LINKE-Forderung zu Vermögensabgabe zu bescheiden, um Wirkung zu entfalten
Für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf ist die Frage zentral, wer für die Krise bezahlt. Werden die Vermögenden zur Kasse gebeten oder wird die Rechnung in Form von Sozialabbau und Belastungen den Lohnabhängigen präsentiert? Die bürgerlichen Parteien werden erst nach der Wahl Farbe bekennen. Wir sollten sie damit nicht durchkommen lassen.
Von Angela Bankert, Köln
SPD und Grüne haben keine Corona-Vermögensabgabe im Wahlprogramm, sie wollen nur eine kleine Vermögenssteuer. Gewerkschaftsspitzen und der DGB-Vorsitzende Rainer Hofmann winden sich ebenfalls. Lediglich die Bildungsgewerkschaft GEW hat auf ihrem Gewerkschaftstag eine Vermögensabgabe – zusätzlich zur Vermögenssteuer – gefordert.1
Die LINKE hat unter den Parteien ein Alleinstellungsmerkmal. Nur sie ist ohne Wenn und Aber für eine Vermögensabgabe, wie sie das Grundgesetz in einer außergewöhnlichen Lage als Sondereinnahme vorsieht und wie sie unter Adenauer 1952 zum Lastenausgleich der Kriegsschäden bereits einmal erhoben wurde.
In der Bevölkerung gibt es dafür eine breite Unterstützung: Je nach Umfrage befürworten zwischen 60 und 75% eine Vermögensabgabe zur Bewältigung der Corona-Kosten.2
Grund dafür ist sicher die absurde Vermögensverteilung, die immer mehr Menschen bewusst wird. Das Nettovermögen der reichsten 1% in Deutschland beträgt ca. 3,8 Billionen Euro und damit rund ein Drittel. Die reichsten 10% besitzen über zwei Drittel des Netto-Vermögens, also des Vermögens abzüglich der Schulden. Die selbst bewohnte Villa wird dabei nicht mitgerechnet.
Selbst im Pandemiejahr 2020 lag der Vermögenszuwachs der 136 Milliardäre bei mehr als 100 Millarden Euro.3 Die Zahl der Vermögens-Millionäre hierzulande stieg um 69.000.4 Die unteren 50% besitzen nichts, oder allenfalls Schulden.
Moderat statt bedarfsgerecht
Die Corona-Ausgaben des Bundes – nur für den darf gemäß Grundgesetz eine Vermögensabgabe erhoben werden – liegen schon jetzt deutlich über 500 Milliarden Euro. Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen allein für 2020 und 2021 beträgt 413,7 Milliarden Euro, für 2022 ist eine Neuverschuldung von 99,7 Mrd. Euro vorgesehen, die auch großenteils dafür verwendet werden dürfte. Darüber hinaus gibt es das 819 Milliarden-Euro-Paket an Garantien, Kredite, Bürgschaften u.ä., von dem auch niemand weiß, wie viel davon zurückkommt.5
Demgegenüber fordert die LINKE im Wahlprogramm leider nur eine Vermögensabgabe im Volumen von 310 Milliarden Euro, dies auch noch zahlbar über zwanzig Jahre, sodass im Jahr mit Verzinsung nur rund 19 Milliarden Euro hereinkämen. Das ist weniger als die von der LINKEN erhobene Forderung nach einer Vermögenssteuer – diese brächte 70 Milliarden Euro jährlich.
Ein Antrag, die Forderung des Landesverbands NRW nach 50% Abgabe ab 50 Millionen Nettovermögen – das ergäbe ein Volumen von 500 Milliarden Euro – ins Programm aufzunehmen, fiel beim Bundesparteitag leider dem Abstimmungsverfahren zum Opfer und wurde nicht aufgenommen.
Aus einer sinnvollen und nachvollziehbaren Forderung hat man – auf Antrag und Druck der Bundestagsfraktion der LINKEN – leider eine „moderate“ und vermeintlich „realistische“ gemacht, welche die Reichen fast aus der Portokasse zahlen könnten.
Es ist grundfalsch zu glauben, je bescheidener eine Forderung, umso realistischer sei sie durchzusetzen. Breite gesellschaftliche Bewegungen braucht es leider auch für den kleinsten Fortschritt und die moderateste Forderung, ja sogar für die Abwehr von Verschlechterungen. Das sollten wir in den letzten zwanzig Jahren gelernt haben.
Linke Forderungen müssen an dem anknüpfen, was notwendig ist, und dafür gesellschaftlich mobilisieren. Was dabei rauskommt, hängt vom Kräfteverhältnis und unserer Kampfkraft ab. Wer sich von vorneherein bescheidet, erreicht auf jeden Fall weniger.
Corona-Abgabe, Vermögenssteuer und die obszöne Reichtumsverteilung sollten ein zentrales Wahlkampfthema der LINKEN sein. Dabei sollten wir deutlich machen, dass diejenigen über den gesellschaftlichen Reichtum entscheiden sollten, die ihn auch erarbeiten.
Angela Bankert ist aktiv in der Projektgruppe Vermögensabgabe LINKE-Kreisverband Köln.
1 https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/gewtag21-sechs-forderungen-staerkung-bildungssystem/?fbclid=IwAR3zi7eWI1palGXsfp7HFkxbjOSynz5Vq7yi78J2ycBNuUEz5g0kqqHXJm0
2 https://www.zeit.de/kultur/2021-02/vermoegensabgabe-corona-krise-schuldenbremse-vermoegenssteuer-chancengleichheit/seite-2
3 https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-05/vermoegenskonzentration-corona-pandemie-ungleichheit-milliardaere-zunahme-reichtum-aktienmarkt
4 https://www.faz.net/aktuell/finanzen/die-zahl-der-millionaere-in-deutschland-steigt-auf-1-5-millionen-17411789.html
5 „Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt insgesamt 353,3 Milliarden Euro und der Umfang der Garantien insgesamt 819,7 Milliarden Euro.“ (Quelle: https://www.bundesfinanzministerium.de/
bezieht sich auf Haushalte 2020 und 2021)
Nachtragshaushalt 2021: 60,4 Mrd. Euro / Haushalt 2022: 99,7 Mrd. Euro Neuverschuldung