Wenn sich eine rechtsradikale Fraktion bildet und der Bürgermeister ankündigt einen Beschluss der Ratsmehrheit bei der Kommunalaufsicht zu beanstanden, dann ist Ratssitzung in Troisdorf.
Von Chtistoph, Emmerich, Siegburg
Die Vorgeschichte
Die selbsternannte ,,Industriestadt im Grünen“, auch ,,Trostlos“ genannt, ist eine typische rheinische Mittelstadt mit kleinstädtischen Attitüden. In Nicht-Corona-Zeiten geben sich in den städtischen Versammlungsräumen Herrengesangs-, Kaninchenzucht- und Karnevalsvereine die Klinke in die Hand. Vor diesem Hintergrund bildeten die Kommunalwahlen 2020 eine kleine Revolution: Erstmals gab es keine klaren Mehrheiten und sowohl CDU als auch SPD waren als größte Fraktionen auf mehr als einen weiteren Koalitionspartner angewiesen.
Am Ende einigten sich SPD und Grüne auf ein Kernbündnis, das je nach Absprache auf Stimmen von DIE LINKE und DIE FRAKTION (DIE PARTEI und Regenbogen-Partei, eine kommunale Wähler*innengemeinschaft) angewiesen ist.
Der Bürgermeister, Alexander Biber, ist CDU-Mitglied und konnte sich im zweiten Wahlgang nur knapp mit 51% gegen seinen Herausforderer von der SPD durchsetzen.
Unter diesen Vorzeichen hatte das Bündnis aus SPD, Grünen, LINKEN und FRAKTION den Antrag beschlossen, dass Troisdorf dem Bündnis ,,Sicherer Häfen“ beitritt und sich somit bereit erklärt Geflüchtete aufzunehmen und an die Bundes- und Landesregierung zu appellieren, die Kriminalisierung im Mittelmeer zu stoppen. Der Status als „Sicherer Hafen“ hat keine direkten Auswirkungen, es geht lediglich darum sich als Stadtrat symbolisch mit Geflüchteten zu solidarisieren und Kritik an der Abschottungspolitik der Bundesregierung und der EU zu üben. Aber selbst das war Herrn Biber von der CDU zu viel. In einer Tischvorlage kündigte er dem Stadtrat an, den Beschluss in dieser Form vor der Kommunalaufsicht zu beanstanden, wenn der Stadtrat bei seinem Beschluss bliebe.
Die Debatte
In der Debatte zum Tagesordnungspunkt erklärten SPD und Grüne, dass sie bei dem Beschluss blieben und wiesen darauf hin, dass ein Stadtrat sich als politisches Gremium durchaus auch politisch äußern könnte. Dem entgegnete Biber, dass der Stadtrat ein Teil der Verwaltung wäre und somit seine Kompetenzen überschreiten würde, wenn er sich zu Fragen außerhalb des kommunalen Bereiches äußern würde. Kurzum: Es ging nicht um Inhalte, sondern es wurde versucht mit bürokratischen Mitteln zu argumentieren.
Ein kurzes Rauen ging durch den Saal, als sich zum ersten Mal die neu gegründete Fraktion ,,Volksabstimmung“ in Form des langjährigen AfD-Mitgliedes Ralf-Udo Rothe meldete. Er erklärte, dass man ,,vor Ort“ helfen müsste und keineswegs mit offenen Grenzen. Zuvor hatte die Fraktion ,,Volksabstimmung“ versucht, den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden von PRO NRW und rechten Aktivisten Dieter Danielzick, als sog. ,,sachkundigen Bürger“ in verschiedene Ausschüsse der Stadt zu entsenden. Der Versuch scheiterte an der Ablehnung der anderen Fraktionen, nur die CDU konnte sich dem nicht anschließen und enthielt sich bei der Abstimmung der Stimme.
Die „Volksabstimmung“ revanchierte sich in der anschließenden Abstimmung, als der Beitritt zum Bündnis ,Sicherer Häfen“ gestoppt werden sollte. Die CDU und die FDP befanden sich also in ihrer Ablehnung in bester Gesellschaft.
Auf der anderen Seite entfiel auf das Bündnis aus SPD, Grünen, DIE LINKE und DIE FRAKTION genau eine Stimme mehr. Bibers zerknirschte Reaktion bestand aus der Aussage: ,,Ok, dann klären wir das auf anderer Ebene.“
Die Wahrheit ist und bleibt konkret
Sollte der Bürgermeister damit Erfolg haben, dürfte das einem politischen Erdbeben gleichkommen. Bisher sind mehr als 250 Städte und Gemeinden ein ,,sicherer Hafen“. Es braucht nur ein Urteil, und rechte Bürgermeister*innen deutschlandweit könnten die Beschlüsse ihrer Stadträte kassieren lassen. Für Herrn Biber geht es darum den ,,Rechtsstaat zu verteidigen“. Doch was ist die Floskel vom ,,Rechtsstaat“ wert, wenn seit 2014 über 22.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken sind?
Die Wahrheit ist und bleibt konkret: Der bürgerliche Rechtsstaat hört da auf, wo Solidarität anfängt.