Asyl und Soforthilfe für Afghan*innen!
Für ein Afghanistan ohne Korruption, Besatzung und Taliban!
Wir dokumentieren hier den Text unseres Flyers, der in den kommenden Tagen bei Demos und Kundgebungen für die Aufnahme von aus Afghanistan Flüchtenden verteilt wird
Die westlichen Besatzungskräfte verlassen Afghanistan und hinterlassen einen Scherbenhaufen. Es ist das eingetreten, wovor Kriegsgegner*innen schon immer gewarnt hatten. Die westlichen Besatzer*innen, die sich wie Kolonialist*innen verhalten haben, haben die verhassten Taliban erst wieder stark gemacht. Mit der Hilfe von zurückgeraubten Bodenschätzen, Opiumgeld und großzügigen Spenden von Islamisten aus Saudi-Arabien, Pakistan, dem Iran und einiger Golf-Staaten haben es die Taliban geschafft, eine Armee aufzustellen, die jetzt das ganze Land unter ihre Kontrolle gebracht hat.
Die korrupte Regierung unter Präsident Ghani ist wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Tausende Soldaten, die teilweise monatelang nicht bezahlt wurden, weigerten sich, für diese Regierung ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Ghani ist aus dem Land geflohen – angeblich mit 5 Autos und einem Hubschrauber, alle bis oben vollgestopft mit Geld. Die Korruption der abgetretenen afghanischen Regierung ist aber nur das Abbild ihrer eigentlichen westlichen Herren: Ein Investitionsschutzabkommen garantierte 2007 komplette Steuerfreiheit für Konzerne wie Siemens, BP und Coca Cola, deren Gewinne zu hundert Prozent ins Ausland transferiert werden durften.
Das Projekt von Bush, den Einfluss der USA im Nahen und Mittleren Osten wiederherzustellen, ist krachend gescheitert. Stattdessen wird eine klare Verschiebung der globalen Kräfteverhältnisse deutlich. Besonders Chinas Anspruch, die USA als führende Weltmacht abzulösen, kommt der Abzug der US-Army – als ein Ausdruck des Niedergangs des US-Imperialismus insgesamt – entgegen. Das “neue” Afghanistan wird zu Chinas Einflussbereich gehören. Bei einem Treffen zwischen den Taliban und dem chinesischen Außenminister Wang hatte China in Aussicht gestellt, in Zukunft eine größere wirtschaftliche Rolle in Afghanistan spielen zu wollen – zumindest, wenn die Taliban ihre Verbindungen zu „Terrorismus, Extremismus und Seperatismus“ abbrechen. Für China deshalb so wichtig, weil die Unterdrückung der Uiguren im an Afghanistan angrenzenden Xinjiang weiterhin möglichst geräuschlos vonstatten gehen soll. Eine Verbrüderung von Uigurischen Widerstandskämpfern und den Taliban wäre eine Katastrophe für China.
Auch andere Groß- und Regionalmächte versprechen sich von den neuen Machthabern bessere Geschäftsbeziehungen und mehr Einfluss in der Region: Der pakistanische Premierminister Khan sprach von der „Befreiung“ Afghanistans, und der mit ihm verbündete türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, gemeinsam „Frieden und Stabilität“ in Afghanistan schaffen zu wollen.
Besatzung statt Brunnenbau
Mit dem gleichen Versprechen waren die USA und ihre deutschen Verbündeten in Afghanistan einmarschiert. Dabei ging den westlichen Militärbündnis nie um „Humanität“, um Brunnenbau oder Mädchenschulen. Den USA ging es vor allem um Prestige, nachdem sie bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gedemütigt wurden. Zudem liegt Afghanistan als Brückenkopf in einer geostrategisch wichtigen Lage im mittleren Osten. Der lange und brutale Militäreinsatz hat an der katastrophalen Lage der Menschen in Afghanistan kaum etwas geändert. Dass die USA sich jetzt zurückziehen, hat nichts mit der Einsicht zu tun, dass auch 20 weitere Jahre militärische Besatzung kein stabiles und besseres Afghanistan bedeutet hätte. Biden geht es darum, einen in den USA unpopulären Einsatz zu beenden, und die militärischen Kräfte im schwelenden Konflikt mit China in den Indopazifischen Raum verlegen zu können.
