Ein einjähriges Kind ist erfroren, ein 19-Jähriger ertrank, eine 40-jährige Schwangere starb an Unterkühlung. Dies sind keine Nachrichten aus Afghanistan, Syrien oder Irak. Dies sind Nachrichten aus der Europäischen Union.
Von Wissam, Nürnberg
Noch immer leben mehr als 1000 Menschen an der polnischen Außengrenze der Europäischen Union unter menschenunwürdigen Bedingungen. Ein Iraker sagte in einem Fernsehinterview: „Ich habe einem Reiseunternehmen in Damaskus 4000 Dollar bezahlt, um nach Belarus kommen zu können.“ Diese Unternehmen in Damaskus sind alle mit dem syrischen Regime und seiner bürgerlichen Klasse verbunden, die immer noch Gewinne auf Kosten der Syrer*innen macht, die keine Hoffnung mehr auf einen Verbleib in ihrem Heimatland haben.
Ein anderer Immigrant am Flughafen Minsk sagte: „Alle Türen waren vor uns geschlossen, also musste ich reisen, weil wir im Irak keine Zukunft haben. Niemand will seine Heimat und seine Familie freiwillig verlassen.“
Die Regime Russlands und der NATO haben sich an der Vertreibung der Völker der Region und der Beseitigung der dortigen Sicherheit beteiligt, weil das ihren wirtschaftlichen Interessen dient. . Noch heute nutzt Russland die schlechten Bedingungen der Völker aus, indem es den verzweifelten Menschen das Reisen erleichtert. Um die EU zur Förderung der eigenen politischen Ziele unter Druck zu setzen, wirft Russland sie damit in ein dunkles Schicksal und lässt sie an der Grenze erfrieren.
Afghanistan, Irak, Syrien
Im Jahr 2001 bombardierte die NATO Afghanistan unter dem Vorwand, den Terrorismus zu bekämpfen. Nur zwei Wochen, bevor Afghanistan an die Taliban fiel, erklärte Heiko Maas, Afghanistan sei sicher und Flüchtlinge könnten dorthin zurückgeführt werden.
Im Jahr 2003 zerstörten der amerikanische und der britische Imperialismus den Irak unter dem Vorwand, Saddam Hussein würde Chemiewaffen besitzen. Als Folge dieses Krieges und seiner Verwüstungen sind die Iraker*innen noch immer nicht in der Lage, ihre Zukunft selbst zu gestalten. Der Iran und seine Milizen kontrollieren wichtige Teile des Staates und der Regierung, in anderen Bereichen übernehmen das die westlichen Armeen, die noch immer präsent sind. Der Westen unterstützt die Familie Barzani in der kurdischen Region des Irak, eine Familie, die den Reichtum der Region zu ihrem eigenen Vorteil und zum Nutzen der westlichen Länder monopolisiert.
Im Jahr 2011 begannen die Syrer*innen mit Protesten gegen das Regime von Bashar al-Assad. Sie forderten mehr Freiheiten und Demokratie, aber ausländische Interventionen und die Unterdrückung des syrischen Regimes führten diese Proteste in eine andere Richtung. Das von Russland und dem Iran unterstützte Regime hat Hunderttausende friedlicher Gegner*innen verhaftet und gleichzeitig Tausende Salafist*innenen wie Zahran Alloush, der später die “Armee des Islam“ gründete, freigelassen.
Indem Assad diese Leute laufen ließ, hat er die islamistische Fraktion gestärkt, die die Demokratiebewegung für ihre eigenen Zwecke instrumentalisierte. Das hat ihm einerseits geholfen, die Opposition zu spalten und zu schwächen. Andererseits hat es ihm und seinen russischen Verbündeten einen Vorwand geliefert, friedliche Proteste zu unterdrücken. Russland testete unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung in Syrien mehr als 230 Waffen und die meisten Opfer dieser Waffen waren Zivilist*innen, unter ihnen viele Kinder.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte, die meisten Generäle der russischen Armee hätten durch die Kämpfe im Rahmen der „Anti-Terror“-Kampagne der russischen Armee in Syrien wichtige Erfahrungen gesammelt. Das sind Sätze, die uns an die Äußerungen des US-Imperialismus erinnern, der behauptete, er bekämpfe den Terrorismus in Afghanistan und im Irak, während die Opfer dieses Krieges in Wirklichkeit überwiegend Zivilist*innen waren. Heute sitzen dieselben Leute mit Taliban-Terrorist*innen am Verhandlungstisch, die im Grunde ein Produkt des westlichen Imperialismus sind.
Sanktionen stabilisieren das Regime
2012 verhängten westliche Länder Sanktionen gegen Syrien. Dabei müssen wir zwei Arten von Sanktionen unterscheiden: Es gibt direkte Sanktionen gegen Persönlichkeiten des syrischen Regimes. Diese Sanktionen müssen fortgesetzt werden. Die zweite Art richtet sich gegen die syrische Wirtschaft, etwa die Beschränkung von Import und Export.
Letztere spielte eine wichtige Rolle bei der Unterstützung des Regimes von Bashar al-Assad, weil sie Tausende von kleinen und mittleren Unternehmen vom Markt entfernte, die den Lebensunterhalt des syrischen Volkes sicherten, während Unternehmen, die sich im Besitz von Persönlichkeiten der Assad-Familie und der Bourgeoisie und der Militärkaste befinden, die das syrische Regime unterstützten von diesen Sanktionen profitieren können.
Diese Unternehmen nutzten die staatliche Bürokratie und ihre Beziehungen zu Russland, Iran und China, um den Import und Export zu monopolisieren und Sanktionen zu umgehen. Das syrische Volk wurde für seinen Lebensunterhalt von dieser Kaste innerhalb der Kapitalist*innenklasse abhängig, die enorme Extraprofite erzielt und als „Kriegs-Bourgeoisie“ bekannt wurde.
Währenddessen verpflichtete die Bundesregierung Syrer*innen, denen subsidiärer Schutz gewährt wird oder die durch Familiennachzug nach Deutschland kommen, bei der Verlängerung des Aufenthalts einen syrischen Pass vorzulegen. Dieses Gesetz zwingt sie, Pässe beim syrischen Konsulat in Berlin zu beschaffen, wo die durchschnittlichen Kosten für einen Pass 500 Euro betragen, die alle zur Unterstützung des syrischen Regimes selbst verwendet werden.
Westliche Länder, die das syrische Volk mit Sanktionen ausgehungert und gleichzeitig das Regime von Bashar al-Assad mit Euro und Dollar unterstützt haben, sind Fluchtursachen. Russland, das das Regime direkt und mit Waffen unterstützte, ist eine Fluchtursache. Die NATO, die die islamischen Bewegungen direkt und mit Waffen unterstützt hat, ist direkt für die Flüchtlingswelle aus Syrien verantwortlich, so wie zuvor für die Fluchtbewegungen aus dem Irak, dem Jemen und Afghanistan.
Solange mit Kriegen Gewinne erwirtschaftet werden, werden diese Kriege nicht enden. Solange es Kriege gibt, gibt es Kriegsflüchtlinge. Daher gibt es keine Alternative zur Einheit der Arbeiter*innenklasse in allen Ländern der Welt gegen das östliche und westliche kapitalistische Profitsystem.
Der Kampf gegen den Imperialismus kann nicht vom Kampf gegen die Regime des Nahen Ostens getrennt werden. Wer in dieser jüngsten Krise die Augen vor der Politik Russlands und von Belarus verschließen will, sucht eine Lösung auf der Grundlage der imperialistischen Ideologie und nicht eine Lösung im Interesse der Arbeiter*innenklasse und der Armen.