Die Verlangsamung des Golfstroms zeigt die Notwendigkeit Klimakatastrophe und Kapitalismus zu stoppen!

Von Haritha Olaganathan, (Socialist Party, ISA in Irland)

Der Golfstrom erstreckt sich von der Spitze Floridas nordwärts entlang der Ostküste der USA. Er ist eine von vielen Strömungen in der atlantischen meridionalen Umwälzbewegung (AMOC), einem System, das entscheidend für die guten Lebensbedingungen in der nördlichen Hemisphäre ist. Er transportiert warmes Wasser aus den Tropen in den Nordatlantik „wie ein Förderband“, wie Klimawissenschaftler*innen es treffend beschreiben. Jetzt wird aber befürchtet, dass sich die AMOC abschwächt und möglicherweise ganz versiegt.

Die derzeitige Geschwindigkeit der AMOC – so langsam wie nie in den letzten 1600 Jahren1 – wirft die dringende Frage auf, welche Schritte zur Lösung der Klimakrise notwendig sind und ob diese in einem kapitalistischen System, das so rücksichtslos auf das Streben nach Profit ausgerichtet ist, jemals möglich sein werden. Die Dramatik dieses Problems wird noch dadurch verdeutlicht, dass es parallel zu einem Sommer mit verheerenden Naturkatastrophen auf der ganzen Welt auftritt.

Die Geschwindigkeit und Stärke der AMOC in den letzten Jahrtausenden ist in erster Linie für die relative Wärme der nördlichen Hemisphäre, insbesondere in Ländern wie Irland, verantwortlich, aber sie ist rückläufig. Die Daten der letzten 100.000 Jahre zeigen, dass die AMOC für einige Jahrzehnte auf einen instabileren und langsameren Zustand zurückfallen kann. Die heutige Verlangsamung ist jedoch nicht auf natürliche Veränderungen der Strömung zurückzuführen, sondern eine direkte Reaktion auf die Erwärmung unseres Planeten, wie in einem kürzlich erschienenen Bericht von Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung dargelegt wird, in dem acht unabhängig voneinander gemessene Datensätze zu Temperatur und Salzgehalt analysiert wurden.2

Levke Caesar von der Universität Maynooth stimmt zu, dass Boers „Beweise dafür vorlegt, dass die AMOC bereits an Stabilität verloren hat, was ich als Warnung verstehe, dass wir näher an einem AMOC-Kipppunkt sein könnten, als wir denken.“3

Kipppunkte „mit geringer Wahrscheinlichkeit und großen Auswirkungen“

Das könnte eine überwältigende Katastrophe werden – die AMOC hat in unserer Umwelt einen hohen Stellenwert als massive Wärme- und Kohlenstoffsenke. Der sechste Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) der Vereinten Nationen, der letzte Woche veröffentlicht wurde, stellt fest, dass 56 % des seit 1960 in die Atmosphäre ausgestoßenen CO2 von Wäldern, Böden und Ozeanen absorbiert wurden.4 Diese Kohlenstoffsenken sind bereits gesättigt und verlieren an Wirksamkeit, aber ein Zusammenbruch eines wichtigen Zirkulationssystems könnte einen katastrophalen Kipppunkt für unser Klima darstellen.

In allen fünf vom IPCC prognostizierten Treibhausgasszenarien wird bis 2030 ein Temperaturanstieg von mindestens 1,5° Celsius über dem vorindustriellen Niveau erreicht, und jeder darüber hinausgehende Anstieg birgt „zunehmend ernste, jahrhundertelange und in einigen Fällen unumkehrbare Folgen.“5 Dies liegt nicht an irgendwelchen magischen Zahlen, die eine sofortige Zerstörung der Umwelt bewirken, sondern daran, dass kleine quantitative Temperaturveränderungen durch Kipppunkte eine groß angelegte qualitative Veränderung der Umwelt auslösen.

