Nahezu jeder Teil unseres Alltags, vom Einschalten des Lichts bis zum Surfen auf dem Handy, ist abhängig von schmutziger Energie.
Von Rebecca Green (Socialist Alternative, ISA in den USA)
Der größte Teil der Treibhausgasemissionen, etwa 25 %, stammt aus der Strom- und Wärmeerzeugung. Diese Energie muss zu 100 % aus erneuerbaren Quellen stammen – und das eigentlich schon seit gestern (eigentlich seit Jahrzehnten).
Die Menschen haben Energie nicht immer auf diese Weise genutzt. Vor der industriellen Revolution in den 1800er Jahren gingen unsere Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern bei Sonnenuntergang ins Bett und kamen irgendwie ohne Google Maps zurecht. Aber sie mussten auch harte, kalte Winter mit nur einem Holzfeuer zum Heizen überstehen, waren mit ständiger Nahrungsmittelknappheit konfrontiert und hatten Schwierigkeiten, über größere Entfernungen hinweg zu kommunizieren und zu reisen.
Die Zeiten waren hart, und auf der ganzen Welt entstanden Innovationen zur effektiveren Energieerzeugung, von neuen Wasserradtechniken bis hin zu Kohle und der Dampfmaschine in den späten 1800er Jahren. Plötzlich konnte man nicht nur besser heizen, sondern Kohle auch viel effektiver und effizienter zur Erzeugung mechanischer Energie nutzen.
Flugzeuge, Züge und Automobile folgten, ebenso wie Stickstoffdünger, der die Nahrungsmittelproduktion exponentiell erhöhte. Der Lebensstandard verbesserte sich, mehr Menschen konnten überleben, und jeder Aspekt unseres modernen, energiegesättigten Lebens wurde dank der fossilen Brennstoffe möglich.
Aber damit ist die Geschichte natürlich noch nicht zu Ende.
Das Problem, das wir jetzt haben, und das wir im Grunde seit Beginn der Nutzung fossiler Brennstoffe haben, besteht darin, dass wir uns bei der Deckung des Energiebedarfs der menschlichen Zivilisation nicht auf sie stützen können, ohne unser Klima völlig zu destabilisieren.
Die gute Nachricht ist, dass wir dank der modernen Wissenschaft umweltfreundliche Alternativen zur Energieversorgung der modernen Gesellschaft entdeckt haben und weiterhin entdecken werden. Die schlechte Nachricht ist, dass die Konzerne, die fossile Brennstoffe nutzen, uns nicht einfach gewähren lassen wollen.
Die große Vertuschung der fossilen Brennstoffindustrie
Die ganze Wahrheit ist, dass diese Industrie, als fossile Brennstoffe zu unserer Hauptenergiequelle wurden, von einigen wenigen wohlhabenden Individuen mit viel Macht kontrolliert wurde, die eine Menge Geld verdienten. Daran hat sich nichts wirklich geändert.
Die aufstrebenden Kapitalist*innen Ende des 19. Jahrhunderts brauchten diese neue Energiequelle, um die Eisenbahnen auszubauen und Fabriken und Städte zu bauen – was bedeutete, dass diejenigen, die an der Kohlebranche beteiligt waren, schnell reich wurden.
Doch während sie und ihre Pendants aus der Öl- und Gasindustrie in den folgenden Jahrzehnten das Geld scheffelten, begann die Wissenschaft bereits, die Bedrohung durch fossile Brennstoffe zu erkennen. Svante Arrhenius, ein schwedischer Physiker und Chemiker, sagte schon Ende des 19. Jahrhunderts, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe die globale Temperatur erhöhen würde.
Und dann kamen immer mehr Wissenschaftler*innen, die alle dasselbe gesagt haben. Und inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Beweisen dafür, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe alles andere als nachhaltig ist.
Die Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, wussten von diesen Forschungen und finanzierten sie zum Teil auch. Sie stellten bereits in den 1950er Jahren fest, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu einer globalen Erwärmung, einem Anstieg des Meeresspiegels und “dramatischen Umweltauswirkungen” führen würde. Mit den Worten des Umweltschützers Bill McKibben hat die Industrie für fossile Brennstoffe “die folgenreichste Vertuschung in der Geschichte der USA” betrieben.
Wenn die Gesellschaft rational handeln würde, wäre die Folge auf diese Forschung eine sofortige Umstellung auf die Erforschung und Entwicklung erneuerbarer Energiequellen und einen vollständigen Übergang zu ihnen. Aber das ist nicht der Fall. Im Kapitalismus ist es enorm schwierig, etwas loszuwerden, solange das die gewinnbringenste Option ist.
Stattdessen sind die Öl- und Gaskonzerne aktiv gewoden und haben organisiert und finanziert, dass die Forschung zum Klimawandels untergraben wurde. Sie haben Unsicherheiten übertrieben, falsche Expert*innen eingesetzt und Verschwörungstheorien gefördert.
All dies, während sie unglaubliche Summen für die Lobbyarbeit bei Politiker*innen ausgaben, die entweder ebenfalls über den Klimawandel Bescheid wussten, aber ihre Wahlkämpfe mit schmutzigem Geld führten, oder die zu sehr damit beschäftigt waren, mit dem CEO von Shell zu plaudern, als dass sie sich für die Fakten interessiert hätten. Im Jahr 1990 gaben Öl- und Gasunternehmen mehr als 12 Millionen Dollar an Wahlkampfspenden aus – was im Vergleich zu den 140,7 Millionen Dollar, die sie im Jahr 2020 ausgaben, nicht einmal so viel erscheint.
