Nach Monaten der erzwungenen Enthaltsamkeit war es ein Genuss, wieder mit Popcorn und Softdrink in der Hand in einem Kinosaal zu sitzen. Es stand der neue Film von Shaka King aus Brooklyn auf dem Programm: Judas and the Black Messiah in der Originalversion mit deutschen Untertiteln.
Von Christian Kubitza, Köln
Der zweistündige Streifen beschreibt die wahren Geschehnisse um William O’Neal und Fred Hampton und die revolutionäre Black Panther Party, die damals die schwarze Bewegung anführte und die wichtigste sozialistische Kraft in den USA war. O’Neal verriet die Bewegung, was letztendlich zum Tod von Fred Hampton führte. Die Geschichte wird spannend und in einem gutem Wechsel zwischen leisen und lauten Szenen erzählt.
Als Hauptrolle des Films gilt William O’Neal, Fred Hampton als erste Nebenrolle. Das kann man als Zuschauer*in durchaus andersherum wahrnehmen, wenn man den sicherlich in Teilen dramaturgisch aufgewerteten Aufstieg von Fred zum Vorsitzenden der Black Panther-Sektion Illinois miterlebt. Obwohl er gerade einmal zwanzig Jahre alt war, konnte er früh durch seine Führungsqualitäten und motivierenden Reden überzeugen, was im Film sehr gut von Daniel Kaluuya dargestellt wird. Hierfür wurde er mit einem Oscar für die beste Nebenrolle ausgezeichnet.
Parallel dazu wird erzählt, wie William O’Neal vom FBI eingespannt wird, um Fred Hampton und die Black Panther zu Fall zu bringen. Das FBI hatte den Autodieb O’Neal mit der Aussicht auf lange Haftstrafen für Diebstahl und Betrug zu seiner Informatentätigkeit erpresst. Hampton, der es schaffte, in seiner „Rainbow-Coaltion“ Schwarze und Weiße im Kampf für gleiche Rechte zusammenzubringen, sollte unschädlich gemacht und die Panthers dadurch geschwächt werden.
O’Neal konnte als Fahrer von Hampton zunehmend dessen Vertrauen gewinnen und war bei fast allen Aktionen dabei – nicht ohne dem FBI die entsprechenden Informationen zu liefern. Ab einem gewissen Zeitpunkt war den Panthers allerdings klar, dass es einen Verräter in ihren Reihen geben musste. Der Gewissenskonflikt einerseits – eigentlich unterstützte O’Neal die Politik der Black Panther Party voll und ganz – und andererseits der Druck, der durch die Gefahr aufzufliegen immer mehr auf ihm lastete, werden im Film sehr deutlich.
Der Film endet mit der Ermordung von Fred Hampton und Mark Clark sowie der Verhaftung einiger weiterer Black Panther am 4. Dezember 1969 durch die örtliche Polizei und Beamte des FBI.
Der Film ist rundherum sehenswert – also ab ins Kino (oder ins Streaming, falls es zu spät ist) !
Das Leben und die politische Arbeit von Fred Hampton
Im Film erfahren wir nichts über Fred Hamptons frühe Jahre, die seine politische Entwicklung stark beeinflusst haben. Er wurde am 30. August 1948 geboren; seine Familie gehörte zu den Tausenden schwarzer Arbeiter*innen und Armen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Süden in die städtischen Produktionszentren im Norden, Mittleren Westen und an der Westküste gewandert waren.
Hampton wuchs im Arbeitermilieu Maywoods auf, eines Vororts von Chicago. Bereits in der High School führte er Demonstrationen und Streiks gegen Rassismus an, organisierte Gemeindezentren in armen schwarzen Vierteln Chicagos und Lebensmittelprogramme für Jugendliche. Hampton schloss sich der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) an und wollte Jura studieren, um wirksamer gegen die Willkür der Strafverfolgungsbehörden vorgehen zu können. Schließlich zog er revolutionärere Schlussfolgerungen. Er gehörte zu einer Generation, die durch die chinesische Revolution 1949, die kubanische Revolution 1959, den Stadt-Guerillakampf in Algerien gegen den französischen Kolonialismus, den Vietnamkrieg, den antikolonialen Kampf und die radikale schwarze Freiheitsbewegung stark radikalisiert war.
Das Durchschnittsalter der BPP-Mitgliedschaft lag zwischen 17 und 21 Jahren, 70% waren weiblich. Fred Hampton hat den Kampf gegen den Sexismus und die Bedeutung des Engagements von Frauen im Kampf für die Befreiung außergewöhnlich klar erkannt. Beides blendet der Film leider durch die Wahl der Darsteller*innen und seine Erzählweise weitgehend aus.