Anlässlich der bevorstehenden Klimakonferenz in Glasgow Anfang November veröffentlichen wir hier die Artikel zum Thema aus unserem aktuellen Magazin und den Aufruf zu internationalen Protesten beim COP26.
Ziele der UN-Klimakonferenz 2020
Während die Lockdowns anfangs mit der leisen Hoffnung verbunden waren, auch die CO2- Emissionen dauerhaft zu senken, wird spätestens in diesem Jahr deutlich, dass diese Hoffnung vergebens war. Wir werfen einen Blick auf die öffentlich formulierten Ziele der, wegen der Pandemie um ein Jahr verschobenen, Klimakonferenz – und wie unrealistisch sie unter dem jetzigen System sind.
Ziel 1: Nullemission bis 2050, Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C
Zur Erreichung des Ziels schlägt die UN vor, den Kohleausstieg zu beschleunigen, Abforstung zu begrenzen, den Umstieg auf Elektromobilität zu beschleunigen und Investitionen in erneuerbare Energien zu fördern.
Weltweit kann jedoch nicht von einem Kohleausstieg die Rede sein, da der Verbrauch seit 2015 wieder steigt. Auch eine reine Begrenzung der Abforstung reicht angesichts der zahlreichen Waldbrände nicht. Elektromobilität bedeutet keinen Ausstieg aus dem dominierenden und ressourcenintensiven Individualverkehr. Erneuerbare Energien dominieren bereits jetzt die Neuinvestitionen im Bereich des Energiesektors, trotzdem ist die Überschreitung der 1,5°C-Marke bereits für 2030 prognostiziert.
Ziel 2: Adaptation, um Siedlungen und Habitate zu schützen
Die UN spricht davon Ökosysteme und Siedlungsgebiete zu schützen. Angesichts steigender Meeresspiegel und zunehmender „Jahrhunderthochwasser“ ein sinnvoller Gedanke. Die Frage bleibt jedoch, welche Länder sich ausreichende Schutzmaßnahmen leisten können werden? Und wie viele Millionen Menschen zur Flucht gezwungen werden?
Ziel 3: Mobilisierung von Finanzen
100 Milliarden Euro pro Jahr sind laut UN nötig. Eine Menge Geld – oder etwa 5% der weltweiten Militärausgaben 2020. Würde alleine Deutschland jegliche Militärausgaben in den Klimaschutz umleiten, wäre fast die Hälfte der Finanzierung gesichert.
Ziel 4: Zusammenarbeit um Ziele zu erreichen
Eine Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft erscheint aus Sicht der UN nötig, um die Klimaerwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Ein guter Gedanke – der jedoch völlig außer Acht lässt, dass der Kapitalismus ein System der Konkurrenz und nicht der Kooperation ist. Zur Aufrechterhaltung der Profite brauchen die Konzerne eine weiter steigende Produktion mit wachsendem Ressourcenverbrauch und zur Sicherung ihres Zugriffs auf Märkte und Rohstoffe Staaten und Militär. Für konsequente Klimapolitik brauchen wir dringend eine Alternative zum Kapitalismus.
Auf nach Glasgow am 5. und 6. November
Proteste anlässlich COP26
Die SAV mobilisiert gemeinsam mit den anderen Sektionen der International Socialist Alternative (ISA) zu den Demonstrationen rund um die Klimakonferenz (COP26) in Glasgow. Wir werden mehr als 300 Aktivist*innen mit Bussen nach Schottland bringen. Die ISA hat genug Schlafplätze in Edinburgh vom 4. bis 7. November und den Transfer nach Glasgow (rund eine Stunde Fahrtzeit) organisiert.
Unser Ziel ist es nicht, einfach nur „ein Zeichen zu setzen“ oder eine möglichst große Demo-Intervention zu organisieren. Die Mobilisierung zu den COP26-Protesten ist Teil unserer internationalen Klimakampagne, an der auch unsere Schwesterorganisationen in Brasilien, Mexiko, Südafrika, den USA und anderen Sektionen, die aufgrund der Distanz nicht nach Glasgow mobilisieren können, teilnehmen.
Das Ziel unserer Kampagne ist, die Klimabewegung mit den Erfahrungen der letzten Jahre neu aufzubauen. Wir brauchen eine Klimabewegung, die die eigentlichen Verursacher*innen der Klimakrise, die großen Konzerne und das ganze kapitalistische System, klar benennt und dies auch in Forderungen und Aktionsformen widerspiegelt. Wir brauchen eine kämpferische Klimabewegung, die demokratisch organisiert und in Schulen, Unis und Betrieben verankert ist. Wir brauchen eine Klimabewegung, welche die aktive Zusammenarbeit mit der Gewerkschafts- und Arbeiter*innenbewegung sucht und deren Kämpfe unterstützt. Nur gemeinsam mit den Beschäftigten können wir Massenbewegungen und wirtschaftliche Streiks aufbauen, die genug Druck erzeugen, um die notwendigen Forderungen für effektiven Klimaschutz, gute und nachhaltige Jobs und soziale Verbesserungen durchzusetzen.
Komm mit uns nach Glasgow und bring zusammen mit der International Socialist Alternative antikapitalistische Ideen und Strategien in die Klimabewegung.
