Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat die CDU 43% der Stimmen geholt und kann sich aussuchen, welchen ihrer beiden Koalitionspartner sie behalten möchte. Haben die da oben keine Probleme?
von Thies Wilkening, Reinbek
In einem Wahlkampf, der fast noch langweiliger war als bei der letzten Landtagswahl, setzte die CDU vor allem auf ein Argument: Daniel Günther. Der Ministerpräsident verkörpert wie kaum jemand anders im Jahr 1 nach Angela die alte Merkel-CDU, strahlt Stabilität und „Harmlosigkeit“ aus. Die inhaltlich wieder einmal links blinkende SPD kam mit ihrem Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller, einem kaum bekannten Ex-Banker und Ex-Staatskanzleichef, nicht dagegen an und erreichte das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte.
Inhalte spielten laut ARD-Umfragen keine große Rolle, kein Thema war für mehr als 16% der Wähler*innen entscheidend. 69% der Wähler*innen beurteilen die wirtschaftliche Lage als positiv, mehr als bei jeder anderen Landtagswahl der letzten Jahre – die Inflation wird von der Mehrheit noch nicht als akutes Problem gesehen. Die Grünen sind mit 18% zur zweitstärksten Partei avanciert. Einerseits profitieren sie nach wie vor von ihrem Image als „Partei des Klimaschutzes“, obwohl in den letzten fünf Jahren Jamaika-Koalition kaum Fortschritte erzielt wurden. Außerdem stehen sie unter allen Parteien am stärksten für die aktuell massiv propagierte Aufrüstungspolitik und profitieren so vom Ukraine-Krieg. Ob sie, die FDP oder beide weiter mit regieren dürfen ist offen, für das Regierungshandeln der nächsten Jahre aber auch ziemlich egal. Die AfD verpasst zum ersten Mal den Wiedereinzug in einen Landtag. Den Rechten wird ihre Nähe zu den Auslandsmedien des Putin-Regimes zum Verhängnis, außerdem wurde durch das aktuelle Klima der Solidarität mit Geflüchteten offener Rassismus ein Stück weit zurückgedrängt. Das bedeutet aber keine Entwarnung. Wenn die LINKE zerfällt, könnte die AfD als Protestpartei von Inflation und wachsender Armut profitieren. Auch neue rassistische Hetzkampagnen bürgerlicher Medien könnten ihr wie schon 2015/16 einen neuen Aufschwung bescheren.
Als regionales Phänomen gibt es in Schleswig-Holstein die dänisch-friesische Partei SSW (Südschleswigscher Wählerverband), die per gesetzlicher Ausnahmeregelung immer im Landtag sitzt, von 2012-17 mit der SPD regiert hat und ein sozialdemokratisches Programm vertritt. Seit der Rückkehr in die Opposition erlebt der SSW einen gewissen Aufschwung, mit sozialen Forderungen nach Mietendeckel, Mietpreisbremse und einem höheren Mindestlohn hat er sein Wahlergebnis auf 5,7% gesteigert.
DIE LINKE: Absehbarer Absturz
DIE LINKE hat mit 1,7% das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit ihrer Gründung bekommen und bleibt landespolitisch bedeutungslos. Der Absturz war absehbar – und das liegt weder hauptsächlich an #linkemetoo noch am Wahlkampf. Nach zwei Jahren Corona und dem russischen Angriff auf die Ukraine kam die Wahl für die Linke zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Probleme wie Inflation und Wohnungsnot sind im Bewusstsein der Arbeiter*innenklasse noch nicht angekommen. Aber das kann sich bald ändern. Wenn die Preise, Nebenkosten und Mieten weiter steigen, Löhne, Renten und Sozialleistungen aber nicht; wenn noch mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen; wenn die Klimaerwärmung weiter ungebremst auf die Kipppunkte zu rast und die bürgerlichen Parteien nichts dagegen tun. Kurz: wenn die verschiedenen Krisen des Kapitalismus weiter eskalieren, wird es wieder Potential für eine linke, antikapitalistische Partei geben. In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob DIE LINKE ihren Namen dann noch verdient oder sich SPD und Grünen bis zur Unkenntlichkeit anpasst, indem sie ihr Programm über Bord wirft und sich zu Aufrüstung und NATO bekennt. Kräfte, die für eine solche Anpassung stehen versuchen, die schlechten Wahlergebnisse als Argumente für ihren Kurs zu nutzen. In der Partei muss sich vieles ändern, sie braucht klare Positionen für Klimagerechtigkeit, gegen Rassismus und Sexismus. Aber eine “Linke” die mit ihren Grundsätzen bricht, macht sich überflüssig. Sozialist*innen müssen dagegen halten und linke Positionen verteidigen