Afghanistan wurde in den letzten Jahrzehnten viel zu oft Spielball der Großmächte. Die Leidtragenden sind – wie immer – die Arbeitenden und Armen. Als wäre die bittere Armut nicht genug (das Durchschnittseinkommen beträgt 36€pro Monat!), steht für viele jetzt das Leben auf dem Spiel. Laut UNHCR wurden seit Anfang des Jahres etwa 550.000 Afghan*innen innerhalb des Landes vertrieben. Viele sind nach Kabul geflüchtet, wo sie jetzt den Taliban ausgeliefert sind.
Asyl für Menschen auf der Flucht!
Die ehemaligen Besatzer*innen waschen sich derweil ihre Hände in Unschuld. US-Außenminister Blinken fabuliert von einem „Erfolg“ des Militäreinsatzes. Die deutsche Regierung kümmert sich mehr um diffuse Ängste vor einem „zweiten 2015“, wo vor dem Krieg fliehende Syrer*innen es nach Deutschland schafften, als um die Lage der Menschen in Afghanistan. Schon in den letzten Jahren wurde die Lage in Afghanistan massiv geschönt, um weiter in das Land abschieben zu können. Familiennachzug wurde verschleppt, Asylanträge mit Verweis auf die “Sicherheit Kabuls” abgelehnt. Die Menschen stecken dort jetzt in einer tödlichen Falle. Einige Bürgerliche sind empört, dass die “Ortskräfte”, die die Bundeswehr in Afghanistan unterstützt haben, jetzt im Stich gelassen werden. Es darf aber keine Asyl-Bedingung sein, die Besatzung unterstützt zu haben. Stattdessen muss Deutschland allen Afghan*innen ein Asyl gewähren, die es brauchen. Menschenleben hängen davon ab, und Deutschland ist ein reiches Land, dass immer noch ausreichend Infrastruktur hat, um kurzfristig viele Menschen aufzunehmen.
Welche Perspektive bietet sich aber in Afghanistan selbst für Frauen*, unterdrückte Minderheiten wie die Hasara, LGBTQI+ und linke Aktivist*innen – und für die Arbeiter*innen und Bäuer*innen insgesamt? Klar ist, dass weder die imperialistische Intervention noch die Herrschaft der islamischen Fundamentalisten einen Weg nach vorne bieten. Keines der Probleme des Landes, einschließlich der massiven Armut, der Korruption, des Fehlens grundlegender demokratischer Rechte und der Unterdrückung der nationalen Minderheiten, kann auf der Grundlage des Kapitalismus gelöst werden.
Notwendig ist eine Massenbewegung, die sich auf den Widerstand gegen die Intervention aller imperialistischen Kräfte stützt und die Schaffung einer demokratischen Arbeiter*innen- und Bäuer*innennregierung anstrebt, die sich ausdrücklich für die Befreiung der Frauen einsetzt. Damit könnte ein großer Teil der wachsenden städtischen Bevölkerung Afghanistans gewonnen werden. Eine solche Bewegung müsste sich mit der Arbeiter*innenklasse Pakistans und anderer Nachbarländer zusammenschließen. Denn Frieden kann es nur geben ohne Unterdrückung, ohne Korruption und wenn der Wohlstand des Landes all seinen Bewohner*innen zugute kommt. Das können nur die Afghan*innen selbst erkämpfen – als Teil einer globalen Bewegung gegen Krieg, Unterdrückung, Klimakatastrophe und die Herrschaft des Profits.
Die SAV steht für:
- Die sofortige Öffnung aller Fluchtwege von Afghanistan nach Deutschland – Asylrecht für alle, die es benötigen!
- Humanitäre Hilfe für Afghanistan – ohne Militärs!
- Nieder mit den Taliban – für eine Regierung der Armen, Unterdrückten und Arbeitenden!
- Für die Vergesellschaftung der afghanischen Rohstoffe und Reichtümer unter demokratischer Kontrolle der Afghan*innen selbst!
- Für eine globale Bewegung gegen Krieg, Unterdrückung und Kapitalismus!
Bild: Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0