Polizeibrutalität gegen Düsseldorfer Demo – Repressives Versammlungsgesetz stoppen!

Kölner Spontademo gegen Polizeigewalt

Am 26. Juni fand in Düsseldorf eine Großdemonstration mit etwa 6000 Teilnehmenden gegen das geplante Versammlungsgesetz NRW statt, zu dem ein breites Bündnis aus etwa 170 Organisationen aufgerufen hatte. Klimaaktivist*innen, Antifaschist*innen und -kapitalist*innen, Fußballfans, Datenschützer*innen, Gewerkschafter*innen, Jurist*innen und viele mehr trafen sich zunächst auf den Rheinwiesen, um die Versammlungsfreiheit zu verteidigen.

Von Christian Kubitza, Köln

Mitglieder der SAV aus Aachen und Köln beteiligten mit sich mit Fahnen und Transparent am antikapitalistisch-internationalischen Block. Nach einigen Redebeiträgen setzte sich die in zehn Blöcke aufgeteilte Demo mit Verspätung in Gang. Zunächst verlief alles friedlich, es wurde gerufen und gesungen, man überquerte die Oberkasseler Brücke Richtung Innenstadt.

Die Polizeipräsenz war verhalten, nur wenige Beamt*innen säumten den Streckenrand, was sich am Ende der Brücke schlagartig änderte. Eine Hundertschaft hatte behelmt hinter Hecken und Bäumen auf den Demonstrationszug gewartet. Als kurz hinter uns die kurdischen Demoteilnehmenden und der Antifa-Block den Anfang der Heinrich-Heine-Allee passieren wollten, stürzten sich die Beamt*innen plötzlich auf die Straße und schnitten die Teilnehmenden hinter uns ab, hinderte sie am Weitergehen. Bezeichnenderweise passierte dies exakt an der Straßenkreuzung, an dessen Ecke sich die mehrstöckige Polizeiwache Stadtmitte befindet. Dort waren interessierte Zuschauende in geöffneten Fenstern zu sehen.

Pfefferspray und Schlagstöcke

Die Polizei begann nun damit, gewaltsam in die abgetrennte Menschenmenge zu drängen, weitere Einsatzkräfte bahnten sich brutal den Weg am Häuserrand entlang zum Antifa-Block. Dabei kam es völlig unverhältnismäßig zum Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Die Situation schaukelte sich für mehrere Minuten gefährlich hoch, es wurde getreten, geschlagen und geschoben. Große Teile der bereits weiter gezogenen Demo kamen zurück, unter anderem der Fanblock von Fortuna Düsseldorf und die Klimaaktivist*innen. Diese stellten sich unmittelbar der Polizei entgegen. Irgendwann hatte man offenbar seitens der Polizeieinsatzleitung genügend Bildmaterial zusammen und gab dem Druck der nun deutlich in der Überzahl stehenden und lautstark protestierenden Demoteilnehmenden nach. Der Demonstrationszug setzte sich wieder in Gang.

Nach etwa einem Kilometer war jedoch schon wieder Schluss. Ecke Breitestraße/Bastionstraße stürmten erneut Polizist*innen in voller Kampfmontur mitten in die Demo und trennte den Antifa-Block und die dahinterliegenden Beteiligten vom Rest. Nun wurde der Block komplett eingekesselt und nicht wieder freigegeben. Nach etwa einer Stunde hieß es, der Block der Antifa sei von der Demo ausgeschlossen worden, da mehrfach Straftaten in und aus diesem heraus begangen worden seien. Dabei bezog man sich auf „Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte“, „Vermummung durch zu hohes Tragen von Bannern und Flaggen“ (das wäre selbst nach dem neuen VersG NRW nicht strafbar!) sowie „das Abbrennen diverser Pyrotechnik“.

Einkesselung des Antifa-Blocks kurz nach der Oberkasseler Brücke.
Starke Solidarität

Wenn man Gründe finden will, dann (er)findet man auch welche. Tatsache ist, dass die Einsatzkräfte der Polizei die bis dahin völlig friedliche Demonstration massiv störte und blockierte, seit sie die Innenstadt erreicht hatte. Offensichtlich sollte der Demozug sein Ziel – den Landtag – nie erreichen. Stattdessen wurden der Antifa-Block und Teile des Jugend- sowie des LINKE-Blocks für sechs Stunden eingekesselt, den Demonstrierenden im Kessel wurden Toilettengänge und teilweise Wasser verwehrt, zu einigen wurden Sanitäter*innen und Anwält*innen nicht durchgelassen. Einige Teilnehmende der weitergezogenen Demo inklusive eines Lautsprecherwagens kamen extra zur besagten Kreuzung zurück, um den Einkgekesselten ihre Solidarität auszudrücken. Das äußerte sich nicht nur durch bloße Anwesenheit, sondern durch immer wieder lautstarke Gesänge „Ihr seid nicht allein!“ und dergleichen.

