Die erste Welle der Demonstrationen ist abgeebbt. Nach den Riesen-Demos in Berlin und Köln gab es noch einige Großdemos und Benefiz-Konzerte. Dieser schnelle Niedergang der Proteste basiert nicht in der erster Linie auf der Gewöhnung an den Krieg, sondern auf den inneren Widersprüchen der Proteste, die nicht allen Teilnehmer*innen bewusst, aber für viele zumindest spürbar waren.
Von Claus Ludwig, Köln
Das Entsetzen über den russischen Angriff wurden seitens der Regierenden genutzt, das Land in den geistigen Kriegsmodus zu schalten und eine große Welle von Militarismus in Gang zu setzen, konkretisiert durch das größte Rüstungsprogramm seit Bestehen der Bundesrepublik. Scholz und Baerbock nutzten die Demonstrationen gegen den russischen Angriff als Deckung für die zuvor undenkbaren Beschlüsse.
Dagegen muss eine neue Antikriegsbewegung aufgebaut werden, die nicht nur “Nein zum Krieg” sagt, sondern sich auch ausdrücklich gegen das 100-Milliarden-Rüstungsprogramm der etablierten Parteien und in Folge gegen das Agieren der NATO richten.
Antikriegsbündnisse
In Köln und Bremen haben Mitglieder der SAV die Initiative ergriffen, linke Antikriegsbündnisse aufzubauen, in Berlin, Aachen, Kassel, Nürnberg und München sind sie daran beteiligt. Es geht jetzt darum, eine klare inhaltliche Positionierung vorzunehmen und diese bei Aktionen mit Leben zu füllen, sowohl bei klar antimilitaristischen Protesten als auch bei breiteren Demonstrationen. In Kassel gab es einen Protest vor dem Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann, in Köln demonstrierten 200 Menschen gegen den russischen Überfall und die NATO-Hochrüstung.
Weiterhin geht es darum, Argumente zu entwickeln, um breitere Schichten zu erreichen. Die Empörung bei über den Angriffskrieg ist bei vielen Menschen so groß, dass oft schon jeder analytische Ansatz, die Ursachen und auch die Rolle der NATO bei dieser Eskalation zu erklären, als Relativierung der Verbrechen der russischen Truppen fehlinterpretiert wird. Im Prinzip richtige Slogans wie “Der Hauptfeind steht im eigenen Land” und allgemeine Sätze über den Imperialismus helfen allein nicht weiter, um in den Dialog zu kommen. Die Linke muss ihre Erklärung der Ursachen präzisieren, Zusammenhänge besser erklären. Dabei können die neu gegründeten Antikriegsbündnisse eine Rolle spielen.
Der Online-Aufruf “Nein zum Krieg – Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!” ist von Sozialdemokrat*innen und Gewerkschafter*innen gestartet worden, unterstützt von der globalisierungskritischen Gruppe Attac und der migrantischen Organisation DIDF, und hat schnell viele viele Unterschriften bekommen.
Der Aufruf ist vage formuliert. So heißt es: “Wir fordern statt Entscheidungen, die quasi über Nacht und im kleinsten Kreis getroffen werden, die breite demokratische Diskussion über ein umfassendes Sicherheitskonzept, das die Sicherheit vor militärischen Angriffen genauso einschließt wie pandemische und ökologische Aspekte und dem das Konzept der Einheit von Sicherheit und gemeinsamer Entwicklung zugrunde liegt.”
Doch auch nach breiter Diskussion im großen Kreise wäre die Aufrüstung noch immer falsch. Was ein “Sicherheitskonzept” sein soll, wird auch nicht deutlich. Scholzens Hochrüstungs-Programm ist zudem keine “180-Grad-Wende”, sondern knüpft an der Aufrüstung der letzten Jahre und eskaliert diese. Die Waffenlieferungen an die Ukraine sind zwar in dieser offenen Form ein Novum, aber tatsächlich liefern deutsche Rüstungskonzerne schon immer Waffen an kriegführende und unterdrückerische Regime, von der Türkei bis Katar und Saudi-Arabien.
Doch die Stoßrichtung gegen das 100-Milliarden-Programm ist ein Schritt nach vorne. Wenn dieser Aufruf nicht nur online bleibt, sondern Grundlage für die Organisierung von Aktionen wird, wäre das ein weiterer Schritt. Linke Antikriegsbündnisse mit weitergehenden Positionen sollten sich an entsprechenden Aktionen beteiligen
Dokumentiert: Positionen des Antikriegsbündnisses Köln
Nein zum Krieg um die Ukraine. Weder Russland, noch NATO sind eine Alternative. Militarisierung stoppen. Wir wollen die Solidarität von unten aufbauen!
- Stoppt den Krieg – die Waffen nieder!
- Sofortiger Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine
- Solidarität mit Antikriegsbewegungen und Kriegsdienstverweiger*innen in Russland und der Ukraine
- Nein zur Aufrüstung der Bundeswehr
- Gegen die Aufrüstung und Beteiligung der NATO
- Stopp der Waffenlieferungen
- Aufnahme und Bleiberecht für alle Geflüchteten, Asyl für alle Deserteur*innen
- Sofortiger Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, keine Verlängerung für Kohle und Atom, keine neuen Gas-Terminals
- Erhalt der Städtepartnerschaft Köln-Wolgograd und anderer kultureller und wissenschaftlicher Kontakte nach Russland und Belarus
- Nein zur Hetze, Einschüchterung und Bedrohung von Menschen mit russischer Herkunft