Abtreibungsverbot in Texas: Kampf für kostenlose und sichere Abtreibungen!
von Viola, ROSA Österreich und Conny, ROSA Deutschland
In den letzten Jahren sind hart erkämpfte Grundrechte von Frauen und LGBTQI+ Personen immer wieder beschnitten worden. Beispiele sind Gesetzesverschärfungen unter rechten Regierungen wie in Polen, Ungarn, Brasilien, den USA. Nun ist im Bundesstaat Texas am 1.September das strengste Abtreibungsgesetz der USA in Kraft getreten. Es verbietet einen Schwangerschaftsabbruch, sobald die Herztöne des Fötus zu hören sind.
Das ist oftmals bereits in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall, wo viele Schwangere noch gar nicht oder erst seit Kurzem von ihrer Schwangerschaft wissen. Der Herzschlags wird hier zum Vorwand für diese Verkürzung der Fristenregelung genommen, ein weiterer Schritt zu einer generellen Rückkehr zu konservativen Rollenbildern.
Das Gesetz macht weder bei Vergewaltigungen noch Inzest eine Ausnahme. Die Pro-Life-Bewegung und die christlichen Fundamentalist*innen, die hinter diesem Gesetz stehen, beschneiden also nicht nur die Reproduktionsrechte von Schwangeren, sondern begünstigen auch häusliche, sexualisierte, psychische und physische Gewalt an Frauen. Die meisten Vergewaltigungen passieren in den eigenen vier Wänden, durch Beziehungspartner oder nahen Bezugspersonen. Aufgrund ökonomischer Abhängigkeitsverhältnisse sind viele Frauen in solchen Beziehungen gefangen, mit einem Kind verstärkt sich dieses Abhängigkeitsverhältnis noch. Dieses Gesetzes bindet also indirekt die schwangere Person an ihren Peiniger.
Staatlich geförderte Hexenjagd
Damit nicht genug fördert und belohnt das texanische Gesetze private Spitzelei und Denunziation. Jede*r US-Bürger*in darf künftig einen mutmaßlich rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch einklagen oder rechtlich verfolgen. Nicht nur die Person, die eine Schwangerschaft abbrechen lässt, macht sich strafbar, sondern auch all jene, die sie dabei unterstützt haben, wie Ärzt*innen, Eltern, Freund*innen. Bei einem Erfolg vor Gericht können die Kläger*innen sogar eine Prämie von 10.000 US-Dollar erhalten.
Das bedeutet nicht nur staatliche, sondern auch gesellschaftlichen Verfolgung von Schwangeren. Solidarität mit Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen wollen, wird nahezu verhindert und geahndet. Die psychische Belastung einer ungeplanten Schwangerschaft steigt noch mehr, da die Betroffenen nicht wissen, wem sie trauen können, oder ihr Umfeld nicht gefährden wollen.
Ärzt*innen und Pfleger*innen drohen teure Rechtsstreitigkeiten. Bereits jetzt werden auch legale Angebote eines Abbruchs weniger, aus Angst vor finanziellen Strafen. Bereits in den letzten Jahren mussten 50 Reproduktions-Klinken in Texas schließen, weil das Geld fehlte, vor allem in Gebieten mit hohem Arbeiter*innenanteil in der Bevölkerung. In solchen Reproduktions-Kliniken werden nicht nur Abbrüche durchgeführt, sondern wird auch Aufklärungsarbeit geleistet, werden Verhütungsmethoden und gynäkologische Untersuchungen angeboten. Je weniger Kliniken es gibt, desto härter trifft das grade einkommensschwache Menschen, die sich den weiten und teuren Weg bis zur nächsten Klinik nicht leisten können – zumal Schwangere vor einem Abbruch mindestens zweimal in die Klinik müssen. Viele werden also unsichere und lebensbedrohliche, illegale Abtreibungen vornehmen oder eben – falls sie sich das leisten können – in einen anderen Bundesstaat reisen müssen.
Das Abtreibungsrecht „Roe vs Wade“
Mit dieser Hexenjagd von Privatbürger*innen anstatt behördlicher Verfolgung kann die seit 1973 geltende bundesweite Regelung „Roe v. Wade“, die Abtreibungen bis zur 22. bis 24. Woche möglich macht, umgangen werden. Damals hatte der Supreme Court auf Grundlage eines Präzedenzfalls entschieden, dass staatliche Gesetze, die Abtreibungen verbieten, gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen. Staatliche Vorschriften, die keine unzumutbare Belastung darstellen, wie eine obligatorische Beratung und eine 24-stündige Bedenkzeit vor dem Eingriff, sind allerdings zulässig.