Das Abwürgen der AMOC würde zu vermehrten Dürren in Südasien und Westafrika, zu stürmischem Wetter in Europa, zum Anstieg des Meeresspiegels an der US-Ostküste und zur Gefährdung der Amazonas-Regenwälder und der antarktischen Eisschilde führen.6 Dies wiederum führt zu einem Anstieg des Meeresspiegels und zum Auftauen des arktischen Permafrosts, wobei der auftauende Boden stark klimawirksames Methangas freisetzt, das zu einer weiteren Erwärmung beiträgt und die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise, die unseren Planeten zunehmend lebensfeindlich macht, weiter verschärft.

Dies muss um jeden Preis vermieden werden. Doch wenn die Regierungen der Welt die Minimalziele des „freiwilligen“ Pariser Abkommens von 2015 nicht erreichen und Kipppunkte oft ignorieren, weil sie schwer zu quantifizieren sind, kann man leicht das Vertrauen in das Potenzial verlieren, die Klimakrise unter Kontrolle zu bringen. Wissenschaftler, darunter auch Boers selbst, warnen vor solchem Pessimismus – egal wie schlimm der Zustand der Umwelt heute ist, Kipppunkte sind nicht unvermeidbar…

…denn der Kapitalismus ist nicht unvermeidbar.

Der IPCC-Bericht enthält eine kolossale Menge an Daten, die sich auf den exponentiellen Anstieg der Treibhausgasemissionen seit dem Beginn des Kapitalismus stützen, um die Vorstellung von der zentralen Rolle der „Menschheit“ bei der Auslösung der Klimakrise zu untermauern. Doch die Ausbeutung des Planeten ist nicht in der Natur des Menschen angelegt. Vielmehr liegt es in der Natur der Kapitalist*innenklasse der Milliardär*innen, der Eigentümer*innen von Großunternehmen und der etablierten Politiker*innen, die Profite der wenigen Reichen zu steigern, um das kapitalistische System aufrechtzuerhalten. So wird die Umwelt als eine unendliche Grube von Ressourcen betrachtet, die man ausbeuten und beherrschen kann, weil das heute am profitabelsten ist.

Die Bedürfnisse und Wünsche der einfachen Arbeiter*innen sind nicht an diese zerstörerischen Methoden gebunden, sondern stehen im Widerspruch zu den kapitalistischen Profiten – in der Tat werden wir als Arbeiter*innen ausgebeutet und unterdrückt durch die gleichen Kräfte wie diejenigen, die den Planeten ausbeuten. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die an der Front von Sektoren wie der Ölförderung und dem Bergbau mit den schlechtesten Löhnen und Bedingungen konfrontiert sind.

Schüler*innenstreiks haben die Klimabewegung wiederbelebt und viele kapitalistische Regierungen dazu gezwungen, die Realität der Klimakrise zu anzuerkennen – doch sie werden immer nur zu wenig und zu spät tun. Das letzte Mal, als die Atmosphäre so warm war wie heute, lag der Meeresspiegel bis zu zehn Meter höher, was viele unserer großen Küstenstädte überfluten würde; und vor drei Millionen Jahren, als die CO2-Konzentration in der Luft so hoch war wie heute, lag er 25 Meter höher.7

Organisieren wir uns, um den Planeten zu retten

Die Klimakrise spielt sich brutal vor unseren Augen ab: Die Hitzewellen an der Westküste der USA und Kanadas waren so heiß, dass Dutzende von Menschen ohne den Luxus einer Klimaanlage starben. In diesem Sommer wurden auch Länder in ganz Europa von Waldbränden heimgesucht, und Überschwemmungen legten Dörfer und Städte in Belgien, Deutschland und China in Schutt und Asche.