Eine Aktivistin der SAV hielt eine Rede zu Angriffen auf die demokratischen Rechte in Griechenland und Großbritannien. Die Polizei versuchte durch kleinere Rangeleien und Geschiebe immer wieder, die Leute vom Ort des Geschehens wegzudrängen, was jedoch nicht gelang.

Wir blieben noch fast vier Stunden vor Ort, bis die ersten Gekesselten nach einer Identitätsfeststellung gehen durften. Teilnehmende, die in die Gefangenensammelstelle verbracht worden waren, mussten teilweise bis 3:30 Uhr ausharren, bis sie endlich entlassen wurden. Insgesamt wurden etwa 100 Demoteilnehmer*innen verletzt – viele durch den massiven Einsatz von Pfefferspray. Einigen Leuten waren mit Gewalt die zum Schutz aufgespannten Regenschirme entrissen worden, damit man ihnen anschließend besser in die Augen sprayen konnte. Fast durchgehend wurde durch Polizei gefilmt.

Das ist alles grob rechtswidrig und eine reine Machtdemonstration seitens der Polizei. Und eben dieser soll das neue VersG NRW noch mehr Macht und Befugnisse zugestehen. In der Begründung zum Militanzverbot, § 18 des neuen VersG NRW, formuliert die Landesregierung: „Als Beispiel mag auf uniformierte rechts- oder linksextremistische Verbände in der Weimarer Republik wie die SA, die SS und ihre Untergliederungen verwiesen werden.“ Allein die hier vorgenommene Gleichstellung von SA und SS mit linken Verbänden von damals (erst recht von heute) ist eine Unverschämtheit und eine Verharmlosung der faschistischen Gewalt.

Demonstrierende werden mit Pfefferspray angegriffen.
Reuls Eigentor

Dank der Tatsache, dass offenbar auch Journalist*innen unter den Verletzten waren, fand die anschließende Berichterstattung über die Demo in einer Art statt, die weder Polizei noch Landesregierung in den Kram passt. Bis dahin war nämlich nur von dem üblichen Gerangel auf Demos die Rede. Mit Bekanntwerden eines von der Polizei geschlagenen dpa-Fotografen hat sich dies jedoch schlagartig geändert. Die Fraktionen von SPD und Grünen im Düsseldorfer Landtag setzten eine Aktuelle Stunde durch, die LINKE kündigte rechtliches Vorgehen gegen den Polizeieinsatz an und fordert den Rücktritt von Innenminister Reul. Vor dem Landtag demonstrierten am 1. Juli rund 100 Menschen.

In Köln fand mit nur einem Tag Vorlaufzeit am 28. Juni eine sehr laute, kämpferische Demonstration mit 1000 Menschen statt, die über die Polizeigewalt empört waren. Die Polizei hatte die Düsseldorfer Demo gezielt über Stunden attackiert, um die Bewegung gegen das Versammlungsgesetzzu kriminalisieren. Doch Reul hat sich verkalkuliert – durch die Gewalt wurde die öffentliche Debatte angeheizt. Selbst Politiker*innen des Koalitionspartners FDP wollen auf einmal nicht gewusst haben. wie undemokratisch das Gesetz ist. Doch das sind Nebelkerzen, CDU und FDP wollen das Gesetz weiterhin durchsetzen. Nach Informationen der taz wollen sie es allerdings aus dem Wahlkampf heraushalten und erst Ende des Jahres beschließen, um Laschets Kanzlerkandidatur nicht zu stören.

Nach der Polizeirandale von Düsseldorf sind die Chancen, das Gesetz noch zu stoppen, größer als zuvor. Jetzt kommt es darauf an, die Bewegung zu verbreitern und nach der Sommerpause größere Proteste und eine öffentliche Kampagne der Aufklärung und Mobilisierung zu organisieren. Vor allem die Gewerkschaften müssen jetzt von leiser Kritik am Rande zur Beteiligung an den Protesten übergehen und in Gliederungen und Betrieben mobilisieren – in eigenem Interesse, denn das Versammlungsgesetz soll perspektivisch auch gegen Streiks und Aktionen der Arbeiter*innenbewegung eingesetzt werden.

Aufktaktkundgebung auf den Rheinwiesen.
Versammlungsverhinderungsgesetz

Es hat sich gezeigt, wo die Reise hingehen soll: Nicht Versammlungen sollen geschützt werden, sondern die Herrschenden vor Versammlungen. Die Polizei attackiert bereits jetzt auch ohne rechtliche Grundlage, und würde durch das neue Versammlungsgesetz NRW weitere Spielräume bekommen. Ferner sind wir künftig darauf angewiesen, dass die Exekutive den rechten Aufmärschen Einhalt gebietet. Unser Einschreiten durch lautstarke und störende Gegendemos oder gar Blockaden wäre künftig strafbar und mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren bedroht. Da die Polizei jedoch bekanntermaßen selbst von rechten Strukturen durchseucht ist, öffnet das neue Gesetz den Rechten Tür und Tor.