Klimagipfel von Glasgow vertagt die Abwendung der Katastrophe

Das Festival des Greenwashing (auch bekannt als COP26) ist vorbei. Wie erwartet bestehen die Ergebnisse aus immer neuen Absichtserklärungen und Vereinbarungen voller Schlupflöcher. Damit wird echtes Handeln zur Abwendung der globalen Klima- und Umweltkatastrophe verhindert.

Von Jonas Brännberg, Rättvisepartiet Socialisterna (Schwesterorganisation der SAV und Sektion der ISA in Schweden)

Es besteht „eine große Kluft zwischen Glaubwürdigkeit, Selbstverpflichtung und tatsächlichem Handeln“, so die Internetseite „Carbon Action Tracker“ (auf der der Temperaturanstieg bis 2100 berechnet wird; Anm. d. Übers.). Diese Beurteilung resultiert aus der Feststellung, dass sich die politische Wende im „Schneckentempo“ vollzieht und dass die tatsächlichen Maßnahmen der führenden politischen Köpfe momentan auf einen Temperaturanstieg zwischen 2°C und katastrophalen 3,6°C bis 2100 hinauslaufen.

Das Chaos am letzten Tag der Konferenz hat offen gezeigt, welche Einstellung die gesamten zwei Wochen von Glasgow durchzogen hat. In letzter Minute haben Indien und China es abgelehnt, den ohnehin schon extrem abgeschwächten Text zu den fossilen Energieträgern zu unterzeichnen. Am Ende war das Ergebnis, dass die Länder ihre „Bemühungen zur stufenweisen Verringerung der unverminderten Kohle-Verbrennung und ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe ausweiten“ sollen.

Mit anderen Worten: Die Kohle-Verstromung soll einfach nur verringert werden, und wenn das CO2 schlicht im Boden „vergraben“ wird (durch CCS-Technologie, bei der nicht sicher ist, ob sie jemals in großem Ausmaß zur Verfügung stehen wird), dann ist es vollkommen in Ordnung, weiterzumachen wie bisher. Nur die Subventionen für fossile Energieträger, die von den Regierungen sowieso als „ineffizient“ eingestuft werden, müssen stufenweise abgeschafft werden.

Die Tatsache, dass die fossilen Energieträger zum ersten Mal in der Geschichte der COP-Klimakonferenz in den Text der Abschlusserklärung aufgenommen worden sind und dies auch noch als Erfolg gewertet wurde, zeigt, in was für einer Fantasie-Welt sich die kapitalistischen Politiker*innen und die Lobby der Fossil-Brennstoffe befinden.

Die wohl optimistischste Bewertung der Konferenz-Ergebnisse lieferte die „Internationale Energiebehörde“ (IEA). Sie äußerte, dass der globale Temperaturanstieg im besten Fall bei unter 1,8°C bis 2100 gehalten wird, wenn alle gemachten Zusagen umgesetzt werden. Allerdings wäre auch das über dem Ziel von höchstens 1,5°C.

1,5°C ist nicht wirklich ein Ziel. Die Ergebnisse der Wissenschaft zeigen ganz klar, dass dies nur der absolute Höchstwert sein darf. „Ein Temperaturanstieg von 1,5°C ist keine willkürliche Marke. Es ist auch keine politische Zahl. Es geht hierbei um einen Grenzwert für den Planeten. Jeder Bruchteil darüber ist eine Gefahr“, so die Einschätzung von Johan Rockström, einem renommierten Wissenschaftler für Klima und das Erdsystem und Direktor des „Potsdam Institut für Klimafolgen-Forschung“.

Die positive Interpretation der Glasgower Ergebnisse durch die IEA ist auf den Umstand zurückzuführen, dass man jede Zusage der verschiedenen Regierungen bezüglich der Klimaneutralität bis 2050, 2060 etc. für bare Münze nimmt. Das Problem ist, dass diese Versprechen fern jeder Realität sind. Folgt man dem „Carbon Action Tracker“ (CAT), so ist der Inhalt von 73 Prozent dieser Zusagen und Selbstverpflichtungen vollkommen unzureichend. Nur sechs Prozent weisen einen tragfähigen Pfad zur Erreichbarkeit auf. Auf der ganzen Welt hat aber kein einziges Land einen konkreten Aktionsplan und einen Plan für die nahe Zukunft zu bieten, der zum Erreichen des Ziels „net zero“ führen würde! In vielen Fällen basieren diese Ziele nur auf vagen CO2-Speicher- und Lagertechniken in großem Maßstab, die noch gar nicht existieren. In anderen Fällen will man Klimaschutz durch den Verkauf von Kohle und Öl finanzieren!

Der COP26 hat die völlige Unfähigkeit gezeigt, irgendwie unter dem Wert von 1,5°C-Temperaturanstieg zu bleiben. Die Emissionen werden bis 2030 etwa doppelt so hoch liegen wie nötig wäre, um unter dem Anstieg von 1.5°C zu bleiben. Die verstärkten Zusagen, die im Vergleich zur Pariser Klimakonferenz von 2015 nun im Rahmen von COP26 getätigt worden sind, entsprechen nur rund 15 Prozent von dem, was nötig ist.

Um weiter irgendwie einen realistischen Weg in die Zukunft anzudeuten, bestand das Ende der Konferenz darin, alle Probleme zu vertagen. Statt neuer Zusagen zur weiteren Reduzierung bis 2025 entschied man sich, die Regierungen zu „ermuntern“, weitergehende Ziele bei der COP27 vorzulegen, die Ende 2022 in Ägypten stattfinden wird.

