Wie sinnvoll ist die Beteiligung an der Expert*innenkommission?
Schon vor dem Eintritt der Berliner LINKEN in die rot-rot-grüne Koalition gab es große Kritik am Koalitionsvertrag, nicht zuletzt wegen dessen Positionierung zum erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co. enteignen. Anstatt dem Votum der Berliner*innen zu folgen, wurde eine Kommission von Expert*innen eingesetzt, um „Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens“ zu prüfen. Damit wurde nicht nur das „wie“ der Umsetzung, sondern auch das „ob“ der Vergesellschaftung in Frage gestellt.
Von Johannes von Simons, Berlin
Wir haben diese Verschleppung schon letztes Jahr kritisiert, denn sowohl Inhalt als auch Ergebnis des Volksentscheids waren eindeutig: 56,4% – über eine Million Berliner*innen – haben für die Enteignung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen gestimmt.
In den letzten Monaten gab es auch innerhalb der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen (DWE) eine Debatte, ob sich die Initiative an der Kommission beteiligen solle. Zurecht wurde kritisiert, dass dort eine Grundsatzdebatte über die Anwendbarkeit des Artikels 15 im Grundgesetz zu erwarten ist und damit die Umsetzung bewusst verzögert wird. Insofern ist es gut, dass DWE betont, auf der Straße präsent zu bleiben und den Senat „mit massivem Druck aus der Stadtgesellschaft“ zur Umsetzung zu treiben. Aber zur taktischen Frage, ob eine Beteiligung an sich sinnvoll ist oder ob dadurch der beeindruckenden, seit 2018 geleisteten Vorarbeit zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Enteignungen von Konzernen ein Bärendienst erwiesen wird, kann man zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Es gibt schließlich schon mehrere Rechtsgutachten und einen eigenen Gesetzesentwurf der Initiative, das heißt es geht eigentlich nur noch um das „wie“ der Umsetzung, nicht um das „ob“.
Das wird durch die Kommission de facto verneint und die Diskussion wird ergebnisoffen geführt – ein klarer Rückschritt. Zudem birgt eine Beteiligung an solchen Kommissionen immer die Gefahr einer Vereinnahmung. Wenn man sich dafür entscheidet, sollte dies genutzt werden können, um von innen heraus eigene Positionen einer breiteren Öffentlichkeit medial vorstellen zu können und die politischen Positionen von SPD und anderen, die sich dort widerspiegeln, zu demaskieren.
Drei Externe entsendet
Letztendlich entschied sich DWE für die Teilnahme an der Kommission. Hauptargument war die Präsenz von dezidierten Befürworter*innen der Vergesellschaftung in der Kommission. Leider wurden aber keine eigenen Aktivist*innen entsandt, sondern zwei Jurist*innen und eine Stadtforscherin. Wenn der Grund der Entsendung jedoch der Einfluss auf die Debatte in den Medien ist, ist der Verzicht auf eigene Vertreter*innen nicht nachvollziehbar.
Selbst wenn das Votum der Kommission letztendlich positiv ausfallen sollte – was nicht wahrscheinlich ist –, wird die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) den Volksentscheid nicht umsetzen. Dazu müsste der politische Druck aus den Kiezen und durch die Gewerkschaften auf eine qualitativ andere Ebene gehoben werden. Die Kiezgruppen könnten über dezentrale Aktionen in den Bezirken und Wohnvierteln wieder in die Offensive kommen. Die Gewerkschaften, deren Mitglieder ja größtenteils auch Mieter*innen sind, könnten eine koordinierte Kampagne gegen überhöhte Mieten und für das Grundrecht auf gutes Wohnen für alle führen.
DWE braucht eine klare Strategie, wie es weitergeht, und muss diese so überzeugend und präsent im Stadtbild kommunizieren wie während der erfolgreichen Unterschriftenkampagnen 2019 und 2021. Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der Positionen ist die stadtpolitische Enteignungskonferenz vom 27. bis zum 29. Mai in der TU Berlin.
Foto durch Montecruz Foto