Sie waren Ärzt*innen, Kranfahrer*innen und Traktorist*innen, hatten das Recht auf Abtreibung und konnten auf ein liberales Scheidungsrecht zurückgreifen. Frauen in der DDR schienen vollständig gleichberechtigt. Doch war das so?
Doreen Ullrich, Aachen
Arbeitskräfte waren rar in der DDR. Die Hälfte der Bevölkerung zu Hause zu lassen, konnte man sich schlicht nicht leisten. So waren es unter anderem ökonomische Zwänge, unter denen die Politoberen 1949 in die DDR-Verfassung schrieben: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben“. Zur gleichen Zeit brauchten Frauen in Westdeutschland noch das Einverständnis ihres Mannes, wenn sie arbeiten oder ein Konto eröffnen wollten. In der Schweiz hatten Frauen damals nicht einmal das Wahlrecht.
Die Frauen in der DDR fanden ihren Platz in den Betrieben, vielfach noch in den typischen Frauenberufen, als Verkäuferinnen, Friseurinnen, Buchhalterinnen. Aber auch viele Ärzt*innen und Ingenieur*innen waren weiblich. Frauen fuhren Kräne, Traktoren und Mähmaschinen. Bereits in den 1970er Jahren waren die Hälfte der Arbeiter*innen in den landwirtschaftlichen Genossenschaften weiblich. Trotzdem gab es auch in der DDR einen Gender Pay Gap von etwa 30%, vor allem, weil Frauen häufiger in den schlechter bezahlten Berufen arbeiteten und deutlich weniger in Leitungsfunktionen als Männer.
Um Frauen auch als Mütter im Beruf zu halten, wurde ein weites Netz von Kitas, Krippen und Horteinrichtungen geschaffen. Ab 1986 gab es ein bezahltes Babyjahr, welches auch Männer nehmen konnten. Das wirkte: Ende der 1980er Jahre waren über 91% der Frauen berufstätig, die meisten davon in Vollzeit. Eine Quote, die kein anderes Land aufweisen konnte.
Die Zweitschicht danach
Doch nach der Schicht im Betrieb folgte für die meisten Frauen die sogenannte “Zweitschicht”: Hausarbeit und Kinderbetreuung. Während sie in den Betrieben Seite an Seite und auf Augenhöhe mit ihren männlichen Kollegen standen, war das zu Hause anders. 1969 kamen ostdeutsche Frauen mit Vollzeitjob und Haushalt auf 93 Stunden Gesamtarbeitszeit, ostdeutsche Männer auf 59 Stunden. Es waren auch im Osten die Frauen, die putzten, kochten, sich um die Kinder und die zu Pflegenden kümmerten. Der Mann war maximal Helfer, der umsetzte, was die Frau ihm auftrug.
1972 beschloss die DDR-Volkskammer das Gesetz zur „Unterbrechung der Schwangerschaft“. Das erste Mal hatten nun alle Frauen das Recht auf eine Abtreibung innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen. In den 1980er Jahren gab es in den meisten Kliniken eine spezielle Abteilung für Abtreibungen. Die Abbrüche waren kostenfrei. Zur gleichen Zeit wurde die Abgabe der Pille für Frauen kostenlos, für die DDR Frauen ein wichtiger Schritt zur Selbstbestimmung.
Politisch waren Frauen de facto nicht vertreten. In der DDR gab es zwar keinen Kapitalismus, aber es existierte auch keine sozialistische Demokratie, in der Arbeiter*innen die Gesellschaft von unten nach oben verwalteten und kontrollierten, sondern eine bürokratische Planwirtschaft, in der eine privilegierte Schicht – meist Männer – die politische Herrschaft ausübten. Im Politbüro – dem lenkenden Organ der SED und des Staates – gab es lediglich zwei Frauen mit „Kandidatinnen“-Status, das heißt ohne Stimmrecht. Die Frage der Gleichberechtigung wurde von Männern allein entschieden und war von ihrem „Good Will“ abhängig. Das wollten nicht alle Frauen einfach so hinnehmen. In Leipzig gab es die Frauenbibliothek MONAliesA und das erste autonome Frauenhaus. Sie setzen sich kritisch mit der Situation der Frauen in der DDR auseinander und forderten echte Gleichberechtigung.
Selbstbewusst kämpfen
Die ökonomische Unabhängigkeit führte – trotz der Doppel- und Dreifachbelastungen – bei den Frauen in der DDR zu einem Selbstbewusstsein, welches bis heute geblieben ist und auch die westdeutschen Frauen beeinflusst hat. Ostfrauen, die in den Westen gingen, um dort zu arbeiten, forderten ganz selbstverständlich Kitaplätze ein.
In der Frauenbewegung geht es heute darum, gemeinsam massive Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn, ausreichende und gute Kitaplätze, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und vieles mehr einzufordern. Aber auch darum, die Vision einer Gesellschaft zu entwickeln, in der Gleichberechtigung auf allen Ebenen tatsächlich gelebt werden kann. Daher ist unser Feminismus sozialistisch.