Im Jahr 2021, in dem Megabrände, Sturzfluten und Wirbelstürme an der Tagesordnung sind, ist die Wissenschaft so unwiderlegbar, dass die Politiker*innen mit ihrer Rhetorik nachziehen und die Ölkonzerne sagen, dass sie auch in erneuerbare Energien investieren wollen! Aber Bidens Regierung genehmigt Offshore-Bohrungen auf 78 Millionen Hektar im Golf von Mexiko, und es wird erwartet, dass die Produktion fossiler Brennstoffe im Jahr 2022 steigen wird.
Geld ist nicht alles
Eine gute Nachricht: Nichts, was wirklich gut für die Menschen und den Planeten ist, wurde jemals durch die Launen von Politiker*innen oder Milliardär*innen bewirkt. Wir sollten uns auf den Stufen von Rathäusern, in öffentlichen Parks, in den Kellern von Bürgerhäusern, in Schulgebäuden und auf Universitätsgeländen umsehen. An all diesen Orten organisieren sich Menschen aus der Arbeiter*innenklasse und Jugendliche für eine bessere Zukunft.
1970 nahmen 20 Millionen Menschen an 12.000 Veranstaltungen in den USA zum ersten Earth Day teil. Viele davon waren pädagogische Teach-ins mit schätzungsweise 35.000 Redner*innen und vielen weiteren Organisator*innen. Am Ende des Jahres wurde die Umweltschutzbehörde ins Leben gerufen und der Clean Air Act verabschiedet.
Zu dieser Zeit entstanden auch die ersten Gesetze zum Schutz von Flüssen und Seen, Umweltstudienprogramme an Universitäten und Umweltabschnitte in Zeitungen. All dies geschah im Gefolge einer massiven, basisdemokratischen Organisationsarbeit, die Zehntausende politisierte, die auch nach dem Ende der Teach-ins weiter für den Klimaschutz kämpften.
Ein Bericht aus dem Jahr 2021 hat kürzlich gezeigt, dass der Widerstand der amerikanischen Ureinwohner*innen gegen neue Pipeline-Projekte – von Keystone XL bis Standing Rock – das Äquivalent von 25 % der derzeitigen jährlichen Emissionen der USA und Kanadas davon abgehalten hat, in die Atmosphäre zu gelangen, und zwar durch direkte Aktionen und Mobilisierungstaktiken der Bevölkerung, die verschiedene Projekte für fossile Brennstoffe verzögert, gestört oder vollständig blockiert haben.
In einem epischen Showdown in der irischen Grafschaft Mayo kämpften Anwohner*innen, darunter Bauern und Bäuerinnen, Fischer*innen und Lehrer*innen, 13 Jahre lang gegen Shell. Das Unternehmen versuchte erfolglos, eine Erdgaspipeline zu bauen, durch die die Anwohner*innen verdrängt worden wären, aber anhaltende Proteste, Besetzungen und eine dauerhafte Organisierung zwangen Shell schließlich, das Handtuch zu werfen.
Die Beispiele lassen sich fortsetzen, und das ist der Grund, warum wir Hoffnung haben sollten.
Wir haben die Zahlen auf unserer Seite, und offen gesagt nichts zu verlieren. Alles, was die fossilen Brennstoffunternehmen und Milliardär*innen haben, ist Geld, aber das bedeutet nichts, wenn wir uns weigern, in ihren Fabriken zu arbeiten oder sie neue Pipelines bauen oder unser politisches System kontrollieren zu lassen.
Im November treffen sich die Anführer*innen der Welt zu einem weiteren Klimagespräch auf der UN-Klimakonferenz 2021, COP26. International Socialist Alternative wird neben vielen anderen daran teilnehmen; wir mobilisieren unsere Mitglieder aus mehreren Ländern, um vor Ort zu sein und das zu fordern, was wir dringend brauchen:
- Stopp aller neuen Projekte für fossile Brennstoffe und einen sofortigen Übergang zu 100% erneuerbaren Energien im nächsten Jahrzehnt.
- Öffentliches Eigentum an fossilen Brennstoff- und Versorgungsunternehmen – wir können den Milliardär*innen, die uns in diesen Schlamassel gebracht haben, nicht trauen und können es uns nicht leisten, unser Energienetz aus Profitgründen zu betreiben.
- Nothilfe für Menschen, die von extremen Wetterbedingungen betroffen sind, und Masseneinstellungen von Ersthelfer*innen, Krankenpfleger*innen und anderem Gesundheitspersonal.
- Ein “Green New Deal”-Jobprogramm zur Schaffung von Millionen Arbeitsplätzen, um die Infrastruktur wetterfest zu machen, das Netz für erneuerbare Energien aufzubauen, die Landwirtschaft zu überholen, den Planeten wieder aufzuforsten, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen und andere grüne Maßnahmen umzusetzen.
- Eine Massenbewegung von jungen Menschen und Menschen aus der Arbeiter*innenklasse in jeder Schule und an jedem Arbeitsplatz rund um den Globus ist die einzige Kraft, die eine nachhaltige, sozialistische Welt schaffen kann, die auf die Bedürfnisse der Menschen und nicht auf die Gier der Unternehmen ausgerichtet ist.