Der Supreme Court hätte das neue Gesetz in Texas verhindern können, hatte aber die vorgeschriebene Frist dafür verstreichen lassen und einen Eilantrag aus formalen Gründen abgewiesen. Mit drei von Trump eingesetzten Richter*innen (darunter Amy Coney Barrett, Katholikin und Mitglied der radikalen „People of Praise“) ist die Zusammensetzung des Obersten Gerichtes weitaus rechter geworden; Trumps erklärtes Ziel war es, „Roe vs Wade“ zu kippen. Joe Biden hingegen hatte vor seiner Wahl versprochen, das Recht auf Abtreibung auf Bundesebene gesetzlich zu verankern. Die US-Regierung klagt zwar nun gegen das neue Abtreibungsgesetz in Texas, die Bewegung wird aber mit Massenproteste enormen Druck auf die Demokraten ausüben müssen, damit sie wirklich handeln und Texas nicht zur Norm wird. Schließlich hatte Ron DeSantis, der republikanische Gouverneur Floridas, bereits angekündigt, dieses Modell für ein Abtreibungsverbot in seinem Staat zu übernehmen.
Für eine echte Wahlfreiheit
Laut dem Umfrage- Institut Gallup zufolge wollen US-Bürger*innen mehrheitlich die „Roe v. Wade“-Regelung beibehalten, oder sogar liberalere Regeln. Frauen wollen und müssen selbst über ihren Körper entscheiden können. Zu einer echten Wahlfreiheit gehört aber auch die Verbesserung der sozialen Lage. Manchmal ist der Grund für eine Abtreibung nicht etwa der mangelnde Kinderwunsch, sondern die materiellen Umstände wie Armut, Arbeitslosigkeit usw.
Der Kapitalismus stützt sich auf die Objektifizierung und Ausbeutung von Frauen und ihren Körpern, und versucht ihre Körper zu kontrollieren, mittels biologischer oder moralischer Ideologisierung. Frauen werden unter dem Vorwand moralischer Werte (wie „der Familie“) ausgebeutet und in ökonomische Abhängigkeiten gezwungen. Während die Entscheidung, Kinder zu bekommen, eine gesellschaftliche zu sein scheint, wird die anschließende Kinderbetreuung, Erziehung und der Haushalt allein der Frau als ihr „traditioneller Arbeitsbereich“ aufgedrückt. Als Folge davon müssen Frauen oft in Teilzeit oder unterbezahlten Berufen arbeiten, was ökonomische Abhängigkeit (vom Partner) bedeutet. Um sich aus diesen zu befreien, entscheiden sich Frauen oft gegen ein Kind, was wiederum Repression zur Folge hat. Abtreibungen werden durch ein Abtreibungsverbot nicht aufhören, sie werden nur unter unsicheren Bedingungen stattfinden und das Leben von Frauen gefährden.
Im Kapitalismus kann jede von unserer Bewegung mühsam errungene Errungenschaft, wie eben Abtreibungsrechte, von der herrschenden Klasse wieder rückgängig gemacht werden. Um eine echte Befreiung von der Unterdrückung der Geschlechter zu erreichen, brauchen wir eine starke sozialistische, internationale Frauenbewegung, welche nicht nur einzelne Symptome bekämpft, sondern das Übel an der Wurzel, dem Kapitalismus, packt.
ROSA International fordert echte Verbesserungen:
- Vollumfängliche Sexualauflärung in Bildungseinrichtungen ab der KiTa
- Kostenlose Verhütungsmittel, unabhängig von Alter, finanzieller Situation und Versicherungsstatus
- Vollständige Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen durch den Staat, wie es u.a. in den Niederlanden, Frankreich, Schweden, Dänemark, Norwegen, Großbritannien, Belgien und der Schweiz bereits der Fall ist
- Schwangerschaftsabbrüche in allen öffentlichen Krankenhäusern, flächendeckend und verpflichtend
- Weg mit der §218 und § 219! Volles Abtreibungsrecht
Am 28.9. ist der internationale SAFE ABORTION DAY. Kämpfe mit uns für sichere Schwangerschaftsabbrüche und Wahlfreiheit für alle!
Bild: John Ramspott from Oxford, GA, USA, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons