Am 25. Juni 1991 erklärten Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit. Dieser Tag markiert das Ende Jugoslawiens, eines Staates, der von vielen optimistischer beurteilt wurde – und zum Teil noch wird – als die enger mit der Sowjetunion verbündeten sogenannten „realsozialistischen“ Gesellschaften in Osteuropa.
Von Peter Narog, Saarbrücken
Jugoslawien war wie viele andere, sich sozialistisch nennende Staaten am Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden. Die Partisan*innen befreiten das Land ohne das Eingreifen der sowjetischen Armee. Das war eine wichtige Grundlage für den späteren Sonderweg. 1948 kam es zum Bruch zwischen Titos Regime und Stalins Sowjetunion. Anders als in den Ländern des „Warschauer Pakts“ gab es eine begrenzte Selbstverwaltung der Arbeiter*innen auf betrieblicher Ebene, die Jugoslaw*innen hatten zudem weitgehende Reisefreiheit. Trotzdem war das Regime Titos ein bürokratisches und autoritäres, in dem nicht die Bevölkerung selbst die Kontrolle hatte, sondern die Bürokratie der sogenannten Kommunistischen Partei.
Die Krise der 1980er Jahre
Ab Mitte der 1970er spitzten sich die Widersprüche zu. Die Abhängigkeit vom schwächelnden Weltmarkt führte zu Überproduktion und zur galoppierenden Inflation von über 200%, das Sinken der Kaufkraft 1987 zu einer Welle von Streiks. Die hohe Staatsverschuldung zwang Jugoslawien 1988 in ein Kreditabkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), das mit einer Begrenzung der Geldmenge und mit marktwirtschaftlichen Reformen bezahlt wurde. Diese Entwicklungen verstärkten nicht nur die Ungleichheit zwischen den Teilrepubliken – so lag die Arbeitslosigkeit 1987 beispielsweise in Slowenien bei 1,9% und in Mazedonien bei ca. 20% – sondern weckten auch privatwirtschaftliche Begehrlichkeiten bei Teilen der führenden bürokratischen Schicht vor allem in den wirtschaftlich stärkeren Teilrepubliken Slowenien und Kroatien.
Kapitalismus und Krieg
Während der auf die Unabhängigkeit folgende Krieg in Slowenien nach zehn Tagen beendet war, dauerte dieser in Kroatien bis 1995. Nach der Abspaltung Bosnien und Herzegowinas im Jahre 1992 forderte der Bürgerkrieg allein dort über 100.000 Menschenleben und drängte über zwei Millionen Menschen in die Flucht. Weitere bewaffnete Konflikte folgten. Sie alle waren begleitet vom teils verdeckten und teils offenen Eingreifen anderer Staaten. Deutschland und die EU förderten die Abspaltung Sloweniens und Kroatiens, um den eigenen Einfluss in der Region zu erhöhen und wirtschaftlich profitable Stücke aus Jugoslawien zu schneiden. Die NATO führte 1999 einen Krieg gegen Serbien.
Parallel dazu fand die Wiederherstellung kapitalistischer Produktions- und Eigentumsverhältnisse und der Rückbau staatlicher Wohlfahrts-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen in all diesen Staaten statt. Die durchschnittliche Kaufkraft sank bis Mitte der 1990er deutlich. Obwohl die ausländischen „Investitionen“ stiegen, sank auch die Wirtschaftsleistung überall. Im Jahr 2000 lag die Arbeitslosenzahl in Slowenien bei 6,8% und in Mazedonien bei 32,2%.
Popikone Tito – Zurück in die Zukunft?
Vor diesem Hintergrund bilden sich in den verschiedenen Ländern neue antikapitalistische Kräfte auch mit sozialistischem Anspruch, die sich teilweise positiv auf Jugoslawien und Marschall Tito beziehen. Auch wir sind der Meinung, dass der Kapitalismus dringend wieder abgeschafft werden muss.
Doch der auf den Balkan verkürzte jugoslawische Internationalismus und der damit verbundene Mangel an Entwicklungsperspektive, die Abhängigkeit vom kapitalistischen Weltmarkt, die Einmischung kapitalistischer Staaten und religiöser Institutionen und nicht zuletzt der Widerspruch zwischen der betrieblichen Selbstverwaltung und der zentralen Bürokratie haben Jugoslawien zum Scheitern gebracht. Deshalb kämpfen wir als Teil der International Socialist Alternative (ISA) für die weltweite Kontrolle durch die arbeitende Bevölkerung, für eine demokratisch geplante Wirtschaft, die sich an den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt orientiert. Nur so werden wir in der Lage sein, Widersprüche auch zwischen Regionen und Nationalitäten dauerhaft zu überwinden.
Online-Diskussion der SAV München zum Thema: „Woran scheiterte Jugoslawien?“ am Mittwoch, 30.06.2021, 19 Uhr. Bei Interesse bekommst du den Zugangslink bei: muenchen@sozialismus.info.