„Wunderschön“ ist ein Film über Frauen, ihre Körper und ihre Rollen in unserer Gesellschaft. Fünf Protagonistinnen, die einen Querschnitt durch all diese Themen repräsentieren, werden teilweise überspitzt, teilweise lustig, doch auch immer wieder ehrlich dargestellt.
Von Annika Christ, Hannover
Ein Film, in dem Frau sich wiedererkennen kann: In der zweifachen Mutter, die in eine klassische Rollenaufteilung mit ihrem Mann geraten ist. In der Frau, Ende 50, deren Mann sie „nicht mehr ansieht“. In der Lehrerin, die sehr feministisch und selbstbestimmt auftritt. In dem Model, dessen Äußeres nie genügt und das sich in Essstörungen und Drogen verliert. Und in der übergewichtigen Schülerin, die entdeckt, dass sie außerhalb von Normkörpern einen Wert hat. Der Film wird davon getragen, dass Frau sich verstanden fühlt, von witzigen Sprüchen für die nächste „blöde Anmache“, oder von Momenten, die einen anderen Zugang zu Konflikten aufzeigen und ihnen die Schwere nehmen. Man spürt, dass man Teil eines Systems ist und fühlt sich weniger allein.
Am Ende keine Lösung
Doch dann zerfallen die authentischen Rollen und ihre Wirkung bei den Zuschauer*innen fast komplett, je weiter sich der Film dem heteronormative Happy End Ideen nähert. Besonders enttäuscht hier die Entwicklung der Lehrerin, welche im Grunde nur „Angst vor der Liebe“ hat und von „dem Einen“ gerettet wird. Ihre komplette Rolle wird damit zur Witzfigur und ihre Haltung zum Verhalten einer ängstlichen anstatt einer starken Frau. Selbstbestimmte starke Weiblichkeit sieht anders aus.
Die zweifache Mutter kehrt zurück in die Arbeitswelt, ohne die Unterstützung ihres Mannes. Die Fronten verhärten sich. Am Ende entscheiden sie sich, mit den Worten „dann werden wir jetzt arm“ dafür, beide in Teilzeit zu gehen. Als wäre eine gleichberechtigte Rollenverteilung so einfach. Frauen arbeiten immer noch in Jobs, die schlechter bezahlt werden, weshalb die Entscheidung heterosexueller Paare häufig eine rein finanzielle ist. Auch das Reduzieren von Stunden ist in vielen (vor allem männlich geprägten) Berufen kaum machbar. Darüber hinaus ist es reiner Hohn, hier von Armut zu sprechen. Von wahrer Armut ist die Familie, die eine große Altbauwohnung in Berlin bewohnt, weit entfernt. Und während man dankbar ist über so ehrliche Szenen, in denen die Frau versucht, das Sexleben der Beziehung zu retten und dabei Schmerzen erträgt, wird dies überhaupt nicht problematisiert.
Ehrlich innerhalb der typischen Bahnen
Ohnehin lässt der Film aktive Männer, die Teil der Lösung eines Problems sind, vermissen. Männer kommunizieren nicht und sind emotionslos. Viele Szenen machen befangen. Man versteht, wie auch Männer durch die klassische Rollenaufteilung belastet werden. Leider zeigt der Film keine Wege aus diesem Verhalten toxischer Männlichkeit. Und obwohl viele Szenen Gelegenheiten dafür bieten, ist die weibliche Solidarität untereinander Fehlanzeige. Schade, wie hier Möglichkeiten verschenkt wurden.
Auch in Bezug auf Diversität schwächelt der Film. Die typischen Pfade des deutschen Films, der meist heterosexuelle Figuren zeigt, die im gehobenen Mittelstand zu verorten sind und selten türkische oder arabische Namen tragen, werden nicht verlassen. Eine Quoten-Woman-of-Color, die gleichzeitig noch die „Minderheit“ der geschiedenen Menschen verkörpern soll, taucht ohne bedeutende Funktion auf. Das ist absolut unangemessen.
Nichts desto trotz ist dieser Film ein guter Schritt in die richtige Richtung, den gesellschaftlichen Umgang mit Frauen infrage zu stellen. Er zeigt mit vielen ehrlichen Worten und Bildern auf, wie schwer die Bürde wiegt, die immer noch auf Frauen lastet. Vielleicht traut sich Regisseurin Karoline Herfurth in ihrem nächsten Film auch andere Lebensrealitäten als die von Gutverdienenden, Weißen, Heterosexuellen zu behandeln und Möglichkeiten außerhalb heteronormativer Vorstellungen zu zeigen. Denn das hätte wirklich Potential, sowohl Kritik an der systematischen Unterdrückung von Frauen in unserer Gesellschaft als auch Empowerment für Frauen und Männer zu sein.
Titelbild: Siebbi, CC BY 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons