Dollar jährlich zur Wirtschaft der Region bei und Altholz ist ein begehrtes Gut: Seine dichte Maserung macht es ideal für Zäune, Bauholz und Terrassendielen, da es beim Trocknen nicht bricht. Aus altem Holz wird auch das weichste Toilettenpapier hergestellt. Trotz des Wahlkampfversprechens von Premier John Horgan, altes Holz zu schützen, vergibt die Regierung weiterhin Lizenzen für die Abholzung großer alter Bäume und stellt Managementpläne zur Verfügung, die angeblich diese wertvolle Ressource schützen sollen. In einer kürzlich erschienenen, unabhängigen Untersuchung wurde die Regierung von BC jedoch dabei erwischt, wie sie ihre Angaben über die Menge des verbleibenden alten Baumbestandes um Hunderttausende von Hektar aufhübschte – in Wirklichkeit gibt es nur noch etwa 35.000 Hektar echten alten Baumbestandes. Da mehr als 80% der alten Wälder in BC im letzten Jahrhundert abgeholzt wurden, besteht die Gefahr, dass diese nicht erneuerbare Ressource aufgrund von Misswirtschaft und Profitgier für immer verschwindet.

Einer der Ältesten der Pacheedaht (indigene Ureinwohner*innen, denen das Gebiet gehört, Anm. d. Übers.), Bill Jones, hat seine Unterstützung für die Arbeit der Rainforest Flying Squad (RFS) in Fairy Creek zum Ausdruck gebracht. Er rief indigene und nicht-indigene Menschen gleichermaßen dazu auf, im Kampf um die Rettung von BCs altem Baumbestand zusammenzustehen und machte auf die Konflikte zwischen den Mitgliedern der indigenen Gemeinden aufmerksam, die durch Meinungsverschiedenheiten über die Rohstoffgewinnung auf indigenem Land entstehen. Die Union of BC Indian Chiefs (UBCIC) (Vereinigung der indigenen Ureinwohner*innen BCs, Anm. d. Übers.) verabschiedete 2020 eine Resolution, in der sie die Provinz aufforderte, alle Projekte zur Abholzung von altem Baumbestand zu verschieben. Aber im April dieses Jahres, sieben Monate nachdem die RFS ihren Protest begonnen hat, gaben Frank Queesto Jones und Ratsvorsitzender Jeff Jones eine Erklärung heraus, in der sie die Blockaden als „unwillkommene, ungefragte Einmischung“ in ihr Gebiet bezeichneten und zum Ausdruck brachten, dass das Eigentum der Nation an dem Gebiet und ihre Rolle als Verwalter*innen des Landes respektiert werden müsse.

Die Pacheedaht, in deren Territorium der Fairy Creek liegt, verlässt sich seit Jahrzehnten auf die Abholzung von altem Baumbestand, um das Einkommen ihrer Gemeinde zu sichern und erneuerte Anfang des Jahres ihr Gewinnbeteiligungsabkommen mit der Provinz BC. Das Abkommen besagt, dass die Regierung die Pacheedaht in allen Fragen der forstwirtschaftlichen Entwicklung konsultieren muss und zweimal im Jahr eine Zahlung an die Nation leistet. Obwohl das Abkommen explizit kein Vertrag ist, befinden sich die Pacheedaht in Phase 5 des BC-Vertragsprozesses und in Verhandlungen, um einen Vertrag abzuschließen. Gleichzeitig besagt das Revenue-Sharing-Abkommen, dass die Pacheedaht an einen Artikel der „Nichteinmischung“ gebunden sind – was bedeutet, dass sie keine Aktionen oder Kampagnen gegen den Holzeinschlag unterstützen oder daran teilnehmen können, selbst wenn sie es wollten. Das bringt die Pacheedaht in eine schwierige Situation – jeder Widerstand gegen den Holzeinschlag bringt sie in finanzielle Bedrängnis. Und angesichts der historischen Misshandlung, Vernachlässigung und des Missbrauchs der Ureinwohner*innen im ganzen Land durch die kanadische Regierung, ist es verständlich, wenn sie die Gelegenheit ergreifen, um ein gewisses Maß an Unabhängigkeit über den Ressourcenabbau in ihrem Gebiet zu erlangen.

Die Deklaration der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker (UNDRIP), die 2019 von der Regierung von BC verabschiedet wurde, enthält mehrere Artikel, die sich auf den Rohstoffabbau beziehen; insbesondere die Artikel 4, 26 und 32, die alle besagen, dass indigene Gemeinschaften ein inhärentes Eigentumsrecht über ihr Gebiet und seine Ressourcen haben. Es scheint, dass die Regierung von BC mit der Umsetzung eines Gewinnbeteiligungsabkommens ihr Versprechen einhält, die UNDRIP einzuhalten – aber die Realität ist, dass selbst bei Abkommen wie diesem indigene Gemeinschaften immer im Nachteil sind. Kanadas koloniales Erbe hat tiefgreifende soziale, kulturelle, spirituelle und wirtschaftliche Auswirkungen auf indigene Gemeinschaften – 25% der indigenen Erwachsenen und 40% der indigenen Kinder leben in Armut. Fast 40% der Indigenen leiden unter Nahrungsmittelknappheit und 73% ihrer Wasserversorgung versorgen die Gemeinden nicht mit sauberem Wasser. Viele indigene Völker stehen vor einer unmöglichen Wahl: Entweder mit dem kolonialen Staat zu kooperieren und eine Entschädigung für die in ihrem Gebiet abgebauten Ressourcen zu erhalten oder weiter mit den Auswirkungen der anhaltenden Unterdrückung durch die neokoloniale Regierung Kanadas zu leben.

Im April dieses Jahres erließ der Oberste Gerichtshof von BC eine einstweilige Verfügung gegen die Landverteidiger*innen und forderte sie auf, das Gebiet zu räumen und Teal-Jones den Zugang zum Flussgebiet zu ermöglichen. Die Royal Canadian Mounted Police (RCMP) wurde hinzugezogen, um die einstweilige Verfügung durchzusetzen. Mit Dutzenden von Verhaftungen in den letzten Wochen hat die Polizei nun eine „Medienausschlusszone“ geschaffen, die eine Medienberichterstattung über die Aktion „an der Front“ verhindert und eine Koalition von kanadischen Journalist*innen zu rechtlichen Schritten veranlasst hat. Filmmaterial von Polizeigewalt und (illegalen) Verhaftungen von legalen Beobachter*innen verbreiten sich über Social Media Plattformen, während der RCMP-Muskel die privaten Interessen der Kapitalist*innenklasse und das koloniale Projekt Kanadas schützt.

Der Kampf in Fairy Creek geht um mehr als nur Bäume – es ist der Kampf gewöhnlicher Menschen, die für eine Zukunft kämpfen, in der die wertvollsten Ressourcen unseres Planeten nicht verscherbelt und vom Meistbietenden aus der Stadt gekarrt werden. Wir müssen BCs Industrien aus den Händen privater Unternehmen wie Teal-Jones nehmen und Kanadas neokoloniale Aktionen auf indigenem Territorium im ganzen Land beenden. Schließe dich dem Kampf für eine sozialistische Umwandlung der Gesellschaft an, tritt der Socialist Alternative bei!