Am 29.11. endete nach der dritten Verhandlungsrunde die Tarifrunde für die Landesbeschäftigten mit einem enttäuschenden Abschluss. Die zentrale Forderung der Gewerkschaften nach 5% bzw. mindestens 150 Euro mehr Lohn bei einem Jahr Laufzeit hätte bei der aktuellen Entwicklung der Preise nur einen Inflationsausgleich bedeutet. Zahlen werden die Arbeitgeber weniger als die Hälfte. Für das erste Jahr gibt es lediglich eine steuer- und sozialabgabenfreie „Corona-Prämie“ von 1300 Euro als Einmalzahlung, ab Dezember 2022 dann eine Lohnerhöhung um 2,8%.
Zusätzlich wurden kleine Verbesserungen für Beschäftigte an den Unikliniken erzielt. Die Universitätsklinik-, Infektions-, Intensiv-, Schicht- und Wechselschichtzulagen werden erhöht, für einige Berufsgruppen in den Kliniken wird eine neue Zulage von 70 Euro monatlich eingeführt.
Für die studentischen Beschäftigten an den Hochschulen, die unter prekären Beschäftigungsverhältnissen leiden, seit Jahren für einen Tarifvertrag („TVStud“) kämpfen und sich mit großen, lauten Blöcken an den Warnstreiks beteiligt haben, gibt es hingegen nichts Konkretes. In der Tarifeinigung ist lediglich von einer „Bestandsaufnahme über die Beschäftigungsbedingungen der studentischen Hilfskräfte“ die Rede, die die Arbeitgeber*innen mit den Gewerkschaften in einem unbestimmten Zeitraum durchführen wollen. Das Thema TVStud wurde damit vertagt. Aus dem Tarifabschluss folgt keine Friedenspflicht für die studentischen Beschäftigten – sie dürfen weiterhin streiken. Allerdings wurde die Chance, durch gemeinsame Streiks mit den anderen Beschäftigten an den Hochschulen einen Tarifvertrag zu erkämpfen, vorerst vertan und bietet sich erst wieder 2023.
Reallohnverlust und Langzeitfolgen
Außerhalb der Kliniken fällt der Abschluss noch etwas schwächer aus als zuletzt in Hessen. Tabellenwirksam ist nur die Erhöhung um 2,8% ab Dezember 2022. Alle späteren Erhöhungen ab Dezember 2023 werden auf Grundlage dieser Erhöhung gerechnet. Nur wenn die Inflationsrate unter 2% sänke, gäbe es keinen tabellenwirksamen Reallohnverlust. Bei einer Inflationsrate von 4% in den nächsten beiden Jahren würden Waren, die heute 1000 Euro kosten, am Ende der Laufzeit des Tarifvertrages 1081,60 Euro kosten. Heutige 1000 Euro Gehalt erhöhten sich lediglich auf 1028 Euro .
Die Zahlung der Corona-Prämie von 1300 Euro netto klingt zunächst attraktiv, aber wie jede Einmalzahlung verpufft sie. Sie würde für Kolleg*innen in den mittleren und unteren Entgeltgruppen möglicherweise die inflationären Verluste bis Ende 2022 ausgleichen. Bei einem mittleren Einkommen sind 1300 Euro rund 5% netto. Aber diese Rechnung ist zu optimistisch, denn die Preissteigerung war schon in 2021 massiv, so dass dieses Geld gebraucht wird, um bereits entstandene Lücken zu stopfen.
Selbst wenn man die Einmalzahlung prozentual einrechnete, würde die Erhöhung auf zwei Jahre bezogen auf die meisten Beschäftigten unter 5% bleiben – weniger als die Hälfte der Forderung und weit unter der zu erwartenden Preissteigerung. Die Jahressonderzahlung („Weihnachtsgeld“) bleibt, wie schon seit dem letzten Tarifabschluss 2019, auf dem Stand von 2018 eingefroren, wird also nicht mehr der Entgelterhöhung angepasst. Die Laufzeit von zwei Jahren ist nicht ganz so lang wie bei den letzten Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst – trotzdem wäre angesichts der geringen Forderung und der ungewissen Entwicklung der Inflation eine kürzere Laufzeit nötig gewesen.
Wäre mehr möglich gewesen?
Viele Kolleg*innen rechneten wegen der Verweigerungshaltung der Arbeitgeber*innen in den ersten beiden Verhandlungsrunden mit einer langen Tarifrunde und weiteren Streiks. Angesichts der Inflation und der Belastungen während den ersten Corona-Wellen, die von den Vertreter*innen der Arbeitergeber*innen kleingeredet und nicht finanziell gewürdigt wurden, waren bei den Warnstreiks Wut und Entschlossenheit spürbar, die Bereitschaft zu einem längeren Arbeitskampf war da.
Natürlich wäre Streiken unter den sich abzeichnenden Pandemie-Bedingungen schwieriger gewesen, da Homeoffice, Zurückhaltung bei Kundgebungen und vor allem die angespannte Lage in den Kliniken zusätzliche Hindernisse gewesen wären. Doch Streik war eine Option. Die Verhandler*innen von ver.di hätten versuchen können, die Verhandlungen bis ins Frühjahr zu vertagen, um bessere Bedingungen für weitere Arbeitskampfmaßnahmen zu bekommen. Verloren hätten die Beschäftigten nichts, bis Dezember 2022 gibt es nun auch keine Erhöhung der Entgelttabelle. Allerdings schien die Gewerkschaft auf den nötigen Kampf politisch nicht ausreichend vorbereitet.
Unter dem Strich ist dieses Ergebnis ein Schlag des Staates in das Gesicht der Länderbeschäftigten, auch und gerade für die Kolleg*innen in den Kliniken. Alle Reden über „Respekt“ und „Würdigung der Leistungen in der Pandemie“ erweisen sich als Geschwafel. Die öffentlichen Arbeitgeber*innen sind nicht einmal bereit, Einkommensverluste zu begrenzen, von verbesserten Bedingungen ganz zu schweigen. ver.di muss verändert werden. Wir brauchen Gewerkschaften, die in der Lage sind, die Interessen der Beschäftigten gegen den Widerstand der Regierenden und Herrschenden zu vertreten.
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