Fahrplan für die Aktionen zum COP26-Gipfel:
- Ankunft in Edinburgh am Donnerstag Abend, 4. November
- Demonstration am Freitag, 5. November
- Demonstration am Samstag, 6. November
- Veranstaltung der ISA, Samstag, 6. November, 17:00 Uhr.
- Kosten: 80 Euro pro Person für die Unterbringung (in Edinburgh) und den Transfer Edinburgh-Glasgow, dazu kommt die jeweilige Anreise.
- Weitere Informationen über die Anreise, Covid-Regeln usw. auf Anfrage. Anmeldung unter sozialismus.info/cop26
Empfehlungen statt Handeln
Der UN-Klimagipfel im November im schottischen Glasgow ist bereits das 26. Gipfeltreffen, auf dem über Möglichkeiten und Ziele der Begrenzung des Klimawandels diskutiert wird. Regierungen nutzen diese Treffen als Möglichkeit, sich als Vorkämpferinnen des Klimaschutzes zu präsentieren.
Aber wird die Konferenz einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, den Klimawandel aufzuhalten? Die Ergebnisse bisheriger Gipfel lassen daran Zweifel aufkommen. Schon in den 1970er Jahren warnten Forscher*innen vor den katastrophalen Folgen des durch Treibhausgasemissionen verursachten Klimawandels. Im Jahr 1979 tagte eine erste Weltklimakonferenz in Genf.
Von Rio bis Kyoto
1992 fand die erste UN-Klimakonferenz statt. Auf einem Gipfel in Rio de Janeiro wurde eine Klimarahmenkonvention mit dem Ziel verabschiedet, die Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung der zustimmenden Staaten sollte dies gelingen, allerdings lehnten die USA jede Verpflichtung ab.
Seit 1995 finden jährlich die UN-Klimagipfel (abgekürzt COP für Conference of the Parties, gemeint sind die Staaten, die die Rahmenkonvention unterzeichnet haben) statt. Erst bei COP3 in Kyoto 1997 einigten sich die teilnehmenden Staaten auf Zielwerte für die Reduktion von Treibhausgasen. Allerdings trat dieses Abkommen erst 2005 in Kraft und wurde von den USA nie ratifiziert. Es folgten weitere Jahre der Diskussion und Verzögerung ohne verbindliche Regelungen.
Das Kyoto-Abkommen war auf 15 Jahre begrenzt und trat 2012 außer Kraft. 2009 scheiterte beim COP15 in Kopenhagen, der von internationalen Massenprotesten der Klimabewegung begleitet wurde, ein Nachfolgeabkommen an der gegenseitigen Blockade der USA, der europäischen Staaten und einem von China und Indien geführten Block ex-kolonialer Staaten mit wachsender Industrie, die sich jeweils gegenseitig vorwarfen, zu viel CO2 zu produzieren oder die wirtschaftliche Entwicklung der anderen Länder behindern zu wollen. 2012 wurde das Kyoto-Protokoll verlängert, allerdings trat Kanada aus, um seine Ölindustrie zu schützen, für Russland waren mit der Verlängerung keine Reduktionsziele mehr vorgesehen und China und Indien unterschrieben zwar, blieben aber weiterhin von der Umsetzung ausgenommen.
Pariser Klimaziele
Ende 2015 wurde das Paris-Protokoll beschlossen, das am 4. November 2016 als neuer internationaler Klimavertrag in Kraft trat. Es definierte ein „verbindliches“ Ziel von zwei Grad und nennt darüber hinaus das berühmte 1,5 Grad-Ziel für die Begrenzung der globalen Erwärmung. Um es zu erreichen, sollen die weltweiten Emissionen ab 2050 auf „Nettonull“ reduziert werden. Somit dürfte dann nur noch so viel Kohlendioxid ausgestoßen werden, wie etwa Waldanpflanzungen aus der Erdatmosphäre ziehen.
Das Abkommen wurde zwar mit wenigen Ausnahmen, darunter die Türkei und der Iran, von allen UN-Mitgliedsstaaten ratifiziert, seine realen Folgen sind jedoch begrenzt. Der Begriff „fossile Brennstoffe“ kommt im Abkommen nicht vor. Es enthält zwar eine Empfehlung, Schadensersatz an Staaten zu leisten, die mit den ganz realen Folgen des Klimawandels bereits zu kämpfen haben, ein Rechtsanspruch kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Es gibt auch keinen Sanktionsmechanismus für Staaten, die zu viel CO2 ausstoßen.
Die Industrie bestimmt
Die Empfehlung des Weltklimarates, rasch und konsequent zu handeln, versandet weiterhin in Sitzungen. Die festgelegten unverbindliche Ziele und Vereinbarungen bieten genügend Schlupflöcher, um den kurzfristigen Profitinteressen ganzer Industrien nicht im Weg zu stehen. Ein Beispiel für wirtschaftsfreundlichen Umweltschutz stellt der sogenannte Emissionshandel dar. Dieser erlaubt es Firmen, Kontingente von schädlichen Abgasen oder eben auch Guthaben derselben national wie auch international zu verkaufen oder zu kaufen.
Die Notwendigkeit der Umrüstung technischer Anlagen rückt so in weite Ferne, denn solange solche Möglichkeiten existieren, kann das Hauptaugenmerk weiterhin auf kurzfristige Gewinne gelegt werden und eben nicht auf langfristig sinnvolle Veränderung der Produktionsabläufe.