FDP-Verkehrsminister Wissing sieht sich als „Anwalt der Autofahrer“, Vorgänger Scheuer ist begeistert über soviel Kontinuität im Sinne der Autolobby. Nicht einmal das symbolische Tempolimit wird es geben. Ein Spiegel-Kommentator nennt den Koalitionsvertrag ein „Manifest fürs Auto und gegen die Verkehrswende“
Von Claus Ludwig, Köln
Die Mittel für das Radwegenetz sollen bis 2030 „abgesichert“ , der eine oder andere Autobahn-Ausbau überprüft werden. Von einer Reduzierung des Autoverkehrs und mehr Platz für Fußgänger*innen, Rad und ÖPNV ist nicht die Rede.
Die Ampel beschränkt sich auf eine Antriebswende, Elektro statt Verbrenner, aber bitte nicht zu schnell (Zieldatum 2035), damit die deutsche Autoindustrie, welche vor lauter Dieselbetrug den Start der E-Mobilität verschlafen hat, für die Konkurrenz auf dem Weltmarkt hochgepäppelt werden kann: „Wir unterstützen die Transformation des Automobilsektors, um die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen, Arbeitsplätze sowie Wertschöpfung hierzulande zu erhalten. Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität.“ Die Ladeinfrastruktur soll auf Kosten der Steuerzahlenden ausgebaut werden.
Eine Ersetzung der vorhandenen Benzin- und Dieselfahrzeuge durch E-Autos oder gar die Ergänzung des Fuhrparks sind nicht Teil der Lösung, sondern des Problems. Die inzwischen auch viel zu schweren und großen E-Autos haben in der Produktion eine schlechte Ökobilanz. Erst nach mehreren Jahren Betrieb entwickeln sie einen Klimavorteil gegenüber Verbrennern, aber nur dann, wenn sie keinen Kohlestrom tanken.
Die Koalition bekennt sich zwar zum Ausbau der Bahn und mehr Investitionen, vor allem zum Ausbau der Schieneninfrastruktur, und behauptet, die Bahn zur „vollwertigen Alternative zum motorisierten Individualverkehr“ ausbauen zu wollen. Aber diese Formulierungen aus dem Satzbaukasten der Grünen werden nicht mit Fakten untermauert. Die Verkehrsleitung des Personenverkehrs soll bis 2030 verdoppelt werden, doch die notwendigen Maßnahmen – umfassende Wiederinbetriebnahme von Strecken, Neubau, Neueinstellungen, Erweiterung des Fuhrparks, Stopp der Priorisierung der Hochgeschwindigkeitsstrecken und von wahnwitzigen Projekten wie Stuttgart21 – werden nicht erwähnt. Für den notwendigen Ausbau fehlen nicht nur Gelder, sondern auch planerische und technische Kapazitäten, wenn nicht umgesteuert wird, angefangen bei den industriellen Betrieben, welche ihre Produktionspalette ändern müssen.
Eine zentrale Frage taucht nur verschämt an Rande auf: „ [S]ofern haushalterisch machbar, soll die Nutzung der Schiene günstiger werden.“ Mit Wissing und Lindner? Forget it, für die wird das niemals machbar sein. Bahnfahren können sich viele schlicht nicht leisten. Wenn die Preise im Fernbereich nicht bald mindestens halbiert werden, wird es nichts mit mehr Menschen in der Bahn.
Zum Nahverkehr hat die Ampel nichts Substanzielles zu sagen. Länder und Kommunen will man mit einem „Ausbau- und Modernisierungspakt“ „in die Lage versetzen“, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern, über die Aufteilung der Bundesmittel und Tarifstrukturen soll „diskutiert“ werden, man will „Standards definieren“.
Kein konkretes Wort. Derweil erhöhen die Verkehrsverbünde die Ticketpreise, die wenigen planerischen und finanziellen Ressourcen fließen in Großstädten weiter in teure, unsinnige U-Bahn-Projekte statt in den Ausbau in der Fläche und Preissenkungen. „Schwarzfahrer*innen“ werden weiter wie Kriminelle behandelt.
Die Grünen wollten das Außenministerium, um zu zeigen, dass sie „große Politik“ machen können. Die Kontinuität des Wahnsinns auf den Straßen überlassen sie freiwillig einem PS-Freak, um sich nicht selbst mit der Autolobby anlegen zu müssen. Verkehrswende ist definitiv Handarbeit und muss mit Initiativen für autofreie Straßen, im Kampf für einen kostenlosen ÖPNV und den Ausbau des Bahnnetzes von unten durchgesetzt werden.