Seit dem 4. Mai streiken die Beschäftigten der NRW-Unikliniken für einen Tarifvertrag Entlastung. An der Uniklinik Köln (UKK) sind rund 500 Kolleg*innen im Streik. Am dritten Tag des Streiks hat sozialismus.info die Kolleginnen Wibke und Nihal interviewt. Auch nach über eine Woche Streik gibt es keine konkreten Angebote der Landesregierung, es wurde lediglich die Bereitschaft erklärt, nach der Wahl den rechtlichen Rahmen für einen eigenen Tarifvertrag zu schaffen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels lief der Streik noch.
sozialismus.info: Warum streikt ihr?
Nihal (seit einigen Monaten als medizinische Fachangestellte in der Ambulanz der Frauenklinik): Ich habe von Anfang den Personalmangel mitbekommen und sofort gedacht, dass wir Veränderungen brauchen. Unsere Forderung ist nicht mehr Geld, sondern mehr Personal. Wir brauchen Hilfe, so geht das nicht weiter.
Wie läuft der Streik bisher, was habt ihr erreicht?
Wibke (seit 20 Jahren Krankenschwester an der Frauenklinik): Der Streik läuft sehr positiv, immer schön viele Leute am Streikposten, das ist ja der Kern des Streiks. Wir haben schon Druck bekommen von der Arbeitgeber-Seite. Aber das ist ja wie bei der Impfung: Je mehr Nebenwirkungen, desto mehr Wirkung. Es sind bereits einige Stationen geschlossen worden, darunter auch sensible Stationen wie PACU, das ist eine Art Aufwachraum. Die zentrale Notaufnahme ist abgemeldet, Kinderstationen sind teilweise geschlossen, darunter die Kindernotaufnahme. Das sind alles Bereiche, die einem Krankenhaus weh tun. Es sind ca. 20 OP-Säle geschlossen.
Nihal: Es werden täglich mehr Streikende. Es sind viele eingetreten, auch heute, am dritten Streiktag, gab es mehrere Eintritte bei ver.di. Wir brauchen noch mehr Mitglieder, um den Druck auf den Arbeitgeber zu verstärken.
Hunderte Beschäftigte sitzen hier in Gruppen zusammen und diskutieren. Worum geht es dabei?
Wibke: Hier diskutieren die einzelnen Fachbereiche ihre detaillierten Forderungen für die Verhandlungen, zu denen es hoffentlich mal kommt. Wir sammeln und checken auch Argumente und Zahlen, um unsere Forderungen zu untermauern. Wir vernetzen uns auch, um die Infos schnell von den Delegiert*innen an die Tarifkommission weiterzugeben.
Es sieht so aus, als würde ver.di dieses Mal auf die Basis hören?
Wibke: Auf jeden Fall. Bei der letzten Gehalts-Tarifrunde (TV-L) gab es sehr viel Kritik am Agieren von ver.di und dem Abschluss. Auf diese Kritik hat ver.di gut reagiert und hat den Ball an die Beschäftigten zurückgegeben. Jede einzelne Kollegin auf jeder Station ist zumindest angesprochen worden. Alle Forderungen sind basisdemokratisch entstanden, jede Abteilung hat ihre eigenen Forderungen aufgestellt. Es war so demokratisch, dass es zu Anfang gar nicht verstanden wurde, viele waren überrascht, dass sie sich selber Gedanken machen sollten. Aber ich finde es super. So wird sich jede*r bei den Verhandlungen wiederfinden. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass alle Berufsgruppen im Krankenhaus in den Tarifvertrag Entlastung einbezogen werden, weil es gar nicht anders geht. Nicht nur die Pflege, sondern auch die Küche, der Patienten*innen-Service, die Reinigungskräfte.
Werdet ihr auch von außerhalb des Betriebes unterstützt?
Wibke: In Köln auf jeden Fall. Es gab eine sogenannte Stadtversammlung, eine öffentliche Kundgebung. Kneipen haben Bierdeckel mit unseren Forderungen hergestellt. Die Patienten*innen-Vertretung NRW hat sich solidarisch erklärt, auch Parteien haben sich positiv geäußert.
Die erste Streikwoche läuft toll, das Wetter ist gut, aber wenn die Arbeitgeber weiter blockieren, kann dies auch ein harter Streik werden …
Wibke: Das haben wir in den Gruppen vorausschauend besprochen, dass es am Streikposten nicht abreißt, dass die Leute auch die nächsten Wochen hier herkommen. Wir organisieren hier für jeden Tag ein Programm, mit Informationsveranstaltungen und Workshops. Bisher ist auch die Zusammenarbeit mit ver.di gut, die erfüllen uns unsere Wünsche.
Was können Menschen von außerhalb, Patient*innen oder Gewerkschafter*innen, machen, um den Streik zu unterstützen?
Nihal: Kommt einfach zu uns, zu unserem Streikposten. Alle sind herzlich eingeladen. Auch wir müssen andere Leute unterstützen, wir müssen zusammenstehen.
Wibke: Wir erklären zum Beispiel, dass nicht der Streik das Problem ist, sondern der alltägliche Zustand. In der Regelversorgung läuft es schlechter als während des Streiks. Patient*innen können nicht richtig versorgt werden. Diese Fakten sollten unsere Unterstützer*innen überall in der Bevölkerung verbreiten, damit mehr Verständnis für unseren Arbeitskampf geschaffen wird.
Inwieweit habt ihr euch von den Erfolgen in Berlin inspirieren lassen?
Wibke: Auf jeden Fall, das ist das große Vorbild, da haben wir sehr viel bei den Kolleg*innen abgeguckt. Wir haben die Hoffnung, dass wir nicht ganz so lange streiken müssen wie die, weil die Arbeitgeber-Seite sieht, dass da Power hinter ist, dass es uns erst ist. Wäre schön, Streiken ist schließlich nicht unanstrengend für uns.