Im Vorfeld der COP26-Konferenz muss massiver Druck ausgeübt werden. Wir brauchen einen sofortigen Übergang zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft – das bedeutet, dass wir für Maßnahmen wie einen kostenlosen, zuverlässigen öffentlichen Nahverkehr und umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien kämpfen müssen, die mit einem Ende der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verbunden sind. Wir müssen den Profiteur*innen die Macht entreißen und die Verstaatlichung von Schlüsselsektoren der Wirtschaft fordern – von Verkehr und Wohnungsbau bis hin zum Gesundheits- und Bildungswesen – unter der demokratisch gewählten Kontrolle der Arbeiter*innen in diesen Branchen, die sowohl über das Wissen als auch die Erfahrung verfügen, um die notwendigen Entscheidungen im Interesse der Menschen der Arbeiter*innenklasse und des Planeten zu treffen.

Sozialist*innen sind wie Wissenschaftler*innen keine Wahrsager*innen – wir können den genauen Zeitpunkt von Kipppunkten wie dem Abreißen des Golfstroms und der AMOC nicht vorhersagen. Wir wissen jedoch, dass sie unter dem gegenwärtigen System kaum zu verhindern sind. Nur ein Bruch mit dem Profitmotiv in einer Welt, in der Produktion und Investitionen demokratisch für das Leben und die Sicherheit der Mehrheit geplant werden, kann das Übel der Überproduktion und Umweltverschmutzung beenden. Die Klimakrise verstärkt die Notwendigkeit, eine Kraft aufzubauen, die in der Lage ist, dieses verrottete System in die Knie zu zwingen.

Als Teil der International Socialist Alternative (ISA) mobilisiert die SAV ihre Mitglieder und Unterstützer*innen für die COP26 im November nach Glasgow. Wenn ihr daran interessiert seid, euch uns anzuschließen, schreibt uns eine Email oder über das Kontaktformular, um mit eine*r sozialistischen Aktivist*in zu besprechen, wie ihr euch am Kampf für eine nachhaltige Zukunft und eine sozialistische Welt frei von Unterdrückung und Ausbeutung beteiligen könnt.

Quellen:

  1. 1David J.R. Thornalley et al, 2018, “Anomalously weak Labrador Sea convection and Atlantic overturning during the past 150 years”, Nature, Vol, 556, Pages 227–230

2 Niklas Boers, 2021, “Observation-based early-warning signals for a collapse of the Atlantic Meridional Overturning Circulation”, Nature Climate Change, Vol. 11, Pages 680-688

3 Damian Carrington, 5th August 2021, “Climate crisis: Scientists spot warning signs of Gulf Stream collapse”, The Guardian, <https://www.theguardian.com/environment/2021/aug/05/climate-crisis-scientists-spot-warning-signs-of-gulf-stream-collapse>

4Marlowe Hood and Patrick Galey, 9th August 2021, “No good news here: Key IPCC findings on climate change”, Phys.org, <https://phys.org/news/2021-08-good-news-key-ipcc-climate.html?fbclid=IwAR1k0pUaaYG-DsGGlopsA2c31AlhoYfwQ6k-IHmIrjTu3XZGMls4lzSZXhc>

5 Fiona Harvey, 23rd June 2021, “IPCC steps up warning on climate tipping points in leaked draft report”, The Guardian, <https://www.theguardian.com/environment/2021/jun/23/climate-change-dangerous-thresholds-un-report?fbclid=IwAR2c9Y6zxxzWSgWyp9xh2B2Il4l-Gp6EXBsW8ajNtSqf2LQsOzXrAVMIZ1s>

6Damian Carrington, 5 August 2021, “Climate crisis: Scientists spot warning signs of Gulf Stream collapse”, The Guardian, <https://www.theguardian.com/environment/2021/aug/05/climate-crisis-scientists-spot-warning-signs-of-gulf-stream-collapse>

7 Marlowe Hood and Patrick Galey, 9th August 2021, “No good news here: Key IPCC findings on climate change”, Phys.org, <https://phys.org/news/2021-08-good-news-key-ipcc-climate.html?fbclid=IwAR1k0pUaaYG-DsGGlopsA2c31AlhoYfwQ6k-IHmIrjTu3XZGMls4lzSZXhc>

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