Drei Streikwellen kostete es die GDL, sich gegen beinahe eine ganze Republik zu behaupten. Am 7. September endete die aktuelle Tarifrunde zwischen der Gewerkschaft und dem Bahn-Konzern. Es ging um mehr als eine reine Gehaltserhöhung.
Marc Treude, Aachen
Der kleineren der beiden Bahn-Gewerkschaften gelang es erneut, eine hohe Streikbeteiligung ihrer Mitglieder zu erreichen. Allein in der dritten Runde bereiteten bis zu 24.000 Kolleg*innen dem Vorstand und der Politik Kopfzerbrechen. Es ging um viel: Ende 2020 war die Vereinbarung zwischen Bahn-Vorstand und GDL ausgelaufen, das 2015 in Kraft getretene „Tarifeinheitsgesetz“ nicht umzusetzen. Dieses wurde nach der letzten großen Tarifrunde bei der Bahn durch die CDU-SPD-Regierung eingeführt und sollte kleinere und kämpferische Gewerkschaften in die Schranken weisen. In einem Betrieb sollte nur noch der Tarifvertrag Anwendung finden, der von der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern ausgehandelt wurde.
Was wurde erreicht?
Einerseits hat sich die GDL mit dem Streik gegen die Anwendung dieses undemokratischen und gewerkschaftsfeindlichen Gesetzes gewehrt. Andererseits hat sie eine Einigung mit dem Bahn-Vorstand unterschrieben, nach der die EVG- und GDL-Mitglieder in den verschiedenen Betrieben der Bahn gezählt werden, um den Tarif nur dort anzuwenden, wo die GDL eine Mehrheit hat, und es somit durch die Hintertür akzeptiert.
Für die Laufzeit des Tarifvertrages mit der GDL bis November 2023 wurden Einkommensverbesserungen um 3% vereinbart. Hierin enthalten sind zwei Corona-Prämien, die steuerrechtlich neutral sind. Das ist ein besseres Ergebnis als im öffentlichen Dienst, dessen Tarifrunde als Referenzwert angepeilt wurde. Allerdings war schon die ursprüngliche Forderung bescheiden und das Ergebnis liegt unter der Inflationsrate und bedeutet Reallohnverlust.
Der Versuch des Bahn-Konzerns, die betrieblichen Renten bei der Bahn zu kürzen und auslaufen zu lassen, wurde zurückgeschlagen, zumindest für alle Kolleg*innen, die bis Ende 2022 zur Bahn kommen. Über die danach Eingestellten wird bei späteren Tarifverträgen verhandelt. Zudem konnte die GDL den Geltungsbereich des Tarifvertrages auf weitere Betriebe der Bahn ausweiten und somit der eher zahmen EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Mitglied im DGB) das Wasser abgraben. Die EVG will nun ihrerseits nochmals mit der Bahn über Verbesserungen in ihrem Tarifvertrag sprechen und redet großspurig von Streiks. Doch wahrscheinlich wird der Bahnvorstand die erkämpften Erfolge der GDL kampflos auf die EVG übertragen. Die Tarifrunde ist somit ein taktischer Erfolg der GDL.
David gegen Goliath
In der Vergangenheit organisierte die GDL überwiegend die Lokführer*innen und einen Teil der Zugbegleiter*innen. Sie hatte 2008 und 2015 in harten Tarifauseinandersetzungen gestanden und akzeptable Ergebnisse erreicht. Dadurch konnte sie in andere Bereiche der Beschäftigten im Bahn-Konzern vordringen. 2015 erkämpfte sie den Tarifvertrag auch für die Zugbegleiter*innen.
Auch in dieser Tarifrunde schufen Politik und Medien eine hetzerische Stimmung gegen die GDL. Nicht zuletzt die als progressiv geltende Satire-Sendung extra3 beschimpfte die GDL mehrfach auf unterstem Niveau. Der Vorsitzende Claus Weselsky wurde als Irrer dargestellt, der für sein eigenes Ego die Bahn lahmlegt. Dass die Egomanen aus dem Vorstand sich trotz Verlusten 10% Erhöhung gegönnt hatten, war der Satiresendung keine Erwähnung wert.
Bis in die Gremien der DGB-Gewerkschaften und an die Basis der LINKEN zog sich der Streit darum, ob man mit der GDL solidarisch sein oder sie als Sparten- oder gar „Spaltergewerkschaft“ beschimpfen solle. Die SAV stand in allen zurückliegenden Tarifrunden der GDL seit 2008 solidarisch an der Seite der GDL-Kolleg*innen. Wir hatten betont, dass die Lokführer*innen berechtigte Forderungen mit einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik durchsetzen konnten. Andere Gewerkschaften hätten sich davon gleich mehrere Scheiben abschneiden können.
2021 stand die GDL nicht alleine im Arbeitskampf: ver.di und der Einzelhandel streiken, die IG Metall hatte gleich mehrere Tarifrunden in verschiedenen Branchen, in Berlin läuft der Streik bei den Kliniken von Charité und Vivantes. Es wird Zeit, dass Kämpfe zusammengeführt, und am besten gleich gemeinsam koordiniert werden.