Auf die Frage, ob das denn kein Fortschritt sei, erklärte Greta Thunberg: „Langsam gewinnen ist dasselbe wie verlieren“. Ihr Freimut und die Tatsache, dass sie einfache Ausdrücke wie die Erklärung „blah, blah, blah“ für Politiker*innen benutzt, wird einem Establishment, dass in zunehmendem Maße Greenwashing betreibt, immer mehr zur Last. Thunberg spricht es klar aus: „Der Kaiser ist nackt!“. Dies erklärt die immer energischer werdenden Ausbrüche gegen sie. Dabei bietet sie – ganz im Gegensatz zu Sozialist*innen – noch nicht einmal eine echte Alternative zum bestehenden System.

Der Fokus des Kapitalismus und der amtierenden Regierungen liegt auf den Profiten für die Reichen, die sie über alles andere stellen: Das ist der Grund für die Krise. Und dieselben Politiker*innen versuchen jetzt, mit genau dieser „Medizin“ gegen die dadurch erst verursachte Krise vorzugehen. Beim COP26 wurde entschieden, dass die Emissionen reduziert werden, indem ein Markt für Emissionshandel geschaffen wird. Wie bei allen anderen Entscheidungen werden auch für diesen Handel Schlupflöcher bereitgestellt. So bleibt es freiwillig, ob die jeweils (ver-)handelnden Staaten überhaupt zu Reduzierungen der Emissionen kommen. Und vielen Ländern wird gestattet, bisher ungenutzte Freischeine aus dem alten Kyoto-Protokoll noch in die Rechnung mit einzubeziehen. Während dies neue Profitmöglichkeiten für das Kapital auf Kosten von Klima und der Menschheit bedeutet, konnte der COP26 nur „zutiefst bedauern“, dass man kein 100 Milliarden Dollar-Klima-Investitionspaket für die ärmeren Länder schnüren konnte.

Das einzig Gute an den neuerlichen Versprechungen zur Emissionsverringerung, die erst 2022 diskutiert werden sollen, ist, dass die Klima- und Umweltbewegung eine Chance hat, umgehend die Zeichen zum weiteren Aufbau der Bewegung zu setzen. Denn diese Bewegung hat durch Glasgow so etwas wie einen Neustart erlebt. Die großartigen Demonstrationen von Glasgow wirkten wie ein Energieschub.

Es waren nicht nur die Zahlen, die 100.000 Menschen auf den Straßen von Glasgow waren beeindruckend, sondern auch die überwältigende Erkenntnis der Demonstrant*innen, dass diese Politiker*innen und das ganze System völlig unfähig sind, die akute Krise zu lösen, die sie geschaffen haben. Die Demonstrationen haben aber auch die Grenzen aufgezeigt, die es gibt, wenn wir nur die Straße besetzen und womöglich noch die Schulen bestreiken. Denn dann wird das Greenwashing und alles andere genauso weiterlaufen, wie schon immer im Kapitalismus. Deshalb müssen wir kollektiv die Betriebe besetzen und bestreiken. Denn dort wird echter Wandel erkämpft: Wenn die Arbeiter*innenklasse die kapitalistische Maschinerie zum Halten bringt.

In vielen Ländern wirken die Gewerkschaftsspitzen von heute wie ein Bremsklotz auf den Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Arbeitsbedingungen. Bedauerlicher Weise spielen sie dieselbe destruktive Rolle, wenn sie darin versagen, sich der Klimabewegung anzuschließen. Nur gemeinsam können wir eine gerechte Klimawende durchsetzen und die Klimakatastrophe abwenden, die die abhängig Beschäftigten ohne Zweifel am stärksten treffen wird. Daher ist der Aufbau einer kämpferischen, demokratischen und klimabewussten Gewerkschaftsbewegung eine Hauptaufgabe für Sozialist*innen.

Die sozialistischen Methoden und Ideen, die von den 300 ISA-Aktiven aus aller Welt in Glasgow verbreitet worden sind, sind auf breite Unterstützung gestoßen und die Offenheit für unsere Ideen wird weiter zunehmen, wenn die politischen Entscheidungsträger*innen weiterhin so desaströse Entscheidungen treffen.

Die Industrie der fossilen Energieträger, die Banken und all die anderen Milliardär*innen, die in dieses System investiert haben, werden weder die Produktion und schon gar nicht die Gesellschaft ändern. Und die Regierungen werden es auch nicht tun, weil sie im Interesse der Erstgenannten regieren. Ein konkreter und ehrgeiziger Plan für eine gerechte nachhaltige Transformation der gesamten Gesellschaft erfordert, dass die arbeitenden Menschen die Geschäfte und die Gesellschaft kontrollieren. Mit dem Mittel der Verstaatlichung und über den Weg der Regierungen, die im Sinne der Arbeitenden und nicht nach Gusto der reichen Menschen regieren.

Mit solch einer sozialistischen Revolution wären wir nicht nur in der Lage, den Treibhausgasausstoß schnell nach unten anzupassen. Wir könnten den bereits umumkehrbaren Klimawandel auch mildern und uns für die schon erwartbaren Folgen rüsten. Darüber hinaus wäre damit eine historische Umverteilung der Ressourcen von den Milliardär*ìnnen, die regelrecht im Geld schwimmen, zu den Menschen realisierbar, die angemessenen und bezahlbaren Wohnraum brauchen, soziale Fürsorge, Sicherheit und gut bezahlte Arbeit. Bessere Lebensstandards für alle wären in greifbarer Nähe.